Es sind noch zwei Tage bis zur Stadtratssitzung in Bitburg. Und normalerweise würde CDU-Fraktionschef Andreas Gerten jetzt an seiner Haushaltsrede feilen. Doch in diesem Jahr hat der Diplomkaufmann einen anderen Text verfasst: einen Brandbrief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Gemeinsam mit den anderen Fraktionssprechern hat sich Gerten entschieden, dieses Jahr keine Haushaltsrede zu halten. Stattdessen haben die Parteien im Stadtrat, mit Ausnahme der SPD, scharfe Worte nach Mainz gerichtet. Und die haben es in sich.
In dem Brief, der dem SWR vorliegt, heißt es: Die politische Arbeit vor Ort werde durch die Landespolitik "ad absurdum" geführt. Der Stadtrat fühle sich von Mainz "allein gelassen". Und weiter: "Das im Grundgesetz festgeschriebene Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft selbstverantwortlich zur regeln, wird untergraben."
Ausgaben für Kitas, Schulen und Brandschutz fressen Haushalt auf
Es geht den Fraktionen um die schlechte finanzielle Lage der Stadt, die auch Bürgermeister Joachim Kandels (CDU) Sorgen macht. 67 Millionen Euro muss die Gemeinde bis 2026 investieren - in Kitas, Schulen und eine neue Feuerwache - und sich dabei massiv verschulden.
All das seien wichtige Projekte, sagt Kandels, aber eben auch Pflichtaufgaben einer Kommune, für die das Land zu wenig Fördergeld bereitstelle - auch angesichts massiv gestiegener Baukosten. Für die freiwilligen Projekte bleibe da nur noch wenig Geld in der Stadtkasse übrig, sagt Kandels: "Und das ist eben eine schwierige Situation, wenn man nur noch darauf beschränkt ist, was das Gesetz fordert. Dann macht es auch nicht mehr viel Spaß, etwas gestalten zu wollen in der Stadt.“
Kein Geld mehr für Schwimmbad, Eishalle und Folklore-Festival
Für Kandels ist es eine Zwickmühle. Einerseits will er die Bürger nicht mit noch höheren Steuern und Gebühren belasten. Andererseits weiß der Bürgermeister nicht, wie seine Gemeinde langfristig ein teures Schwimmbad oder eine Eishalle finanzieren soll: "Wenn sich dafür keine Mittel mehr finden, müssen wir sie irgendwann schließen."
Beim Folklore-Festival, einem der größten Feste in der Region, plant die Stadt bereits Abstriche zu machen. "Wir müssen den Rotstift ansetzen", sagt Kandels: "Das heißt: Weniger Gruppen und keine Veranstaltung mehr in der Stadthalle." Es sind schmerzhafte Entscheidungen. Schließlich machten solche kulturellen Angebote Bitburg aus.
SPD-Fraktion unterschreibt Brandbrief nicht
Genauso sieht es auch der Stadtrat - nahezu parteiübergreifend. „Wir sind es alle satt", sagt Patric Nora von der FDP: "Wir machen das alle hier ehrenamtlich. Und im Endeffekt müssen wir nur gucken, dass wir über die Runden kommen und das Programm abspulen, das die Landesregierung uns auferlegt.“
David Ewald von den Grünen stimmt zu: "Langfristig muss ich mich fragen: Was kann ich durch politische Arbeit noch bewirken? Kann ich nur noch den Pflichtaufgaben zustimmen?" Und auch Manfred Böttel von der Freien Bürgerliste schließt sich an: "So wenig Spielraum, wie wir jetzt haben, hatten wir noch nie. Jetzt stehen wir komplett mit dem Rücken zur Wand.“
Nur eine Fraktionssprecherin wollte nicht unterschreiben: Irene Weber von der SPD. Sie teilt zwar den Befund der Kollegen, dass die Kommune mehr Fördergeld aus Mainz braucht: "Wir haben Respekt vor den anstehenden Investitionen – allerdings keine Sorge vor einer nicht schulterbaren Überlastung."
Innenministerium hat reagiert
Auch das Innenministerium sieht die kommunale Selbstverwaltung nicht gefährdet und auch keinen Grund für eine Erhöhung der Fördermittel: "Eine allgemeine Anpassung der Fördersätze an gestiegene Kosten hat entweder zur Folge, dass die Anzahl der geförderten Maßnahmen gesenkt werden müsste oder die Ansätze im Haushaltsplan des Landes durch einen Nachtragshaushaltsplan erhöht werden müssten." Dies sei nicht geplant.
CDU Fraktionschef Andreas Gerten, der den Brandbrief verfasst hat, gibt die Hoffnung dennoch nicht auf: "Wenn das jetzt wieder im Sande verläuft, wissen wir aber auch ungefähr wie der Stellenwert der Kommunen in Mainz gesehen wird.“