Marianne Pirker wurde jahrelang in der Festung Hohenasperg inhaftiert, ohne zu wissen warum. Vor Verzweiflung wurde sie fast wahnsinnig und sang ununterbrochen Arien bis sie verstummte.
Klammheimliche, unerklärliche Verhaftung
Es ist finstere Nacht, als eine schwarze Kutsche im Hof des Stuttgarter Schlosses hält. Wenig später bringen Männer in Uniformen drei Gestalten aus dem Schloss und dirigieren sie in Richtung der bereitstehenden Kutsche. Diese Momente am 16. September 1756 sind die letzten Minuten in Freiheit für die gefeierte Primadonna der Stuttgarter Hofoper Marianne Pirker, ihren Ehemann und den Hoffriseur. Alle drei werden aus dem Schlosshof direkt ins Gefängnis kutschiert. Ohne Prozess.
Und vor allem auch ohne Anklage, sagt die Historikerin Franziska Dunkel: „Bis heute weiß man eigentlich nicht, warum Marianne Pirker, ihr Ehemann Franz Pirker und der Hoffriseur Georg Raich bei Nacht und Nebel verhaftet worden sind und letztlich dann auf den Hohenasperg gebracht.“
Liegt ein Grund in ihrer Nähe zur Herzogin?
Auch Marianne Pirker selbst weiß nicht, was Württembergs absolutistischer Herzog Carl Eugen ihr vorwirft. In der Hofoper in Stuttgart hat sie immer für volle Ränge gesorgt. Und mit Friederike, der Gemahlin des Herzogs, ist sie eng befreundet. Über den Grund ihrer plötzlichen Verhaftung kann sie nur spekulieren. Eine Möglichkeit, dass der Herzog, der unzählige Liebschaften im Bereich von Ballett und Oper unterhielt, unliebsame Zeug*innen aus dem Weg schaffen wollte.
Auf Befehl von Carl Eugen kommt Marianne Pirker in eine Einzelzelle. Die Inventarlisten des Gefängnisses dokumentieren, wie sie immer wieder Bettwäsche zerreißt und Trinkgeschirr zerstört — die ehemalige Primadonna ist psychisch am Ende. In ihrer Verzweiflung singt Marianne Pirker Tag und Nacht. Ununterbrochen schallt die Arie der Fulvia aus Niccolò Jommellis Oper „Ezio“ durch die Gefängnisflure. So lange, bis sich der glockenklare Sopra zunächst in einen heiseren Bass verwandelt und dann schließlich verstummt.
Im letzten Moment kommt die Rettung
Nun fängt sie an Strohkränze aus dem Stroh ihrer Matratze zu winden und Blumenarrangements. Sie erlangt darin eine solche Fertigkeit, dass diese anscheinend bis nach Paris oder Wien verkauft werden. Auf diesem Weg erfährt Kaiserin Maria Theresia vom Schicksal der Sängerin und schickt ein Gnadengesuch an den Württembergischen Herzog.
Aus politischem Kalkül lässt Carl Eugen seine Gefangenen daraufhin frei. Genauso klammheimlich wie bei der Verhaftung acht Jahre zuvor. Alle drei müssen einen Eid schwören, über ihre Haft niemals ein Sterbenswörtchen zu verlieren. Dann bringt sie eine herzogliche Kutsche außer Landes.