Menschenleer sind Axel Hüttes Bilder. Der 74-jährige Künstler erklärt: „Sobald Menschen oder Tiere auftauchen, habe ich ja eine Erzählstruktur“, und genau das will der Fotograf nicht. Er will, dass die Landschaft für sich spricht.
Und für sich sprechen seine selbsternannten „Imaginierte Landschaften“ auf eindrückliche Art und Weise: Großformatige Aufnahmen von imposanten Gletschern, Bergen, oder Gewässern, die zwischen Schärfe und Unschärfe schwanken. Für die Augen fast wie eine Art Meditation, wenn sich der Betrachter sozusagen in die Bilder fallen lässt.

Axel Hütte arbeitet oft mit einer Plattenkamera
Ungewöhnliche Bildstrukturen stehen im Fokus von Axel Hüttes Arbeiten. Seine großformatigen Fotografien sind minutiös geplante Kompositionen, keine spontanen Schnappschüsse. Die Suche nach Motiven führt ihn in die ganze Welt.
Bis eine Aufnahme entstanden ist, braucht es Zeit, viele seiner Fotografien hat Hütte mit einer Plattenkamera aufgenommen. „Wenn ich mit der Plattenkamera arbeite, dann muss ich erstmal 25 Kilogramm vor Ort bewegen. Von daher überlege ich mir genau, wie ich es aufnehme“, erklärt der Künstler.

Hütte schildert, wie seine Aufnahmen entstehen. Bei seinen Reisen wandert oder fährt er durch die Landschaft. Irgendwann sehe gefühlt alles gleich aus. Aber dann, so der Künstler, komme der Moment, in dem man innehält und feststellt: Irgendwas ist hier anders. Das ist genau der Moment, in dem Hütte seine Kamera auspackt. „Und dann beginnt die eigentliche Bildkonstruktion“, so Hütte.
Die Ausstellung im Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen ist in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler entstanden. Zu sehen sind 36 Werke aus den Jahren zwischen 1997 und 2024.
Der Nebel bei Axel Hütte: Schleier des Nicht-Sehen-Könnens

Ein Naturschauspiel, dem Hütte in seinen Arbeiten immer wieder eine Bühne schenkt: der Nebel. Die unzähligen Wassertröpfchen, die in der Luft schweben und das Licht reflektieren, legen sich wie eine Art Schleier über die Landschaften. Auf Bildern vom Mittelrhein ist zwischen Nebelschwaden, Wasseroberfläche und Himmel – alles „Grau-in-Grau“, die Uferlinie nur zu erahnen. Was ist Wasser, was ist Land? Die Grenzen verwischen.

Dieser Effekt spielt auch in einer ganz anderen Landschaft eine Rolle: Auf Hüttes Aufnahmen aus dem tropischen Wald verlieren sich die Blicke des Betrachters im undurchdringlichen Dunst durch die hohe Luftfeuchtigkeit. Nichts ist mehr eindeutig, die Landschaft gibt durch die gespensterhaften Wolken optische Rätsel auf.
Hütte lässt dem Betrachter viel Raum, Dinge in seine Bilder hinein zu denken oder hinein zu sehen. „Was ich durch die Nebelschleier erzeuge, ist das Nicht-Sehen-Können. Und das schafft ja die Imagination“, erklärt Axel Hütte.
Das, was man im Bild sieht, ist mindestens genauso wichtig, wie das, was man nicht sieht.
Der Nebel verändert die Stimmung. „Wenn sich eine Gegend in Nebel hüllt, erscheint sie größer, erhabener und erhöht die Einbildungskraft. Er spannt die Erwartung gleich einem verschleierten Mädchen“, so hat der Maler Caspar David Friedrich die Wirkung des Nebels in seinen Gemälde beschrieben. Auch als Element in der romantischen Landschaftsmalerei findet sich der Nebel wieder.
Hüttes Aufnahmen spielen zumindest mit dieser Bildtradition. „Es mag sein, dass der Blick eine Anmutung der Romantik hat. Aber ich arbeite kaltblütig. Das heißt, ich bin bei der Aufnahme absolut konzentriert.“

Brücken bei Axel Hütte: Menschgemachtes als Grenze zwischen Natur und Landschaft
Auf den ersten Blick ganz anders muten da die Aufnahmen Hüttes aus der Werkserie mit Brücken an. Hier steht zunächst menschengemachte, geometrische Struktur im Vordergrund. Der Fotograf legt die Schärfe auf den Stahlträger der Kastenbrücke. Die Landschaft dahinter wird durch die Verstrebungen sozusagen aufgeteilt, ist nur zu erahnen.
Was zunächst anders anmutet, folgt bei genauerer Betrachtung demselben Prinzip: Axel Hütte spielt hier mit den Sehgewohnheiten. Die Detailaufnahme der Brücke lässt keinen Blick auf das große Ganze zu. Die natürliche Umgebung, die Vegetation im Hintergrund, die man eigentlich scharf stellen möchte, bleibt verschwommen.

Im Kern spielen ein Großteil von Hüttes Arbeiten mit dem Unterschied zwischen Natur und Landschaft. Die Natur ist die physische Welt, die uns Menschen umgibt. Landschaft meint hingegen die Natur, wie sie der Betrachter wahrnimmt.
Die Brücke könnte mit Blick auf die menschenleeren Landschaftsaufnahmen Hüttes für den menschlichen Eingriff in die Natur stehen. Der Versuch, sie beherrschbar zu machen.
Aber die Funktion der Brücke im Gelände oder das, was über die Brücke geht oder fährt, sind unklar. Wie diese Konstruktion in den Naturraum eingreift, bleibt auch im Verborgenen. Es bleibt nur der Zweifel an den Möglichkeiten des erkennenden Sehens.

Blumen bei Axel Hütte: Surreale Geisterbilder
Seit 2020 fotografiert Hütte Blumen. Diese Aufnahmen sind ausnahmsweise digital entstanden. In der bildlichen Tradition des Blumen-Stilllebens arrangiert und fotografiert der Künstler die filigranen Schnittblumen unter bestimmten Lichtverhältnissen in seinem Atelier. In der anschließenden Bildbearbeitung verändert Hütte seine „Flowers“ zu fluoreszierenden, surrealen Geisterblumen.

Hütte kehrt dabei alle Farben um. So wird beispielsweise der ursprüngliche Schatten eine Art geisterhafter Lichtschleier. Die Verbindung der längst vergangenen Trockenblumen zur Natur ist sozusagen gekappt. Das Gegenteil von lebendiger Natur. Hütte fasst zusammen:
Die Faszination liegt hier in der Irritation der Wahrnehmung.
Manipulation in der Fotografie
Auch hier also wieder eine Art Aufforderung, das eigenen Sehen kritisch zu hinterfragen. In Zeiten, in denen allgegenwärtig ist, dass jede Fotografie manipuliert oder künstlich generiert sein kann, wichtiger denn je. Der Frage nach der Künstlichkeit in der Fotografie gehen alle Werke Hüttes auf unterschiedliche Weise nach.