Am Mittwoch gibt es einen bundesweiten Krankenhaus-Aktionstag. In Rheinland-Pfalz versammeln sich dafür vor allem in Mainz Vertreter von unterschiedlichen Krankenhäusern. Sie wollen auf die Risiken der geplanten Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach aufmerksam machen.
Der Leiter des Krankenhauses Maria Hilf in Daun, Oliver Zimmer, erklärt, warum er und Teile seiner Belegschaft ebenfalls beim Aktionstag in Mainz sind und welche Risiken die neue Reform konkret für das Krankenhaus in Daun mit sich bringt.
SWR Aktuell: Herr Zimmer, was fordern die Krankenhäuser konkret am 20. September von der Politik?
Oliver Zimmer: Uns geht es um zwei Anliegen: die geplante Krankenhausreform und eine akute Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Viele Kliniken haben Insolvenzsorgen, was wirklich dramatisch ist. 60 bis 80 Kliniken in Deutschland sind schon im Insolvenzverfahren.
SWR Aktuell: Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe für die Insolvenzsorgen vieler Krankenhäuser?
Oliver Zimmer: Durch Tarifsteigerungen und Inflation sind die Kosten so sehr gestiegen, dass die Finanzierung einfach nicht mehr reicht. Im nächsten Jahr stehen Tarifsteigerungen fest von ungefähr 12 Prozent bei allen Berufsgruppen. Das ist die höchste Tarifsteigerung, die es seit langem gab und für die Mitarbeiter ist die auch dringend nötig, verstehen sie mich da nicht falsch. Aber als Krankenhaus haben wir keine Möglichkeit, diese Mehrausgaben auszugleichen.
Wir bekommen nur Zuschüsse vom Bund für Baumaßnahmen. Der Rest muss das Krankenhaus selbst decken. Der Bund muss sich dringend dieser Refinanzierungsfrage stellen. Sonst werden wir und viele andere Häuser extreme Liquiditätsprobleme bekommen und die Insolvenzverfahren drastisch steigen.
Angespannte Lage in Rheinland-Pfalz Etwa 1.000 Menschen bei Klinik-Protest in Mainz
Bundesweit haben am Mittwoch Krankenhäuser auf ihre finanziell schwierige Lage aufmerksam gemacht. In Rheinland-Pfalz fand die zentrale Demo in Mainz statt.
SWR Aktuell: Das andere Thema, welches Sie besorgt, ist die Krankenhausreform von Karl Lauterbach. Was werden diese Pläne für das Krankenhaus in Daun bedeuten?
Oliver Zimmer: Die Reform wird unsere Struktur in der Fläche enorm verändern. Denn die Bundesreform will, dass in kleinen Kliniken wie in Daun nur noch Grund- und Regelversorgung gemacht werden und die Spezialisierungen in großen Unikliniken angesiedelt sind.
Das Dauner Krankenhaus macht aktuell auch spezialisierte Versorgung wie Kardiologie, Gefäßmedizin und Orthopädie. Besonders bei Unfällen merken wir, wie wichtig diese Bereiche für uns sind. Gemäß der Reform würden diese Bereiche dann aber wegfallen. Bei einem Notfall müssten die Menschen dann weiter fahren, bis sie versorgt werden können. Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kann das fatal sein, denn hier zählt jede Minute. Sie müssten dann nach Koblenz, Trier oder Bonn fahren.
SWR Aktuell: Einige Gesundheitsökonomen sprechen sich aktuell für die Zentralisierung von Spezialgebieten in der Medizin aus, auch um Fachkräfte einzusparen. Wie sehen Sie das?
Oliver Zimmer: Aus anderen Konstellationen, wo Kliniken geschlossen wurden, wissen wir, dass Mitarbeiter nicht immer mitziehen mit ihrer Spezialisierung. Viele fallen aus dem Gesundheitswesen raus. Eigentlich müssen wir die Krankenhäuser da haben, wo die Menschen sind, die auch dort arbeiten wollen. Gerade in strukturschwachen Gegenden sind Kliniken auch wichtige Arbeitgeber.
Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass die Pflegesituation in Ballungszentren angespannter ist als in Daun. Die Pflegekräfte in der ländlichen Region sind gebundener an ihre Standorte. Die Überschaubarkeit von kleinen Kliniken ist für gewisse Menschen sehr attraktiv, vor allem auf dem Land. Es gibt auch eine engere Bindung, weil es einen persönlicheren Umgang gibt. Und wir stellen oft fest, dass junge Pflegekräfte nach ihrer Ausbildung bei uns eine Zeit lang weggehen, aber auch zurückkommen.
Gespräch Vier Sterne Plus – David-Ruben Thies und das Krankenhaus der Zukunft
Ein Krankenhaus mit 4 oder 5 Hotelsternen - selbst für AOK Patienten. David-Ruben Thies ist Geschäftsführer der Waldkliniken Eisenberg in Thüringen und beweist: Das geht.
SWR Aktuell: Was denken Sie, wie die Zukunft für unsere Krankenhäuser aussehen wird?
Oliver Zimmer: Wenn es so kommt, wie es geplant ist, werden eine Menge Krankenhäuser als Leistungsanbieter ausscheiden. Die Leistungen werden in größeren Kliniken zentralisiert und dann werden diese Kliniken, die heute schon zu viele Patienten haben, nicht in der Lage sein, die Versorgung sicher zustellen.
Dann kommt noch die sich wandelnde Demografie unserer älter werdenden Bevölkerung hinzu und das Ergebnis für die Versorgungssituation wird dramatisch sein. Diese Institutionen alleine werden die Mengen und Wellen an Patienten nicht bewältigen können, von einer Pandemie mal ganz abgesehen.
Krankenhäuser und Kreißsäle in Not "Alarmstufe Rot!": Schwanger und keine Hebamme?
Geburtshilfe gilt finanziell als nicht so attraktiv für Kliniken. Hebammen fürchten, dass noch mehr Stationen schließen. Sie beteiligten sich deshalb an Protesten in Mainz.
SWR Aktuell: Was macht das mit Ihnen, wenn sie sich so ein Szenario ausmalen?
Oliver Zimmer: Viele Krankenhäuser wie das Maria Hilf in Daun sind Unternehmen, die mehr als hundert Jahre lang gewachsen sind und jetzt sollen die einfach wegfallen? Das macht mir Sorgen und es macht auch unseren Mitarbeiter Sorgen. Ich würde mir wünschen, dass das Land weiterhin zuständig ist und eingreifen kann. Das Bundesgesetz, was aktuell in Berlin gemacht wird, berücksichtigt keine individuellen Situationen.
Aber wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Am Mittwoch werden wir mit 60 bis 70 Leuten in Mainz sein, aber die Versorgung der Patienten wird trotzdem laufen. Denn wir sind die letzte Linie, wenn der Arzt zu ist, dann kommen die Menschen zu uns ins Krankenhaus, dichtmachen, das können wir nicht.
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