Kommentar zur Bunkerdebatte

Arbeit an neuem Bunkerschutzplan: Kein Volk von Maulwürfen

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Autor/in
Julian Burmeister
Julian Burmeister

Nach dem russischen Einsatz einer Interkontinentalrakete wurde hierzulande die Angst vor dem Krieg wieder größer und damit auch der Ruf nach Bunkern. Aber wären die hilfreich?

Am Ende eines ereignisreichen Jahres voller kriegerischer Eskalation ist er wieder in den Schlagzeilen: der Bunker.

Und zwar nicht, weil erneut jemand aus der Politik fordert, man müsse stillgelegte Bunker reaktivieren oder neue platzieren. Sondern weil das Bundesamt für Bevölkerungsschutz jetzt ganz konkret in einer Arbeitsgruppe mit den Bundesländern an einem Bunkerschutzplan arbeitet.

Plötzlich denken alle über ihren Keller nach

Allein das mag manchen schon verunsichern: dass die Bundesregierung, die in Sicherheitsfragen durchaus als zögerlich bis träge gilt – man erinnere sich nur an den verpatzten, ersten Katastrophenwarntag 2020 – , jetzt aktiv wird, muss gewichtige Gründe haben. Stehen womöglich sogar Luftangriffe bevor?

Vermutlich nicht, auch wenn es natürlich niemand völlig ausschließen will. Es stellt sich also die Frage: Wie hilfreich ist es für die Menschen in diesem Land, sich mit diesem unangenehmen Thema zu befassen? Und gehört es vielleicht zur umfassenden Meinungsbildung im bevorstehenden Bundestagswahlkampf?

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Eigentlich wurden die rheinland-pfälzischen Bunker zu militärischen Zwecken und als Schutzräume gebaut. Heute werden sie ganz unterschiedlich genutzt – legal und illegal.

Inwieweit hilft es, „gewappnet“ zu sein?

Die Ungewissheit, ob der eigene Keller einem Bombardement standhalten würde oder wo der nächstgelegene Schutzraum aufzusuchen ist, gehört zurecht der Vergangenheit an. Das sind Schauergeschichten des Kalten Krieges.

Natürlich darf man nicht vergessen: Für die Menschen in der Ukraine ist es seit 2022 Realität, wieder jeden Tag den Fliegeralarm zu hören. Viele haben die ersten Bombennächte in den Tunneln der U-Bahn verbracht oder haben deswegen das Land verlassen. Aber deswegen ist eine Bunker-Mentalität bei uns in Deutschland aus diversen Gründen trotzdem nicht erstrebenswert.

In zwei Minuten vom fünften Stock in den Keller?

Da wären zum einen die kurzen Vorwarnzeiten, die das Erreichen eines Bunkers für den Großteil der Bevölkerung unmöglich machen dürfte. Waren es im Zweiten Weltkrieg noch Propellermaschinen, die Bomben abwarfen und fünfzehn bis zwanzig Minuten vorher schon gesichtet werden konnten, hätten wir es im Kriegsfall gegen Russland mit Hyperschallraketen aus Kaliningrad zu tun.

Die hätten mit zwei bis fünf Minuten fast gar keine Vorwarnzeit, wie Hans-Walter Borries, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sicherheitsstudien FIRMITAS an der Universität Witten in Westdeutschland der Deutschen Welle mitteilte.

Eine Führungsgruppe besichtigt die Schutzräume im ehemaligen Regierungsbunker in Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz.
Viele Bunkeranlagen aus dem Kalten Krieg sind heute in privater Hand oder museale Gedenkstätten. So auch der ehemalige Regierungsbunker in Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz.

Deutschland ist jetzt schon kurz vor dem Infrastruktur-Infarkt

In dieser Zeit erreichen Menschen ihren Keller nicht – außer vielleicht die Jungen. Und die auch nur, wenn es dort WLAN gibt. Von militärischem Drill und Probealarm-Übungen in der Schule ganz zu Schweigen. In den meisten Schulen finden allenfalls halbjährlich Brandschutzübungen statt

Der zweite Grund ist wirtschaftlicher Natur: Deutschland ist schon jetzt ein Land vor dem Infrastruktur-Infarkt: Marode Brücken, Autobahnen, marodes Schienennetz und zwischen 15 und 18 Millionen Wohngebäude müssen in den kommenden Jahren saniert werden.

Momentan kann sich Deutschland keine Bunker leisten

Dabei fehlt es schon jetzt an allem von Geld über Baumaterialien bis hin zu Arbeitskräften. Hinzu kommt die gesetzlich verankerte Schuldenbremse, die Investitionen auf staatlichen Kredit verhindert.

Und vorhandene Bunker, die längst umgewidmet und in private Hand verkauft wurden, wieder in Stand zu setzen – das hieße auch oft, ihre jetzigen Nutzer zu enteignen. Das dürfte wiederum kostspielige, langjährige Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.

In ein flächendeckendes Warnsirenensystem zu investieren sei effizienter, sagte Martin Voss, Professor für Krisen- und Katastrophenforschung an der FU Berlin, bereits im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Tagesschau.

Bunkerraum mit Aufschrift "Ruhe bewahren!"
Beschriftungen aus dem Zweiten Weltkrieg sind bis heute im historischen Remterkeller des Halberstädter Domes erhalten. Hunderte Menschen harrten dort aus, als am 8. April 1945 Bomben die mittelalterliche Stadt zerstörten. Heute wird der Remterkeller an ausgewählten Tagen gezeigt.

Dritter Grund: Es sind schlicht andere Dinge wichtiger, als uns vor Putins interkontinentalen Drohgebärden zu schützen. Die Wahl einer stabile Regierung zum Beispiel oder eine produktive Debatte darüber, wie die Energiewende voran gebracht werden kann. Denn in Sachen Klima gibt es ja bekanntlich dringenden Grund, Alarmstimmung zu verbreiten.

Paranoia lenkt von den eigentlichen Problemen ab

Und schließlich: Eine Bunker-Mentalität tut keinem Land wirklich gut. In Deutschland herrschte nach der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges eine nie da gewesene Stimmung von Hoffnung und Optimismus.

Auch wenn diese Friedensdividende verspielt zu sein scheint und unsere Wirtschaft durch den Abschied einer ganzen Armee an Werktätigen noch eine Weile schwächeln wird: Unseren Optimismus sollten wir uns davon nicht nehmen lassen.

Bunkerbauten im Südwesten

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