Stehen die USA noch zum Beistandsartikel des NATO-Vertrags? Seit der wiedergewählte US-Präsident Donald Trump im Amt ist, gibt es daran erhebliche Zweifel. Sollte er Europa im Stich lassen, wäre dann Deutschland in der Lage sich zu verteidigen? Das ist auch ein Thema im "Zentrum Innere Führung" der Bundeswehr in Koblenz. SWR-Reporter Thomas Schneider konnte sich exklusiv dort umsehen und eine Besprechung beobachten.
Schweres Gerät im Manöver; Rekruten auf dem Kasernenhof; Ordnung, Befehl und Gehorsam. Alltag bei der Bundeswehr. Aber eben nicht überall. Wir sind im "Zentrum innere Führung" in Koblenz. Hier kann man der Armee beim Nachdenken über sich selbst zuhören. Bernd ist Dozent. Seine Aufgabe: Offiziere weiterbilden in Sachen Führungskultur. Die Zeitenwende hat auch hier einiges verändert.
Bernd ist Oberstleutnant, er war viele Jahre Soldat auf Zeit. Dann hat er die Bundeswehr verlassen und zivil als Coach gearbeitet. Jetzt ist er wieder Soldat und trainiert Führungskräfte in Uniform. Er konstatiert: "Der Grund, warum wir als Bundeswehr so dastehen, wie wir jetzt dastehen, oder wie wir im Februar (im Jahr 2022, Anm. d. Redaktion) damals dastanden, war ja, dass es lange lange Zeit eine Bedrohungswahrnehmung in der Gesellschaft gab, die gegen Null ging."
Da widerspricht niemand im Hörsaal. Aber Bernd geht noch weiter: Auch in der Bundeswehr hätten zu viele jahrelang einfach nur ihre Routineaufgaben abgehakt. Nun müssten sie als Chefs wieder dorthin kommen, zu erkennen, "dass unsere Aufgabe nicht nur grüne Häkchen in der Tabelle sind, sondern unsere Männer und Frauen auf ein mögliches bevorstehendes Gefecht vorzubereiten".
Und deswegen tragen wir auch diese Klamotte. Weil das der Kern unseres Auftrages ist. Es geht um das Gefecht.
Was viele hier beschäftigt: Als reine Freiwilligenarmee ist die Bundeswehr auf einen möglichen Krieg nicht optimal vorbereitet. Und viele der Offiziere fürchten, dass die Gesellschaft da draußen die Kriegsgefahr unterschätzt. "Das ist noch zu weit weg. Deutschland, Ukraine, und irgendwo dazwischen ist die Bundeswehr. Die Gesellschaft ist noch ganz weit weg vom Krieg", heißt es in der Runde. Die Frage sei auch, wie man die Bevölkerung vorbereiten könne - zum Beispiel auch mit einer Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Junge Menschen zu finden, die sich für die Bundeswehr entscheiden, ist eine Herausforderung. Aber wie steht es um die Altgedienten? Für Bernd gibt es in der Bundeswehr noch zu viele, "die sich zurücklehnen und sagen: Naja, das gab es ja schon öfter mal, auch das wird sich wieder legen."
Das Gespräch dreht sich auch um die Frage: Wie stehen die Deutschen überhaupt zu ihrer Armee? Das treibt viele hier um, vor allem, seit die Wehrpflicht ausgesetzt ist. Zwar stehe wohl die Mehrheit der Bevölkerung der Bundeswehr positiv gegenüber. Aber, sagt einer der Offiziere in der Runde, die Bundeswehr könne sich auch bei hundertprozentiger Zustimmung "nichts davon kaufen, solange die Bevölkerung das Chips essend von der Couch aus sagt." Das Image sei vollkommen egal, solange es die Bundeswehr nicht schaffe, die jungen Leute zu motivieren, sich einzubringen.
Bernd widerspricht dem nicht, findet aber: Soldatinnen und Soldaten müssten auch selbst etwas tun, wenn sie Kontakt wünschen zu dem Volk, das sie verteidigen sollen.
Wer von Ihnen fährt zum Beispiel in Uniform morgens zum Dienst und abends vom Dienst? Und geht in Uniform mal einkaufen?
Verteidigungsfähigkeit ist nicht nur eine Frage von Panzern und Munition. Sie beginnt in den Köpfen - von Soldaten und Zivilbevölkerung.
