Bitburg in der Eifel. Dass sich die Freien Wähler zum Bundesparteitag im äußersten Südwesten von Deutschland treffen, hat nach Auskunft des Landesgeschäftsführers der Freien Wähler einen Grund: Bitburg ist die Heimatstadt von Joachim Streit, dem rheinland-pfälzischen Spitzenkandidaten zur Europawahl.
Rasanter Mitgliederzuwachs der Freien Wähler in der Eifel
Dazu kommt vermutlich auch, dass sich die Eifel in den letzten beiden Jahren zu einer Hochburg der Freien Wähler entwickelt hat. Ende 2021 zählte der Kreisverband 38 Mitglieder. Kurz vor dem Bundesparteitag sind es mehr als 300. Selbst der Landesverband spricht von einer außergewöhnlichen Entwicklung, die nicht auf andere Kreise übertragbar sei.
Bei der Ursachenforschung fällt zuerst der Name Joachim Streit. Der langjährige Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm "ist ausschlaggebend als Person", ist der Landesgeschäftsführer Detlef Müller-Greis überzeugt.
"Joachim Streit ist in hohem Maße vernetzt und genießt ein großes Ansehen. Das und seine persönliche Ansprache an die Menschen in der Eifel hat das Mitglieder-Wachstum möglich gemacht", sagt Greis-Müller.
Für Jürgen Krämer, Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion, kommt noch die hohe Präsenz in den sozialen Medien dazu. Der Bitburger AFD-Politiker Otto Freiherr von Hiller Gaertringen hält Streit für einen der wendigsten, intelligentesten und geschicktesten Politiker, die es derzeit in Deutschland gäbe.
Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien
Neben der Person Joachim Streit scheint die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien den Freien Wählern in die Hände zu spielen. Spricht man mit politisch Interessierten oder Amtsträgern aus der Eifel, ist häufig eine große Enttäuschung herauszuhören: Die CDU unter Angela Merkel habe 16 Jahre in der Bundesregierung falsche Akzente gesetzt. Auch die Politik der aktuellen Bundesregierung komme bei vielen nicht gut weg. Wenn man die extremistischen Parteien links und rechts ausspare, blieben nur noch die Freien Wähler, sagen Menschen in der Eifel.
CDU sieht Freie Wähler in der Eifel als "One-Man-Show"
Von der CDU, dem einstigen politischen Platzhirsch in der Eifel, kommt erwartungsgemäß Kritik. "Die Freien Wähler können alles fordern und müssen sich - anders als die CDU - keine Gedanken um die Umsetzung machen", sagt Michael Ludwig, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Bitburg-Prüm. Die Freien Wähler in der Eifel seien im Gegensatz zur teamorientierten CDU eine "One-Man-Show", in der sich alles um Joachim Streit drehe.
SPD und Grüne kritisieren Programm der Freien Wähler
Nach Ansicht von Nico Steinbach, SPD-Landtagsabgeordneter aus der Eifel, sind die Freien Wähler noch eher "ein Personenzusammenschluss und müssten ihre Identität noch festlegen". Die Positionen seien oft sehr sprunghaft und bedienten vordergründig alle Wünsche aus der gesamten Gesellschaft.
Die Grünen im Eifelkreis bezeichnen die Programmatik der Freien Wähler als "unausgegoren und wenig belastbar". In Sachen Klima-und Umweltpolitik seien die Positionen der Partei geprägt von populistischen Forderungen und mangelnder Sachkenntnis, kommentiert die Geschäftsführerin des Kreisverbandes Bitburg-Prüm, Lydia Enders.
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun sieht die Freien Wähler allerdings bei den kommenden Wahlen im Aufwind. "Es spricht derzeit mehr dafür als dagegen, dass sich der Aufwärtstrend der letzten Jahre fortsetzen könnte", prognostiziert Jun.
Etablierte Parteien sehen Freie Wähler als Konkurrenz
Klar ist: Im Eifelkreis sind die Freien Wähler eine echte Konkurrenz geworden. In fast allen Verbandsgemeinden im Eifelkreis gibt es Verbände und Ortsgruppen. Und die etablierten Parteien verlieren zunehmend politische Ämter. Mit Janine Fischer aus Wolsfeld konnte sich zum Beispiel 2022 eine parteilose Kandidatin in der VG-Bitburger Land gegen Kandidaten von SPD und CDU durchsetzen. Unterstützt wurde sie unter anderem von den Freien Wählern.
Um ein ähnliches Szenario in der VG-Südeifel zu verhindern, hatten sich die Fraktionen der CDU, der SPD, der Grünen und zweier unabhängiger Wählergruppen bereits im Herbst auf eine gemeinsame Kandidatin als Nachfolgerin für VG-Bürgermeister Moritz Petry geeinigt. Die Wahl ist im Mai.
Für die sehr frühe Festlegung gab es taktische Gründe, räumte Günter Scheiding, Fraktionschef der SPD in der VG-Südeifel, damals im Interview mit SWR-Aktuell ein: "Wir wollten den Freien Wählern diesmal einen Schritt voraus sein."