Aufzuchtstation in Luxemburg

Wie Umweltschützer im Ourtal eine seltene Muschel retten

Stand
Autor/in
Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Die Flussperlmuschel ist fast ausgestorben. In einer Mühle am Grenzfluss Our in Luxemburg züchten Naturschützer aber die nächste Generation heran, um sie der Nachwelt zu erhalten - mit großem Aufwand.

Die Our muss einmal voller Flussperlmuscheln gewesen sein. Noch vor etwa 60 Jahren dürften Hunderttausende der Tiere im Grenzfluss zwischen Luxemburg, Belgien und Deutschland gelebt haben. "Wir reden hier von bis zu 100 Muscheln pro Quadratmeter", sagt der Biologe Frankie Thielen.

Das Wasser war damals glasklar, sagt der luxemburgische Umweltschützer: "Denn Muscheln sind wie kleine Kläranlagen." Sie filtern Schadstoffe aus dem Fluss und halten ihn sauber. Für das Ökosystem sind sie somit von großer Bedeutung. Es ist daher eine Ironie des Schickals, dass der Flussperlmuschel ausgerechnet die Umweltverschmutzung zum Verhängnis wurde. "Sie sind im Schlamm erstickt", sagt Thielen.

Frankie Thielen hat sich schon in seinem Studium der Biologie für das Leben in Flüssen und Seen interessiert. Heute widmet er sich der Rettung der Muscheln in der Our.
Frankie Thielen hat sich schon in seinem Studium der Biologie für das Leben in Flüssen und Seen interessiert. Heute widmet er sich der Rettung der Muscheln in der Our.

Flussperlmuschel ist fast in ganz Europa ausgestorben

Mittlerweile ist die Flussperlmuschel in der Our ausgestorben - so wie in den meisten Flüssen Europas. In den letzten 90 Jahren ist die weltweite Population um 90 Prozent zurückgegangen. In Deutschland und vielen anderen Ländern steht die Muschel auf der Liste der streng geschützten Arten.

Frankie Thielen kämpft für den Erhalt der Flussperlmuscheln an der Our. Er hat mit seinem Team eine Aufzuchtstation in der Kalborner Mühle eingerichtet.
Frankie Thielen kämpft für den Erhalt der Flussperlmuscheln an der Our. Er hat mit seinem Team eine Aufzuchtstation in der Kalborner Mühle eingerichtet.

Frankie Thielen und sein Team von der luxemburgischen Umweltorganisation "Natur & Ëmwelt" wollen aber dafür sorgen, dass sie nicht ganz verschwindet. Sie haben deswegen in der Kalborner Mühle an der Our - direkt an der deutschen Grenze - eine Aufzuchtstation für Flussperlmuscheln und die ebenfalls selten gewordenen Bachmuscheln eingerichtet.

Umweltschützer konnten letzte Muscheln aus der Our retten

Es war 2007 auch etwas Glück dabei, als die Naturschützer mit ihrer Arbeit begonnen haben. Denn es gelang ihnen damals gerade noch rechtzeitig, die letzten Überlebenden der Flussperlmuscheln an der Our zu retten. "Wir betrachten unsere Einrichtung deshalb als eine Art Arche", sagt Frankie Thielen.

Die geretteten Tiere leben jetzt seit gut zehn Jahren in einem Becken im Keller der Kalborner Mühle. Der kleine Raum steht voll mit grünen Behältern, die mit Wasser gefüllt sind. In manchen schwimmen Fische, in anderen liegen Muscheln.

In mehreren Becken im Keller der Kalborner Mühle ziehen Frankie Thielen und sein Team die Muscheln groß.
In mehreren Becken im Keller der Kalborner Mühle ziehen Frankie Thielen und sein Team die Muscheln groß.

Muscheln brauchen Bachforellen, um sich fortzupflanzen

Der Aufwand, den die Umweltschützer hier betreiben, ist gewaltig. Das hat mit der ungewöhnlichen Art zu tun, wie die Tiere sich fortpflanzen. Denn die Flussperlmuschel braucht Bachforellen, um sich zu vermehren. Sie kann sich zwar selbst befruchten und Larven produzieren. Im Wasser müssen sich die Jungtiere dann aber an die Kiemen von Forellen heften.

Auf den Fischen leben die Larven rund neun Monate lang und machen dabei eine Metamorphose durch. Sie wachsen, bilden eine Schale und fallen irgendwann als fertige Muscheln von den Forellen ab.

Um Muscheln zu züchten, müssen die Luxemburger Biologen auch mit Bachforellen arbeiten.
Um Muscheln zu züchten, müssen die Luxemburger Biologen auch mit Bachforellen arbeiten. Von denen gibt es in der Our zum Glück noch genug.

Umweltschützer wildern die Tiere im Dreiländereck aus

Diesen Lebenszyklus bilden Frankie Thielen und sein Team in der Aufzuchtstation in Kalborn nach. Sie fischen Muschellarven, etwa aus dem Perlenbach in der Eifel, und setzen sie in das Becken mit den Bachforellen. Die Jungtiere kleben sich dann an die Kiemen der Fische.

Die kleinen weißen Punkte in den Kiemen dieser Forelle sind Muschellarven, sogenannte Glochidien.
Die kleinen weißen Punkte in den Kiemen dieser Forelle sind Muschellarven, sogenannte Glochidien.

Wenn die Muscheln sich fertig entwickelt haben, fallen sie ab und landen zuerst in einem Sieb und später in einem anderen Becken, wo die Umweltschützer sie weiter großziehen. Nach Jahren in der Station werden die erwachsenen Tiere in verschiedenen Flüssen im Dreiländereck Luxemburg, Belgien und Deutschland ausgewildert.

Grund für das Aussterben ist Verschlammung der Flüsse

Die Muscheln aus der Our haben die Artenschützer aber noch nicht zurückgebracht. Denn Thielen und sein Team wollen nicht riskieren, sie zu verlieren. Die erwachsenen Tiere würden zwar höchstwahrscheinlich jahrzehntelang im Fluss überleben.

Ihre Larven allerdings würden das wohl nicht schaffen. Denn die Jungtiere sind nur wenige Millimeter groß und sehr empfindlich, sie würden vom Schlamm verschlungen. Der Fluss ist verunreinigt mit Sedimenten und Schadstoffen, sagt Thielen: "Ein bisschen Gülle hier, ein bisschen Erosion da." Und all das landet im Gewässer.

Wenn sie noch jung sind, sind die Flußperlmuscheln sehr empfindlich. In der Our könnten sie noch nicht überleben.
Wenn sie noch jung sind, sind die Flußperlmuscheln sehr empfindlich. In der Our könnten sie noch nicht überleben.

Organisation kämpft für eine saubere Our

Wer die Muscheln also langfristig retten will, muss dafür sorgen, dass der Fluss sauberer wird. Auch dafür setzt sich die luxemburgische Umweltorganisation "Natur & Ëmwelt" ein. Sie verhandelt mit Bürgermeistern, Bauern, Forstämtern und Firmen entlang der Our, um den Eintrag von Schadstoffen zu minimieren.

In der historischen Kalborner Mühle hat die Umweltorganisation "Natur & Emwelt" eine Aufzuchtstation für Muscheln eingerichtet. Gefördert wird das Projekt aus Europäischen und luxemburgischen Mitteln.
In der historischen Kalborner Mühle hat die Umweltorganisation "Natur & Ëmwelt" eine Aufzuchtstation für Muscheln eingerichtet. Gefördert wird das Projekt aus europäischen und luxemburgischen Mitteln.

Damit das Wasser irgendwann wieder so klar ist wie früher. "Unser Ziel ist, dass wir diese Art erhalten, damit unsere Kinder und unsere Enkel die Flussperlenmuschel kennenlernen." Doch bis dahin, sagt Biologe Frankie Thielen, sei es ein weiter Weg.

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