Mammutsitzung im Landtag

U-Ausschuss zur Ahr-Flut: Doch noch kein Ende der Beweisaufnahme

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Autor/in
Götz Kohlmann

Mit der 41. Sitzung schien ein Ende in Sicht. Doch nun soll kommenden Donnerstag noch einmal ADD-Präsident Linnertz als Zeuge im Untersuchungsausschuss gehört werden. Experten machten am Freitag erneut deutlich, dass sich die Katastrophe früh abgezeichnet hatte.

Der Untersuchungsausschuss wird die Beweisaufnahme am Freitag doch noch nicht abschließen. Am kommenden Donnerstag soll der Präsident der Landeskatastrophenschutzbehörde ADD Thomas Linnertz noch einmal als Zeuge auftreten - zum mittlerweile vierten Mal. Das hat der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) am Abend nach einer nicht-öffentlichen Sitzung angekündigt. Thema ist wieder der umstrittene Urlaub der Ex-ADD-Vizepräsidentin Begoña Hermann.

Schon am Vormittag hatte die AfD-Fraktion erklärt, Linnertz ein weiteres Mal als Zeuge in den Untersuchungsausschuss laden zu wollen. Der Obmann der AfD, Michael Frisch, sieht durch die heutige Aussage des ADD-Abteilungsleiter Wolfgang Konder neue Fragen aufgeworfen. Es sei unklar geblieben, warum Hermann in die USA habe reisen dürfen, obwohl es einen dringenden Personalbedarf auch im Verwaltungsstab der ADD gegeben habe. Er wolle wissen, inwieweit Linnertz in die Entscheidung involviert war.

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Gut 20 Monate nach der Flutkatastrophe im Ahrtal ist die politische Aufarbeitung durch den U-Ausschuss fast abgeschlossen. Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird, ist jedoch weiter offen.

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ADD-Vertreter zu umstrittenem Urlaub von früherer Spitzenbeamtin

Gegen Hermann läuft ein Disziplinarverfahren. Die pensionierte Beamtin wird verdächtigt, noch während ihrer Dienstzeit kurz nach der Ahr-Flut einen dienstlichen Anlass vorgetäuscht zu haben, um für eine selbst gezahlte Privatreise in die USA gelangen zu können. Reisen dorthin waren damals aufgrund von Corona-Beschränkungen weitgehend untersagt.

Nach Aussage des ADD-Abteilungsleiters war Hermann keine Expertin für Katastrophenschutz. Vertretungen seien während ihrer Abwesenheit organisiert gewesen. Es sei vor Ort gewährleistet gewesen, dass alle Aufgaben wahrgenommen würden, so der Leiter der Abteilung Zentrale Aufgaben, Wolfgang Konder. Daher sei ihr genehmigter Urlaub nicht widerrufen worden.

Auf Urlaubssperre wurde verzichtet

Der Leiter des ADD-Referats Brand- und Katastrophenschutz, Heinz Wolschendorf, sei dagegen hoch qualifiziert für den Katastrophenschutz gewesen; er habe von sich aus auf seinen damaligen Urlaub verzichtet. Konder sagte, er habe sich auch mit ADD-Präsident Thomas Linnertz über den Urlaub der damaligen Vizepräsidentin besprochen. In der ADD wurde Konder zufolge über den Umgang mit genehmigten Urlauben diskutiert. Es sei schnell klar geworden, dass die Lage sich nicht nur mit eigenem Personal stemmen lasse. Bei anderen Behörden sei um Unterstützung gebeten worden. Nachdem es gelungen sei, die Stäbe personell zu besetzen, sei auf eine Urlaubssperre verzichtet worden.

Für die Fragen zu dem Disziplinarverfahren gegen Hermann wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Es war die erste vertrauliche Vernehmung eines Zeugen in dem Gremium. Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelt auch wegen des Anfangsverdachts einer uneidlichen Falschaussage im U-Ausschuss gegen Hermann.

Katastrophe zeichnete sich früh ab

Außerdem wurden am Freitag im Ausschuss noch einmal mehrere Experten dazu befragt, inwieweit die Flut absehbar gewesen sei. Christoph Mudersbach, Sachverständiger von der Hochschule Bochum, erklärte, dass bereits am Nachmittag des 14. Juli 2021 erkennbar gewesen sei, dass im Ahrtal große Flächen überflutet werden würden. Anhand der Hochwasserwarnkarten sei klar gewesen, dass höchstwahrscheinlich ein schlimmeres Hochwasser eintreten würde als im Durchschnitt alle 100 Jahre - und dies bis zur Mündung der Ahr bei Sinzig. "Am 14.7. war am Pegel Müsch zwischen 15 und 17 Uhr die Katastrophe im Fluss schon da", sagte der Experte im U-Ausschuss des Mainzer Landtags.

Ein Landrat oder Feuerwehrmann könne diese Hochwasserwarnkarten allerdings nicht nutzen, sagte Mudersbach. Dazu seien zusätzlich wasserwirtschaftliche Fachinformationen notwendig, etwa über den Ablauf des Wassers. Die Karten enthielten Informationen für die Vorsorge - im Ernstfall seien sie aber nicht mehr hilfreich.

Experte Brauner: Karten für Evakuierungen nur bedingt tauglich

Der Risiko-Manager Christian Brauner aus Freiburg sagte im Ausschuss: "Selbst der Laie kann mit einem Blick auf die Karte erkennen, ob ein Gebäude im Wasser steht oder ganze Flächen." Die gedruckten Karten seien aber "nur bedingt tauglich, um Evakuierungen zu planen". Wesentliche Informationen dafür hätten gefehlt.

Es sei aber zu erkennen gewesen, dass im Fall eines außergewöhnlichen Hochwassers Hunderte bis Tausende Menschen betroffen wären. "Ich hätte mir sehr viele Sorgen um die Camping-Plätze und deren Nutzer gemacht", sagte der Gutachter. Erkennbar sei auch gewesen, dass Verkehrswege überflutet würden, die Höhe der Überflutung allerdings nicht.

Staatssekretär Manz zum vierten Mal als Zeuge im Ausschuss

Zum Thema des Umgangs mit den Hochwasserkarten trat am Abend der für Wasserwirtschaft zuständige Staatssekretär Erwin Manz erneut als Zeuge auf.

Der Grünen-Politiker aus dem Umweltministerium wurde auf Antrag der AfD-Fraktion befragt. Es ging um die Frage, ob aus den Hochwasserwarnkarten zusammen mit den Pegelprognosen die verheerenden Auswirkungen des Hochwassers ablesbar waren.

AfD zweifelt an der Aussage von Manz

Manz hat der AfD zufolge in früheren Vernehmungen ausdrücklich erklärt, Hochwassergefahren- und -risikokarten könnten im Katastrophenfall nur bei entsprechender Ortskenntnis hilfreich sein. Diese Kenntnis habe ihm damals jedoch nicht vorgelegen. Daher habe er aus den Karten keine Rückschlüsse auf die Gefährdungslage ziehen können. An dieser Aussage habe er erhebliche Zweifel, so der Obmann der AfD im Ausschuss, Michael Frisch.

Manz wiederholte am Freitag, er sei davon ausgegangen, dass die Hochwassergefahrenkarten in die Einsatzpläne der Kommunen eingearbeitet worden waren und diese danach handelten. In seinem Ministerium sei am Abend darüber gesprochen worden, wer jetzt handeln müsse, sagte der Staatssekretär. "Die Fachleute haben darauf hingewiesen, dass das jetzt der Moment ist, wo die Einsatzkräfte vor Ort handeln müssen." Schon im vergangenen Oktober hatte Manz im Ausschuss von einem Umsetzungsproblem gesprochen. Es habe fast sechs Stunden gedauert, bis der Landkreis Ahrweiler den Katastrophenfall ausgerufen habe.

Abschlussbericht könnte am Jahresende vorliegen

Die Beweisaufnahme ist erst beendet, wenn die elf Mitglieder aus allen Landtagsfraktionen Beweisaufnahme dies formell beschließen. Im Anschluss wird ein Abschlussbericht verfasst. Der dürfte nach Einschätzung des Ausschuss-Vorsitzenden Martin Haller (SPD) erst "Richtung Jahresende" fertig sein.

Bisher umfangreichster U-Ausschuss der Landesgeschichte

Am 14./15. Juli 2021 war es zur schwersten Naturkatastrophe seit Bestehen des Bundeslandes gekommen. Der Untersuchungsausschuss zur Ahrtal-Flut hatte wenige Monate später seine Arbeit aufgenommen. Er entwickelte sich zum bisher umfangreichsten der Landesgeschichte.

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