In drei Episoden wird jeweils ein historisches Abhör-/Warnsystem vorgestellt. Allen gemeinsam ist ihre lokale Gebundenheit: Sie sind geprägt von der Architektur ihres Standorts oder prägten ihrerseits eine für ihre Funktion optimierte Architektur. Sie alle sind außer Betrieb, dennoch öffentlich zugänglich und werden akustisch von ihren Besuchern gestaltet: Reisegruppen, die sich durch schmale Gänge zwängen und Warnsignale spielerisch heraufbeschwören; Schulklassen, die sich pfeifend und klatschend durch große Hallräume lotsen. Indem das Hörstück diese Orte mikrofoniert und aufzeichnet, übernimmt es nicht nur die Rolle des klanglichen Kartographen, sondern auch die des soziologischen Beobachters: Zu hören ist die Eigenheit der Orte, aber auch die Reaktion ihrer Besucher.
Erste Episode: Orecchio di Dionisio
Die in der Antike angelegte Kalksteinhöhle in der Sizilianischen Stadt Syrakus verfügt über eine außergewöhnliche Akustik: Ein tief in der Höhle geflüstertes Wort wird am Höhleneingang verstanden. Der Maler Michelangelo da Caravaggio berichtet, dass der Tyrann Dionysios I. hier seine politischen Gefangenen einkerkern ließ, um sie mit Hilfe der Höhlenakustik abhören zu können.
Zweite Episode: Uguisubari
Uguisubari sind klingende Dielenböden in japanischen Tempel- und Burganlagen. In der Edo Zeit war der Nachtigallboden (wörtliche Übersetzung) ein weit verbreitetes akustisches Warnsystem: Beim Betreten der Dielen rieben Dielennägel an Metallklammern, die auf der Unterseite des Bodens montiert waren. Es entstand ein verräterisch-quietschendes Geräusch, das dem Zirpen der Japanischen Nachtigall ähnelte.
Dritte Episode: Sound Mirrors
Sound Mirrors sind eine frühe Form von Hohlspiegelmikrofonen, die in den 1920er Jahren an der Südenglischen Küste konstruiert worden sind. Die brutalistischanmutenden Betonbauten haben die Form von Parabolspiegeln und sind bis zu 70 Meter breit. Sie dienten zur akustischen Erspähung von Luftschiffen und Flugzeugen. Bedingt durch den Covid-Lockdown, konnte der Autor vor Ort nicht aufnehmen – als Klangdokumente wurden Youtube-Filme genutzt, in welchen Besucher die Sound Mirrors begehen und/oder mit Drohnen erkunden.
Nachtrag zu Uguisubari
Komposition und Realisation: der Autor
(Produktion: SWR 2021)
Gefördert durch das Recherchestipendium für Ernste Musik und Klangkunst
Werkstattgespräch mit Jan Jelinek
Jan Jelinek
geboren 1971 in Bad Hersfeld. 1998 erste Tonträgerveröffentlichung unter dem Pseudonym Farben. Seit 2008 diverse Tonträgerveröffentlichungen, Ausstellungen und Buchveröffentlichung der fiktiven Künstlerin Ursula Bogner. Für die Audiocollage „Kennen Sie Otahiti?“ (SWR 2012) erhielt er den Karl-Sczuka-Förderpreis 2012. Zuletzt entstand das Hörstück „Vom Rohen und Gekochten“ (SWR 2020). Im Jahre 2021 erhielt Jelinek ein Recherchestipendium für Ernste Musik und Klangkunst für sein Hörstück „Überwachung – in drei Episoden“.