Im Notfall ruft man die 112 an, um sofortige Hilfe vom Rettungsdienst zu bekommen. Wenn es nicht lebensbedrohlich ist, kann man auch den Hausarzt kontaktieren, der oft spezielle Sprechstunden für akute Fälle hat. Aber was passiert, wenn der Hausarzt nicht erreichbar oder es Wochenende ist? Manche Betroffene gehen selbst in die Notaufnahme eines Krankenhauses.
Außerhalb der regulären Sprechzeiten gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117), der berät und an spezielle Bereitschaftspraxen verweist. In einigen Orten, wie Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl, gab es 2023 Streit, weil hier die Bereitschaftspraxen aufgrund eines Gerichtsurteils ab Januar 2024 schließen sollten.
Seit dem 1. Januar gibt es sie nun tatsächlich nicht mehr - außerdem können die verbleibenden 36 Praxen keine Nachtdienste mehr anbieten. Der Grund: Das Gericht entschied, dass Ärzte im Bereitschaftsdienst sozialversicherungspflichtig sind, was zu finanziellen Belastungen führte. 427 Ärzte und Ärztinnen waren in Rheinland-Pfalz laut Kassenärzlicher Vereinigung (KV) davon betroffen, sie deckten rund 60 Prozent der Bereitschaftsdienste ab. Allen Poolärzten werde gekündigt, da das bestehende System in der jetzigen Form nicht weitergeführt werden könne, so die KV.
Mehr Menschen gehen in Krankenhäuser
Wirkt sich dieser Wegfall zwei Wochen später schon auf die tägliche Arbeit in den Notaufnahmen der Krankenhäuser aus? Die Krankenhausgesellschaft des Landes (KGRP) hat noch keine genauen Zahlen zu Patienten, Fällen oder Wartezeiten. Krankenhäuser in betroffenen Regionen gäben jedoch an, dass mehr Menschen die Notaufnahme aufsuchen, so Geschäftsführer Andreas Wertmer gegenüber dem SWR.
"Das ist problematisch, weil die Notaufnahmen bereits stark beansprucht sind und nicht beliebig erweitert werden können." Obwohl alle Patientinnen und Patienten medizinische Versorgung erhielten, führe die Schließung der Bereitschaftspraxen zu zeitaufwendigeren Auseinandersetzungen in den Notaufnahmen. "Dies darf nicht zur Regel werden, da wertvolle Zeit für die Behandlung von Notfallpatienten verloren geht."
Wie die KV weist auch die KGRP auf finanzielle Belastungen hin: Die Erlöse für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus reichten nicht aus, um diese angemessen zu vergüten. Defizite in der vertragsärztlichen ambulanten Notfallversorgung könnten nicht dauerhaft auf Kosten der Krankenhäuser ausgeglichen werden. Im benachbarten Baden-Württemberg, in dem die Schließung von acht Bereitschaftspraxen schon 2023 erfolgte, hatten dort im vergangenen Dezember Krankenhausärzte ihre Wiederöffnung gefordert.
Die Kassenärztliche Vereinigung hingehen verweist auf die Politik: Diese müsse für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst eine auch rückwirkend geltende Ausnahmeregelung schaffen, die die Poolärztinnen und -ärzte sowie ärztliche Angestellte nicht in die Sozialversicherungspflicht zwinge.
Die Angebotsstruktur in Rheinland-Pfalz, die bis Ende vergangen Jahres im deutschlandweiten Vergleich einen Spitzenplatz eingenommen habe, sei auf Dauer und unter den bisherigen Bedingungen nicht mehr zu halten gewesen.
Hausärzte: Mit Zeit beim Arzt gut umgehen
Barbara Römer, Landesvorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, betont das insgesamt bereits überlastete Gesundheitssystem. Dies betreffe auch die Notfallversorgung. Immerhin: "Auf die Belastungen zu den Öffnungszeiten in den Hausarztpraxen hat die Schließung der sieben Standorte unserer Kenntnis nach bisher keine signifikanten Auswirkungen."
Eine langfristige Prognose könne zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht gemacht werden, so Römer - und weist auf ein anderes Problem hin, dass die Situation künftig verschärften könnte: "Fakt ist, dass wir in Rheinland-Pfalz in den kommenden Jahren ein signifikantes Wegbrechen der verfügbaren Arztzeit erleben werden, da schon heute zum Beispiel 43 Prozent aller Hausärztinnen und Hausärzte 65 Jahre und älter sind, in ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz bis zu 60 Prozent."
Es gelte also, mit der Ressource "Arztzeit" verantwortungsvoll umzugehen. Dies werde nur über eine Patientensteuerung und mehr Effizienz in der Notfallversorgung möglich sein.
Ärzteperspektive in politischer Diskussion betonen
Am 15. Januar haben mehrere Berufsverbände und die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein Positionspapier zur geplanten Notfallreform veröffentlicht: Für eine sinnvolle Reform sei es wichtig, die Ziele und Funktionen des Notfallbereichs klar zu verstehen. Es sollte sichergestellt werden, dass dringend benötigte Hilfe nicht verweigert wird - allerdings verzeichne man einen Anstieg von Personen, die keine dringende Behandlung brauchen.
Neben einem effizienteren System zur schnellen Einschätzung der Dringlichkeit von Behandlungen wird in dem Papier gefordert, andere Angebote wie Krisendienste nicht weiter zu reduzieren. Die Finanzierung der ambulanten Notfallversorgung wird als unzureichend betrachtet.
Und: "Die Perspektive der praktizierenden Ärztinnen und Ärzte hat in der politischen Diskussion um die Reform der Akut- und Notfallversorgung bisher leider kaum eine Rolle gespielt. Eine erfolgreiche Reform kann jedoch nicht aus dem Elfenbeinturm heraus, sondern nur unter intensiver Beteiligung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort gelingen", wird Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, in einer Pressemitteilung zum Positionspapier zitiert.
Auch die Krankenhausgesellschaft teilt dem SWR mit, Bestrebungen, die Patienten-Ströme besser zu leiten, müssten vorangetrieben werden. Die Schließung der Bereitschaftsdienstpraxen und die daraus resultierende stärkere Frequentierung der Notaufnahmen bedeuteten jedoch genau das Gegenteil: Das Gesundheitsministerium müsse darauf hinwirken, dass die KV ihre gesetzliche Pflicht, die vertragsärztliche Versorgung durch geeignete Maßnahmen auch tatsächlich sicherzustellen, erfülle.