"Wo sind diese Betrüger? Wo ist dieses Pack? Zeigt euch, ihr feiges Gesindel!" Fürst Siegesmund zu Hohenzinken ist alles andere als erfreut. Hatte er doch gehofft, dass der geheimnisvolle Medicus aus dem Orient seine Frau, die Fürstin, von einem Makel befreien könnte.
Geklappt hat das nicht, anderen Patienten sind Zähne oder Zehen abgefallen. Sind dieser Medicus und seine Assistentin Josephine also überhaupt echte Heiler? Und was hat es mit diesem Leopold auf sich, der überall auftaucht?
Schauspieler als Einheit auf der Bühne
Diese Fragen werden ab Samstagabend in der Ruine der Löwenburg in Gerolstein geklärt. Dann nämlich feiern die Burgschauspieler Gerolstein die Premiere ihres diesjährigen Stücks "Der Medicus vom Orient". Zuvor wirbeln sie noch einmal bei einer letzten Probe über die Bühne, schlagen raue und leise Töne an oder wickeln einander gekonnt um den Finger.
So auf der Bühne zu flirten, zu schwindeln oder auch emotional zu werden, ist manchmal eine Herausforderung für Carina Kadler, die zum fünften Mal dabei ist und die Hauptrolle der Josephine spielt: "In der Rolle ist man nicht in seinem eigentlichen Naturell. Man muss sich da schon reinfinden. Gerade bei einer Heulszene ist es eine Herausforderung, dass es authentisch rüberkommt."
Warum das heute auf der Bühne alle Laiendarsteller so virtuos hinbekommen, hat einen einfachen Grund, sagt Gerd Knieps, der die Hauptrolle des Medicus hat: "Es klingt anmaßend, dass wir gut sind. Aber wir sind es, weil bei uns alle – von der kleinsten Rolle bis zur Hauptrolle – gemeinsam eine Einheit bilden."
Seit 40 Jahren Spielfreude - auch international
Die Burgschauspieler gibt es seit Ende der 1980er Jahre. Von der heutigen Truppe am längsten dabei ist Yvonne Bungartz, nämlich seit über 30 Jahren. Wenn jemand aufhöre, dann aus Altersgründen oder weil die Leute wegziehen: "Aber es passiert selten, dass keine Lust mehr da ist", sagt sie. "Dadurch, dass wir nur alle zwei Jahre auftreten, haben wir immer ein bisschen Pause voneinander. Und dann freuen wir uns, wenn wir uns wiedersehen."
Seit Herbst wird das Stück geprobt. Die Darsteller, wenn sie nicht schon seit Jahren dabei sind, wurden entweder rekrutiert oder haben sich auf eine Anzeige im Gemeindeblättchen beworben. Und dadurch sind die Burgschauspieler Gerolstein dieses Jahr auch international.
Valentin Frolov aus der Ukraine und Ayman Kalai aus Tunesien haben sich auf die Anzeige gemeldet und spielen jetzt die Wachen des Fürsten. Frolov war direkt klar, dass er mitmachen möchte: "Seit der Schulzeit habe ich in meiner Heimat, der Ukraine, in einer Theatergruppe gespielt. Jetzt macht es mir Spaß, dass ich das hier mit den anderen Leuten machen kann."
Auch Ayman Kalai hat in Tunesien schon Theater gespielt: "Ich schauspielere gerne. In dieser Gruppe habe ich wieder Gelegenheit dazu. Das ist meine erste Erfahrung als Amateurschauspieler in Deutschland und das ist sehr interessant für mich." Auch in den nächsten Jahren wollen beide natürlich wieder mitmachen.
Das kann Hauptdarsteller Knieps, der zum dritten Mal dabei ist, gut verstehen: "Über die vielen, vielen Jahre sind viele Leute dazu gekommen", sagt er. "Wenn man mal hier in dieser Truppe dabei ist, bekommt man den Spirit und Spaß mit und dann bleibt man so lange dabei, wie es geht."
Schauspieler auch hinter der Bühne mit an
Die Schauspieler packen auch hinter der Bühne mit an, hinzu kommt ein Team, das sich um Fanfaren und andere Geräusche, den Bühnenbau oder die Requisiten kümmert. Die Manderscheider Burgen haben ein echtes Henkersbeil beigesteuert. "Das sieht richtig martialisch aus", sagt Scharfrichter-Darsteller Jürgen Hey.
Yvonne Bungartz, der alte Hase, was die Burgschauspieler betrifft, ist auch für die Maske zuständig. "Du musst mich zur schönen Frau schminken", sagt Gerald Kraheck, der als Lockvogel des schwindelnden Medicus einige Kostümwechsel hat - und sich dafür seinen geliebten Bart abrasieren musste.
Bungartz wurde aber auch zur kleinen Rolle der Wirtin überredet: "Ich habe drei unqualifizierte Sätze. Aber die anderen meinten, dass ich mit auf die Bühne sollte und mich nicht nur im Hintergrund rumtreibe."
Bei dieser letzten Probe hat sie ein Auge darauf, dass alles richtig läuft: "Da kam der Einsatz zu spät. Das fällt bestimmt keinem auf. Aber das müssen wir noch mal proben, sonst schleicht es sich falsch ein."
Publikum aus halb Deutschland
Über die vielen Jahre, die sie dabei ist, sagt Bungartz, hätten die Darsteller gewechselt. Aber der Spaß, der Zusammenhalt und der Wille, etwas Gutes auf die Bühne zu bringen, seien gleich geblieben.
Und das komme beim Publikum an: "Total super. Viele kommen, weil sie uns kennen und uns spielen sehen wollen." Aber es kämen auch immer wieder Menschen von weiter her zu den Aufführungen", sagt sie. "Weil sie in der Eifel Urlaub machen oder sich für das Stück interessieren." Leute aus Düsseldorf seien auch schon mal im Publikum gewesen.
Die Zuschauer wüssten, worauf sie sich bei dem Freilichttheater einlassen, sagt Hauptdarstellerin Kadler: "Wir können vieles beeinflussen, das Wetter aber nicht", sagt sie. Wir sagen dann, dass die Zuschauer sich einen Sonnenhut oder ein Regencape mitbringen sollen. Wenn es ein bisschen nieselt, spielen wir weiter."
Erst einmal habe man abbrechen müssen, weil es in Strömen regnete. Aber, sagt Darsteller Kraheck: "Die Gäste sind sitzen geblieben. Die wollten nicht gehen. Wir konnten nur nicht mehr spielen, weil wir auf der Bühne ausgerutscht wären."
Spontaneität und Disziplin auf der Freilichtbühne
Das Wetter hat auch bei den Proben manchmal für neue Pläne gesorgt, erzählt Kadler: "Wir haben schon freitagnachmittags hier gestanden und es hat geregnet. Dann haben wir in einem Zelt aneinander gekuschelt, eine Leseprobe gemacht – das war auch eine schöne Erfahrung."
Freilichttheater erfordere immer Spontaneität - und Disziplin: Seit Herbst wurde einmal pro Woche geprobt. Ab Ostern wurde es dann intensiver mit zwei bis drei Proben pro Woche. Nicht immer einfach, weil manche der Schauspieler auch abends oder am Wochenende arbeiten müssen.
Belohnt werden sie am Ende mit dem Spaß am Schauspiel, dem Zuspruch des Publikums. Und dem Burggraben. Dort wird nämlich nach der Aufführung mit den Gästen und Schauspielern etwas getrunken und gegessen, um den Tag Revue passieren zu lassen, sagt die Darstellerin der Fürstin, Diana Stump: "Die Anspannung fällt dann und wenn es gut war, darf man sich danach auch feiern."