In Detzem, der höchsten Schleuse Deutschlands, holt mich ein besonderes Schiff ab. Die "Max Prüss" sieht auf den ersten Blick nach einem Passagierschiff aus. Doch der Kran vorne am Bug verrät, dass dieses Schiff eine spezielle Aufgabe hat.
Es ist ein Forschungsschiff, randvoll mit Technik und diese Woche auf internationaler Mission auf der Mosel. Vom französischen Pont-à-Mousson bis nach Perl in Deutschland geht die erste Etappe der Reise. Mit einer Gruppe französischer Forscher gestartet, übernehmen ab Perl die deutschen Kollegen deren Aufgabe.
Ein eingespieltes Team an Deck
Kaum an Bord geht es auch schon los, das Schiff fährt mithilfe von GPS-Koordinaten eine präzise Stelle der Mosel an. Hier am Rand des Flusses, taucht der Kran des Schiffes ein bis zwei Meter tief ins Wasser, holt Steine hervor und legt diese an Bord ab.
Auf dem Deck herrscht jetzt reges Treiben. Auf der einen Seite werden Muscheln von den Steinen abgepult, auf Verletzungen überprüft und gezählt. Auf der anderen Seite werden die Steine abgespült und gebürstet, um alle anderen Tierchen einzusammeln.
Wichtig sind die Lebewesen, die sich darauf befinden. Also Muscheln, Krebse, Insektenlarven und etliche weitere Kleinstlebewesen. Währenddessen bedient der Maschinist den Kran, um Nachschub aus der Mosel zu holen.
Artenreichtum und Schadstoffe auf dem Prüfstand
"Die Steine werden abgebürstet, um auch festsitzende Tiere abzulösen. Es gibt etliche Tiere, die kleben sich regelrecht mit ihren Köchern darauf oder Muscheln, die sich festsaugen. Der Rest dieser kiesigen Substrate wird durchgewaschen, wie beim Goldwaschen", erklärt Gewässerökologin Maria Dommermuth. Danach werden die Kleinstlebewesen in Alkohol konserviert und später im Labor unter dem Mikroskop bestimmt.
Je mehr Arten die Forscher finden, desto reicher die Biodiversität. Die Expedition prüft zusätzlich, wie viele Schadstoffe sich im Wasser befinden. Hier kommt die Dreikantmuschel ins Spiel, die die Forscher von den gesammelten Steinen entnehmen. "Die Dreikantmuscheln sind ideal für unsere Untersuchungen. Sie ernähren sich, indem sie sehr viel Wasser durch ihren Körper spülen. Beim Filtrieren reichern sie Schadstoffe aus dem Wasser in ihrem Körper an", sagt Gewässerökologe Guido Haas.
Im Labor des Schiffes müssen die gesammelten Muscheln erst hungern, damit sie ihre Därme entleeren. Danach kommen sie in ein Labor nach Mainz, um dort erst eingefroren und dann analysiert zu werden.
Chemikalien aus Landwirtschaft und Kläranlagen
Die meisten Schadstoffe, die die Lebewesen in der Mosel belasten, kommen laut Guido Haas aus den Zuflüssen aber auch aus den Kläranlagen. Die Untersuchungen zeigten, dass Kläranlagen eine gute Reinigungsleistung hätten, jedoch manche Schadstoffe könne man nicht herausfiltern. Wie zum Beispiel flüssiges Plastik, Mikroplastik, Medikamente oder Duftstoffe.
Die Proben sprechen für sich: Neben Muscheln fischen die Forscher auch regelmäßig Hygieneartikel wie benutzte Damenbinden aus der Mosel. Nicht nur die Kläranlagen seien ein Problem, auch die Landwirtschaft habe einen großen Einfluss - mit Pestiziden und synthetische Düngern, aber auch sogenannte PAK, die bei unvollständigen Verbrennungen von Holz, Kohl oder Öl entstehen.
Mosel in schlechterem Zustand als der Rhein
Grund für die Expedition der Forscher ist die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Diese schreibt vor, dass größere Gewässer regelmäßig auf Schadstoffe untersucht werden müssen. Gewässerökologe Guido Haas machte sich aber keine großen Hoffnungen auf gute Resultate.
Eine große Herausforderung für die Mosel ist die Schifffahrt. Für diese wirtschaftlich interessante Aktivität wurde der wilde Fluss in den 60 Jahren mit Staustufen gezähmt und begradigt. Seither ist die standortspezifische Flora und Fauna der Mosel quasi verschwunden.
Leider gebe es bei der Mosel auch wenig Hoffnung, dass sich der Fluss wieder erholt, sagt Gewässerökologe Guido Haas. Ganz im Gegenteil zum Rhein, dieser habe sich in den letzten Jahren in puncto Wasserqualität und Biodiversität enorm verbessert.
Die Ergebnisse der jetzigen Expedition auf der Mosel werden erst Mitte nächsten Jahres veröffentlicht. Dann wissen die Forscher, wie es um die Mosel wirklich steht.