Landtag beschließt neues Finanzierungskonzept

Kommunen in RLP bekommen mehr Geld - Bürgern drohen höhere Abgaben

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Autor/in
Gernot Ludwig

Der Landtag in Rheinland-Pfalz hat ein neues Modell zur Finanzierung der Städte, Kreise und Gemeinden verabschiedet. Es verlangt von Städten und Gemeinden selbst mehr Geld aufzutreiben. Für Bürger könnte das Steuererhöhungen bedeuten.

Auslöser für die Änderung ist ein Urteil des höchsten Gerichts im Land. Die Finanzierung der Kommunen lief bis jetzt so: Das Land nimmt einen bestimmten Prozentsatz seiner eigenen Steuereinnahmen und gibt ihn an die Kommunen weiter.

Damit orientierte sich das jetzige Modell an den Einnahmen des Landes, es orientierte sich aber nicht daran, wie viel Geld die Städte, Kreise und Gemeinden tatsächlich brauchen, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Nun wird dieses Modell nach mehr als 70 Jahren geändert.

Weshalb wurde ein neues Finanzierungsmodell für Kommunen in RLP nötig?

Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshof aus dem Jahr 2020 ist dieses Finanzierungsmodell verfassungswidrig. Die Richter verlangen, dass sich das Land künftig genau anschaut, was die Kommunen für Aufgaben haben und wie viel Geld sie brauchen, um diese zu erfüllen.

Die Richter haben damals entschieden, dass das neue Finanzierungsmodell zum 1. Januar 2023 in Kraft treten muss. Damit dies rechtzeitig gelingt, musste der Landtag das entsprechende Gesetz nun verabschieden. Die Oppositionsparteien von CDU, Freien Wählern und AfD stimmten gegen das Gesetz. Sie kritisierten unter anderem, dass die Kommunen auch nach dem neuen Finanzierungsmodell immer noch zu wenig Geld bekämen. CDU und AfD kritisierten zudem, dass infolge des neuen Modells Kommunen ihren Bürgern höhere Steuern als bisher abverlangen müssen

Wie viel Geld erwartet Städte, Kreise und Gemeinden in RLP?

Die Kommunen in Rheinland-Pfalz bekommen nach Angaben des Finanzministeriums im kommenden Jahr rund 3,8 Milliarden Euro. Das sind rund 360 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr.

Können die Kommunen in RLP diese zusätzlichen Millionen frei investieren?

Vermutlich nein. Denn beim Finanzierungsmodell geht es darum, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie die laufenden Aufgaben erfüllen können.

Ein anderes Problem ist es, wenn die Kommunen über Jahre hinweg zu wenig investiert haben, zum Beispiel in Straßen und Brücken. Die Lücke, die dann bleibt, ist oft so groß, dass sie mit dem Geld aus dem laufenden Haushalt nicht gefüllt werden kann.

Diese Ansicht vertritt der Gemeinde- und Städtebund. Der Verband sagt, das neue Finanzierungsmodell lasse außer Acht, dass die Kommunen seit zwei Jahrzehnten einen immer größeren Investitionsstau vor sich herschieben. Im neuen Finanzierungsmodell fehle auch in Zukunft dringend erforderliches Geld für Schulen, Schwimmbäder und Kindergärten. Der Landesrechnungshof argumentiert ähnlich.

Was bedeutet das für die Bürger in rheinland-pfälzischen Kommunen?

Für viele Rheinland-Pfälzer dürfte das Wohnen weiter teurer werden. Denn im Rahmen des neuen Finanzierungsmodells werden Kommunen gezwungen, stärker als bisher ihre eigenen Einnahmen zu erhöhen. Das bedeutet im Klartext, dass die Kommunen unter anderem von Mietern und Hausbesitzern mehr Grundsteuer verlangen müssen.

Das Ganze ist bereits spürbar, weil die Kommunen schon jetzt dabei sind, ihre Steuern zu erhöhen. Nach Angaben des statistischen Landesamts, erhöht sich der durchschnittliche Hebesatz der Kommunen für die Grundsteuer in diesem Jahr um 16 Prozentpunkte - die bislang höchste Steigerung. Dabei ist dieser aktuelle Rekordanstieg nur ein Durchschnittswert. Allein in der Stadt Mayen ist die Grundsteuer um 110 Prozentpunkte gestiegen, in Ludwigshafen um 105 und in Frankenthal um 90 Prozentpunkte.

Hinzu kommt, dass vermutlich auch Gebühren in den Kommunen deutlich steigen werden. Der Städtetag Rheinland-Pfalz geht davon aus, dass zum Beispiel das Anwohnerparken in rheinland-pfälzischen Städten wegen der desolaten Finanzlage vieler Städte flächendeckend teurer wird.

Was sagen die Städte, Kreise und Gemeinden in RLP zu den Plänen?

Die 360 Millionen Euro zusätzlich klingen erst Mal gut. Vom "Bündnis für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz", dem neben den Kommunalverbänden auch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände angehören, gibt es den Vorwurf, dass das meiste zusätzliche Geld nicht vom Land selbst, sondern über eine deutlich stärkere Umverteilung zwischen reichen und ärmeren Kommunen kommt.

Tatsächlich ist es so, dass beim neuen Finanzierungsmodell finanzstarke Kommunen wie zum Beispiel Mainz und Idar-Oberstein mehr Geld als bisher an finanzschwächere abgeben müssen. Und dieser Anteil steigt im kommenden Jahr, weil auch die Steuereinnahmen nach letzten Prognosen im kommenden Jahr deutlich steigen.

Das Bündnis für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz sagt: "Extrem hohe Gewinne eines einzigen Unternehmens (Biontec) in Rheinland-Pfalz führen zu stark gestiegenen bzw. steigenden Gewerbesteuereinnahmen bei zwei Kommunen. Diese beiden finanzieren mit einem Teil ihrer Mehreinnahmen fast den kompletten Aufwuchs des neuen Finanzierungsmodells im Jahr 2023 und absehbar auch der folgenden Jahre."

Was passiert jetzt mit der Verschuldung vieler Kommunen in RLP?

Beim Finanzierungsmodell geht es darum, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie die laufenden Aufgaben erfüllen können. Ein anderes Problem sind die aufgelaufenen Schulden. Dazu plant das Land ein eigenes Entschuldungsprogramm.

Geplant ist dabei, den Kommunen insgesamt rund 3 Milliarden Euro ihrer Kassenkredite abzunehmen. Einzelnen Kommunen sollen bis zu 92 Prozent ihrer Kredite abgenommen werden.

Ein solches Programm haben andere Bundesländer wie Hessen oder das Saarland schon vor Jahren gemacht. Jetzt macht sich auch Rheinland-Pfalz auf den Weg. Voraussichtlich im kommenden Frühjahr könnte das entsprechende Gesetz verabschiedet werden.

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Gernot Ludwig