Die Our muss einmal voller Flussperlmuscheln gewesen sein. Noch vor etwa 60 Jahren dürften Hunderttausende der Tiere im Grenzfluss zwischen Luxemburg, Belgien und Deutschland gelebt haben. "Wir reden hier von bis zu 100 Muscheln pro Quadratmeter", sagt der Biologe Frankie Thielen.
Das Wasser war damals glasklar, sagt der luxemburgische Umweltschützer: "Denn Muscheln sind wie kleine Kläranlagen." Sie filtern Schadstoffe aus dem Fluss und halten ihn sauber. Für das Ökosystem sind sie somit von großer Bedeutung. Es ist daher eine Ironie des Schickals, dass der Flussperlmuschel ausgerechnet die Umweltverschmutzung zum Verhängnis wurde. "Sie sind im Schlamm erstickt", sagt Thielen.
Flussperlmuschel ist fast in ganz Europa ausgestorben
Mittlerweile ist die Flussperlmuschel in der Our ausgestorben - so wie in den meisten Flüssen Europas. In den letzten 90 Jahren ist die weltweite Population um 90 Prozent zurückgegangen. In Deutschland und vielen anderen Ländern steht die Muschel auf der Liste der streng geschützten Arten.
Frankie Thielen und sein Team von der luxemburgischen Umweltorganisation "Natur & Ëmwelt" wollen aber dafür sorgen, dass sie nicht ganz verschwindet. Sie haben deswegen in der Kalborner Mühle an der Our - direkt an der deutschen Grenze - eine Aufzuchtstation für Flussperlmuscheln und die ebenfalls selten gewordenen Bachmuscheln eingerichtet.
Umweltschützer konnten letzte Muscheln aus der Our retten
Es war 2007 auch etwas Glück dabei, als die Naturschützer mit ihrer Arbeit begonnen haben. Denn es gelang ihnen damals gerade noch rechtzeitig, die letzten Überlebenden der Flussperlmuscheln an der Our zu retten. "Wir betrachten unsere Einrichtung deshalb als eine Art Arche", sagt Frankie Thielen.
Die geretteten Tiere leben jetzt seit gut zehn Jahren in einem Becken im Keller der Kalborner Mühle. Der kleine Raum steht voll mit grünen Behältern, die mit Wasser gefüllt sind. In manchen schwimmen Fische, in anderen liegen Muscheln.
Muscheln brauchen Bachforellen, um sich fortzupflanzen
Der Aufwand, den die Umweltschützer hier betreiben, ist gewaltig. Das hat mit der ungewöhnlichen Art zu tun, wie die Tiere sich fortpflanzen. Denn die Flussperlmuschel braucht Bachforellen, um sich zu vermehren. Sie kann sich zwar selbst befruchten und Larven produzieren. Im Wasser müssen sich die Jungtiere dann aber an die Kiemen von Forellen heften.
Auf den Fischen leben die Larven rund neun Monate lang und machen dabei eine Metamorphose durch. Sie wachsen, bilden eine Schale und fallen irgendwann als fertige Muscheln von den Forellen ab.
Umweltschützer wildern die Tiere im Dreiländereck aus
Diesen Lebenszyklus bilden Frankie Thielen und sein Team in der Aufzuchtstation in Kalborn nach. Sie fischen Muschellarven, etwa aus dem Perlenbach in der Eifel, und setzen sie in das Becken mit den Bachforellen. Die Jungtiere kleben sich dann an die Kiemen der Fische.
Wenn die Muscheln sich fertig entwickelt haben, fallen sie ab und landen zuerst in einem Sieb und später in einem anderen Becken, wo die Umweltschützer sie weiter großziehen. Nach Jahren in der Station werden die erwachsenen Tiere in verschiedenen Flüssen im Dreiländereck Luxemburg, Belgien und Deutschland ausgewildert.
Grund für das Aussterben ist Verschlammung der Flüsse
Die Muscheln aus der Our haben die Artenschützer aber noch nicht zurückgebracht. Denn Thielen und sein Team wollen nicht riskieren, sie zu verlieren. Die erwachsenen Tiere würden zwar höchstwahrscheinlich jahrzehntelang im Fluss überleben.
Ihre Larven allerdings würden das wohl nicht schaffen. Denn die Jungtiere sind nur wenige Millimeter groß und sehr empfindlich, sie würden vom Schlamm verschlungen. Der Fluss ist verunreinigt mit Sedimenten und Schadstoffen, sagt Thielen: "Ein bisschen Gülle hier, ein bisschen Erosion da." Und all das landet im Gewässer.
Organisation kämpft für eine saubere Our
Wer die Muscheln also langfristig retten will, muss dafür sorgen, dass der Fluss sauberer wird. Auch dafür setzt sich die luxemburgische Umweltorganisation "Natur & Ëmwelt" ein. Sie verhandelt mit Bürgermeistern, Bauern, Forstämtern und Firmen entlang der Our, um den Eintrag von Schadstoffen zu minimieren.
Damit das Wasser irgendwann wieder so klar ist wie früher. "Unser Ziel ist, dass wir diese Art erhalten, damit unsere Kinder und unsere Enkel die Flussperlenmuschel kennenlernen." Doch bis dahin, sagt Biologe Frankie Thielen, sei es ein weiter Weg.