- Die vorläufige Bilanz des Untersuchungsausschusses
- Opposition in RLP sieht Aufklärungsauftrag erfüllt
- Die "ahnungslose Landesregierung"
- Das Aus des obersten Katastrophenschützers
- Dreyer weist Rücktrittsforderung zurück
- Anklage gegen Ex-Landrat Pföhler?
- Staatsanwaltschaft Koblenz spricht von komplexem Verfahren
Die vorläufige Bilanz des Untersuchungsausschusses
Historisch "beispiellos" nennt Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke die Tatsache, dass die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe zu zwei Minister-Rücktritten führte. "Insofern muss man sagen hat dieser Ausschuss seine Arbeit - und die Konsequenzen, die daraus resultieren - voll erfüllt", sagte Lucke im SWR.
Seit Oktober 2021 vernahmen die Mitglieder des Ausschusses in 40 Sitzungen mehr als 220 Zeuginnen und Zeugen. Mehr als eine Million elektronische Dateien wurden gesichtet und ausgewertet. Der Auftrag: Klären, welche Versäumnisse es bei der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 gab und wer dafür verantwortlich ist. Durch die Flut kamen 135 Menschen in Rheinland-Pfalz ums Leben.
Opposition in RLP sieht Aufklärungsauftrag erfüllt
Dass der Untersuchungsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags wesentlich zur Aufklärung der Katastrophe beigetragen hat, erfüllt die Obleute der Opposition sichtlich mit Stolz. "Ich glaube, das ist der Untersuchungsausschuss, der in die Geschichte eingeht, als einer, der wahnsinnig sauber gearbeitet hat, der sich sehr im Detail mit der Rekonstruktion des Gesamtgeschehens beschäftigt hat", so Stephan Wefelscheid von den Freien Wählern.
Der Ausschuss habe in vielen Bereichen Licht ins Dunkel gebracht und politische Verantwortlichkeiten aufgezeigt, meint AfD-Obmann Michael Frisch: "Wir haben letzten Endes wesentlich dazu beigetragen, dass zwei Minister - wenn auch gezwungen und wenig freiwillig - ihren Hut nehmen mussten. Und das macht mich schon ein wenig stolz, dass wir als Parlamentarier hier unserer Pflicht gerecht geworden sind und für die Menschen ein Stück weit Genugtuung schaffen konnten."
"Das haben wir in einer objektiv, sachlichen Weise getan und haben es nicht zu parteipolitischen Spielchen genutzt", bilanziert Dirk Herber von der CDU. Das gelte auch für die rot-grün-gelbe Regierungskoalition, die sich jedoch nicht um Aufklärung bemüht habe.
Die "ahnungslose Landesregierung"
Die rheinland-pfälzische Landesregierung scheiterte letztendlich mit ihrer Verteidigungsstrategie auch an der Hartnäckigkeit des Ausschusses. Ministerpräsidentin Malu Dreyer sowie die damals für Katastrophenschutz und Hochwasserwarnungen zuständigen Minister Roger Lewentz (beide SPD) und Anne Spiegel (Grüne) sprachen stets von einer Naturkatastrophe, die für niemanden absehbar und nicht zu verhindern gewesen sei. Deshalb hat das Land laut Lewentz auch nie erwogen, am Flutabend oder in der Nacht die Einsatzleitung zu übernehmen.
Der oberste Katastrophenschützer muss gehen
Als im Herbst 2022 vom Ausschuss angeforderte Videos eines Polizeihubschraubers öffentlich wurden, fiel die Strategie des "Nichts-gewusst-haben-Wollens" in sich zusammen, insbesondere für den damaligen Innenminister. Die gelieferten Bilder und Videos widerlegten die Behauptung, am Flutabend und in der Nacht hätten er und sein Ministerium keine belastbaren Lage-Informationen über das Ausmaß der Flut gehabt. Am 12. Oktober 2022 trat Roger Lewentz als Innenminister von Rheinland-Pfalz zurück.
Anne Spiegel hatte da schon längst das Amt der Bundesfamilienministerin niedergelegt. Der ehemaligen rheinland-pfälzischen Umweltministerin wurden ihre Führungsschwäche während der Flut und ein vierwöchiger Familienurlaub kurz nach der Katastrophe zum Verhängnis.
U-Ausschuss zur Flutkatastrophe Wegen Ahrflut: CDU und AfD fordern Dreyer zum Rücktritt auf
Nach der zweiten Befragung von Malu Dreyer im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe fordern CDU und AfD persönliche Konsequenzen der Ministerpräsidentin. Ihre Vernehmung brachte wenig Neues.
Dreyer weist Rücktrittsforderung zurück
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin hält dagegen den Versuchen der Opposition Stand, sie zur Aufgabe ihres Amtes zu drängen. Diese wirft Malu Dreyer vor, sie habe sich in der Flutnacht nicht genug gekümmert, dass die Ministerien eng abgestimmt zusammenarbeiten.
Aber mehr als eine sehr sparsame Kommunikation in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 kann der Ausschuss Dreyer nicht belegen. Die Regierungschefin beruft sich weiterhin darauf, damals keine Kenntnis über das Ausmaß der Flut gehabt zu haben. Im SWR sagte Dreyer: "Ich werde nicht zurücktreten, und ich persönlich sehe auch gar keinen Anlass dafür."
Anklage gegen Ex-Landrat Pföhler?
Von Jürgen Pföhler war im Untersuchungsausschuss am 8. Juli 2022 nicht zu erfahren, was er in der Flutnacht getan oder auch nicht getan hat. Weil die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den früheren Landrat des Kreises Ahrweiler ermittelt - wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen - verweigerte der CDU-Politiker die Aussage im U-Ausschuss und machte von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Berichte anderer Zeugen belasten den ehemaligen Landrat: Demnach war Pföhler am Flutabend mehr oder weniger abgetaucht. In der Einsatzzentrale des Kreises wurde er nur kurz gesehen, etwa für einen kurzen Fototermin mit Innenminister Lewentz.
Staatsanwaltschaft Koblenz spricht von komplexem Verfahren
Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 20 Monate nach der Ahrflut noch nicht entschieden, ob sie Anklage erheben wird - gegen Pföhler oder den damaligen ehrenamtlichen Leiter des Krisenstabs im Kreis Ahrweiler, gegen den ebenfalls ermittelt wird. Dem SWR sagte Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler, das Verfahren sei extrem komplex, allein weil sich der Tatort auf 70 Kilometer erstrecke.
Die Behörde könne nur dann Anklage erheben, wenn sie einem Beschuldigten ein konkretes Fehlverhalten nachweisen könne, das eindeutig zum Tod eines oder mehrerer Menschen geführt habe. Ob dies gelänge, sei völlig offen, so Mannweiler. Pföhlers Anwalt zeigte sich im Gespräch mit dem SWR zuversichtlich, dass es nicht zur Anklage kommen werde. Es gebe nicht einmal einen konkreten Vorwurf.
Dossier: U-Ausschuss zur Flutkatastrophe
Während der Untersuchungsausschuss am 21. April möglicherweise zum letzten Mal für eine Beweisaufnahme zusammenkommt, ist eine juristische Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal weiterhin völlig offen.