Gegen Rechtsextremismus

Demos in der Region Trier: Warum immer mehr Menschen mitmachen

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Tausende Teilnehmende werden bei den Demonstrationen am Wochenende in der Region Trier gegen Rechtsextremismus erwartet. Ein Rechtspsychologe aus Mainz erklärt, warum so viele Menschen auf die Straße gehen.

Trier, Bitburg, Gerolstein, Idar-Oberstein, Wittlich, Bernkastel-Kues und Konz: Sieben Demos gegen Rechtsextremismus an einem Wochenende in der Region Trier.

Wie kommt es, dass viele Menschen auf die Straße gehen, die vorher nur selten oder noch nie bei einer Demonstration waren? Das hat SWR Aktuell den Mainzer Rechtspsychologe Rüdiger Imhoff gefragt.

Roland Imhoff
Roland Imhoff ist Professor für Sozial- und Rechtspsychologie am Psychologischen Institut der Gutenberg-Universität Mainz.

SWR Aktuell: Wie entstehen solche großen Demonstrationen, wie wir sie aktuell sehen? 

Roland Imhoff: Demonstrationen sind zuallererst Ausdruck der eigenen politischen Haltung. Menschen werden aktiv, wenn sie eine Ungerechtigkeit wahrnehmen, sich mit dem Thema identifizieren und glauben, dass ihr Protest etwas verändert. Häufig gibt es gewisse Eigendynamiken, die unter anderem über soziale Normen wirken.

Wären zu den ersten Protesten die üblichen 200 gekommen, wäre eine solche Dynamik vermutlich ausgeblieben.

Wenn bei den ersten Demonstrationen, wie der in Köln zum Beispiel, mehrere zehntausend Menschen auf die Straße gehen, dann setzt das ein starkes Signal und auch eine soziale Norm: Es ist eben nicht normal, einfach so hinzunehmen, dass Teile der Gesellschaft aus dem Land geworfen werden sollen.

Diese Norm, was in so einer Situation ein angemessenes Verhalten ist, führt zu einer größeren Wahrscheinlichkeit der Nachahmung, weil das ja etwas zu sein scheint, was ein adäquates Verhalten ist.

Mit Lichtern setzen die Menschen an der Porta Nigra in Trier zum Abschluss der Demo gegen noch ein Zeichen gegen Rechts wie bei vielen anderen Demos auch.
Zur ersten Demo gegen Rechts in Trier kamen knapp 500 Teilnehmer. Am kommenden Sonntag werden deutlich mehr erwartet.

Wären zu den ersten Protesten die üblichen 200 gekommen, wäre eine solche Dynamik vermutlich ausgeblieben. Natürlich ist es nicht so, dass Menschen nur willenlose Herdentiere sind, aber die Macht sozialer Normen ist nicht zu unterschätzen. 

SWR Aktuell: Die Demonstrationen richten sich unter anderem gegen die AfD. Warum erst jetzt, nach dem Bekanntwerden des Treffens von AfD-Mitgliedern und Rechtsextremisten?  

Imhoff: Mir erscheint es nicht zufällig, dass diese Entrüstung sich direkt an den Enthüllungen über die Remigrationspläne entzünden. Einerseits scheint es auf Basis von Umfragen erstmals möglich, dass die AfD auf Länderebene zumindest in die Nähe von Regierungsverantwortung kommt. Andererseits ist diese sehr konkrete Planung einer Ausweisung von Menschen etwas, das dem von vielen mittlerweile verinnerlichten Bild von Deutschland als einer bunten und diversen Gesellschaft widerspricht.

Demo Kasel
Im Ruwerort Kasel demonstrierten Mitte Januar Menschen gegen eine AfD-Veranstaltung im Ort.

Auch CDU und die Ampel-Parteien unterstützen Abschiebungen in zahlreichen Fällen. Aber bei der AfD ging es ja in den Augen vieler um eine Wiederherstellung eines eigentlich überwunden geglaubten Staatsbürgerverständnis, das vor allem von der Herkunft abhängig ist. Das entspricht nicht der Lebensrealität der meisten Menschen. Die haben Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auf der Arbeit, im Sportverein und als Nachbarn und damit eben als Teil ihrer Gemeinschaft kennengelernt. 

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SWR Aktuell: Viele Menschen wollen das nicht hinnehmen und demonstrieren. Wie verschieben sich denn ethische Werte, wenn keiner widerspricht? 

Imhoff: Ich denke, hier lohnt es sich zu unterscheiden: Was sind innerliche Überzeugungen und Werthaltungen und was wird offen geäußert - das muss nicht immer das Gleiche sein.

Natürlich ist es so, dass sich Werte verschieben und verändern und wir heutzutage zum Beispiel eine größere Akzeptanz für individuelle Lösungen der Lebensführung haben. Das betrifft die Wahl meiner Sexualpartner, das präferierte Familienmodell oder meine äußerliche Erscheinung. Solch ein Wandel ist vermutlich relativ langsam und nicht kurzfristigen Fluktuationen unterworfen.

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Was sich jedoch schneller und dynamischer verschiebt, ist die Wahrnehmung dessen, was in den Augen der meisten als "akzeptabel" und "normal" gilt, also die sozialen Normen. Hier können wenige laute Äußerungen in eine Richtung und ausbleibender offener Widerspruch dazu führen, dass der Eindruck entsteht, das sei die Meinung von vielen. Oder das sei zumindest sagbar und damit auch normal. 

In Krisen schauen Menschen immer nach Alternativen und da ist die AfD unter Umständen gerade eine attraktive Option.

SWR Aktuell: Mitglieder der AfD äußern Dinge, die vor Jahren unsagbar waren. Ist das auch ein Grund, warum die Partei so hohe Sympathiewerte hat? Hat die Stimmung im Land damit zu tun?  

Roland Imhoff: Wenn die Stimmung sehr gut ist und alle wunschlos glücklich sind, haben Oppositionsparteien es schwer.

In Krisen schauen Menschen immer nach Alternativen und da ist die AfD unter Umständen gerade eine attraktive Option. Für manche Menschen attraktiver als Parteien aus dem linken Spektrum, nicht nur, weil die Wahl der AfD stärkeren Protestcharakter hat.

Ein anderer Grund ist die gesellschaftliche Liberalisierung. Weite Teile der Bevölkerung freuen sich über größere Diversität und sexuelle Vielfalt in den Medien, der Kultur und Werbung großer Konzerne.

Für diejenigen, deren Werthaltung sich aber nicht geändert hat, die immer noch an einer rigiden Vorstellung von "echten" deutschen und heterosexuellen, traditionellen Kleinfamilien festhalten, für die bietet die traditionelle Parteienlandschaft nur noch wenige Optionen. Man kann sich also fragen, ob die Bevölkerung einen Rechtsruck macht oder ob ein Teil einfach dortgeblieben ist, wo er immer war. Während der Rest der Gesellschaft sich liberalisiert hat. 

 

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