Eine Wiese vor der Justizvollzugsschule Rheinland-Pfalz auf dem Gelände der JVA Wittlich: Gefangene in roten Trainingsanzügen proben den Aufstand, dreschen mit schweren Gegenständen auf die Beamten ein. Die Justizvollzugsbeamten stecken in dicken Schutzausrüstungen und wehren die Angreifer mit ihren Schilden ab. Dahinter steht bereits das sogenannte Zugriffs-Team, um die Angreifer festzunehmen.
Mittendrin ist Matthias Lang, Justizvollzugsbeamter im letzten Ausbildungsjahr. Der Angriff ist nur eine Übung, die Steine sind Medizinbälle, die Gefangenen Kollegen. Im Abschlusslehrgang erfahren er und seine Kollegen, wie man so eine gefährliche Situation schnell in den Griff bekommt.
Im Idealfall soll es gar nicht so weit kommen. Darauf vorbereitet werden die Auszubildenden trotzdem. Mindestens einhundert Stunden umfasst das Deeskalationstraining während der der 18-monatigen Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten. "Man hat keine Zeit um zu überlegen, was jetzt das Richtige ist. Das muss automatisch abgespult werden", erzählt Matthias Lang nach dem Training.
Beleidigungen gehören zum Alltag für Vollzugsbeamte
Seine Ausbildung macht er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Diez. Matthias Lang erzählt, dass Beleidigungen und Anfeindungen zum Alltag dazu gehörten. Ein Justizvollzugsbeamter würde bei einigen Insassen schon länger keinen Respekt mehr haben, er sei vielmehr Symbol eines verhassten Systems.
Das bestätigt auch der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). Gefährliche Situationen seien aber im Gefängnisalltag eine Ausnahme. Angriffe auf Beamte, die mit Körperverletzungen endeten, gab es in Gefängnissen im Land bislang 13 Mal in diesem Jahr. Ein durchschnittlicher Wert im Vergleich zu den Vorjahren.
"Klientel in Gefängnissen hat sich verändert"
Trotzdem werde der Alltag für die Beamten immer schwieriger. Umso wichtiger sei das Deeskalationstraining als Bestandteil der Ausbildung, erklärt der Justizminister: "Die Klientel hat sich verändert, die ist wegen Drogenabhängigkeit manchmal aggressiver. Deswegen ist es besonders wichtig, diese Situationen schon sehr früh zu erkennen und gar nicht eskalieren zu lassen."
Kommunikation wichtig für Deeskalation
Für das nächste Szenario rebelliert ein Insasse in seiner Zelle. Für das Training gibt es in der Justizvollzugsschule eine nachgebaute Zelle. Die Situation: Der Häftling hat kein Geld für den Wocheneinkauf. Er ist deswegen frustriert und aggressiv gegenüber den Beamten.
Ausbilder John Klein betritt mit einem Schüler die Zelle. Er spricht mit dem rebellierenden Insassen, signalisiert Verständnis, erklärt ruhig die Situation. Kommunikation sei die erste und wichtigste Waffe, um eine gefährliche Situation hinter Gittern im Keim zu ersticken, erläutert Trainer John Klein. "Wir brauchen einen Ansatzpunkt, um ihm entgegenzutreten, dass er sich verstanden fühlt, dass er das Gefühl hat, man möchte auf ihn eingehen. Das ist wichtig."
Gefährliche Situationen schnell unter Kontrolle bringen
Wenn allerdings nichts wirkt oder der Gefangene angreift, "ist es das allerwichtigste, das Ganze schnell unter Kontrolle zu bringen", erklärt der Trainer. Denn nur wer gelernt hat, souverän zu handeln, lässt "keine Lücke für Zufall und Ablenkung". Die beiden größten Gegner im Alltag von Justizvollzugsbeamten, sagt Ausbilder Klein.