#Notfall Rettung

Ersthelfer-App rettet in Wiesbaden Leben - in Rheinhessen bald auch?

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Autor/in
Alexander Dietz
Alexander Dietz ist Reporter im SWR Studio Mainz.

Eine Auswertung des SWR Data Lab zeigt, dass nach einer Reanimation in Rheinhessen mehr Menschen lebend ins Krankenhaus eingeliefert werden, als statistisch zu erwarten wäre. Eine Ersthelfer-App soll jetzt aber für eine noch bessere Notfallversorgung sorgen.

In der Rettungsleitstelle Mainz ist 2022 insgesamt 854 Mal ein Kreislaufstillstand gemeldet worden. Dann zählt jede Sekunde, damit die Person am Ende überleben kann. Eine Auswertung des SWR Data Lab hat ergeben, dass in Rheinhessen zwischen 2020 und 2022 mehr Menschen nach einer Reanimation lebend ins Krankenhaus eingeliefert wurden, als statistisch eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

Entscheidend dabei ist, dass so schnell wie möglich mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung angefangen wird. Der Rettungsdienst war bei fast der Hälfte dieser Einsätze in weniger als acht Minuten vor Ort. Im Vergleich mit den anderen Regionen in Rheinland-Pfalz ist das ein guter Wert. Das Rettungsdienstgesetz in Rheinland-Pfalz sieht zwar nur eine Hilfsfrist von 15 Minuten vor. Aber Experten empfehlen, dass die Acht-Minuten-Marke bei 80 Prozent der Fälle nicht überschritten werden sollte.

Wie können also Ersthelferinnen und Ersthelfer so schnell wie möglich zum Einsatzort kommen? Dafür lohnt ein Blick auf die andere Rheinseite nach Wiesbaden.

In Wiesbaden gibt es seit anderthalb Jahren die App "Mobile Retter"

Vor etwa anderthalb Jahren ist in der hessischen Landeshauptstadt die App "Mobile Retter" eingeführt worden. Dort haben sich mittlerweile fast 700 geschulte Ersthelfer registriert, die bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand alarmiert werden, wenn sie in der Nähe des Einsatzortes sind. Laut der Verantwortlichen bekommen immer die beiden "Mobilen Retter" den Alarm, die am nächsten am Einsatzort sind.

Auf einem Bildschirm ist die App der "Mobilen Retter" in Wiesbaden zu sehen.
Die App "Mobile Retter" ortet mögliche Ersthelfer in der Nähe des Einsatzortes und alarmiert immer zwei von ihnen. Nach spätestens zwei Minuten sollte man sich bei der Herzdruckmassage schließlich abwechseln.

Registrieren können sich bei dem Projekt alle, die eine Ausbildung im medizinischen Bereich haben oder zur sogenannten "Blaulicht-Familie" gehören - also zum Beispiel bei der Polizei arbeiten oder beim THW oder der Freiwilligen Feuerwehr aktiv sind.

"Neben einer medizinischen Qualifikation ist uns nämlich Einsatzerfahrung wichtig", sagt Norbert Hagner, Sachgebietsleiter Rettungsdienst der Stadt Wiesbaden. "Sie sind es nämlich gewöhnt, auch mal in ein unbekanntes Umfeld zu kommen und dann auch eingreifen zu müssen." Alle bekommen laut Hagner eine etwa dreistündige Einweisung mit einem Erste-Hilfe-Training inklusive und werden dann für die App freigeschaltet.

"Mobiler Retter" Holger Kahl rettet zwei Menschen das Leben

Holger Kahl wohnt im Stadtteil Delkenheim und arbeitet bei der Berufsfeuerwehr in Wiesbaden als Kfz-Mechaniker. Er ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Stadtteil und hat gerade an einer Übung teilgenommen, als er zum ersten Mal als "Mobiler Retter" alarmiert wurde. "Das Adrenalin ging natürlich sofort hoch und der Puls ging auf Endanschlag", erzählt Kahl. Gemeinsam mit einem anderen Feuerwehr-Kameraden sei er dann direkt losgefahren.

"Nach zwei, zweieinhalb Minuten waren wir auch schon vor Ort und konnten dort die Ehefrau des Patienten ablösen, die schon mit der Reanimation begonnen hatte - unter Anleitung der Leitstelle am Telefon." Als er dann wenig später von den Angehörigen erfahren habe, dass der Patient überlebt hat und es ihm wieder gut geht, sei er natürlich stolz gewesen. "Das pusht und baut auf", so Kahl.

Eine Gruppe Menschen steht vor einem Scheunentor. Darunter der Mobile Retter Holger Kahl und ein Mann, dem er das Leben gerettet hat.
"Mobiler Retter" Holger Kahl und Projektkoordinator Maximlilian Haller (dritter und erster von rechts) unter anderem mit Thomas Scherf (zweiter von links) und seiner Frau. Kahl und Siegfried Schneider (vierter von links) hatten gemeinsam Thomas Scherf erfolgreich reanimiert.

Vor etwa zwei Monaten wurde Kahl dann wieder zu einem Einsatz gerufen. Und der Patient hat wieder überlebt. Genau für solche Fälle waren die "Mobilen Retter" in Wiesbaden eingeführt worden, berichten die Verantwortlichen.

"Mobile Retter" sind in rund dreieinhalb Minuten am Einsatzort

In den ersten etwa anderthalb Jahren haben sie schon 335 Einsätze absolviert. Und sie waren mit rund dreieinhalb Minuten im Durchschnitt deutlich schneller am Einsatzort als der Rettungsdienst, der mehr als sieben Minuten braucht. Einmal war ein "Mobiler Retter" sogar in acht Sekunden vor Ort, berichtet Maximilian Haller, Koordinator des Projekts in Wiesbaden.

Damit das System seine ganze Stärke ausspielen kann, empfehlen die Verantwortlichen, dass auch andere Kreise und Städte eine solche App einführen sollten. Dann könnten nämlich in Zukunft auch "Mobile Retter" aus Wiesbaden zum Beispiel auch in Mainz alarmiert werden, wenn er oder sie gerade dort unterwegs ist.

Kommunen in Rheinhessen wollen eine solche App einführen

In Rheinhessen und an der Nahe gibt es eine solche App aber noch nicht. Der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstbereiches Mainz, Carsten Lott, hat dem SWR aber mitgeteilt, dass unter den Kommunen der Konsens bestehe, ein solches System künftig zu etablieren. "Aktuell wird die Ausschreibung vorbereitet", so Lott.

Die Verantwortlichen in Wiesbaden weisen aber daraufhin, dass man sich in ganz Deutschland am besten auf ein System einigen sollte. "Aktuell sind nämlich einige Anbieter auf dem Markt, die nicht miteinander kompatibel sind", sagt Nobert Hagner, Sachgebietsleiter Rettungsdienst in Wiesbaden.

"Jeder kocht da seine eigene Suppe. Das ist traurig. So verschenkt man Potential."

VG Bodenheim startet eigenes Ersthelfer-Projekt

Die Verbandsgemeinde Bodenheim (Kreis Mainz-Bingen) will aber nicht mehr warten, bis eine solche App in Rheinhessen eingeführt wird. Um die Notfallversorgung in der VG zu verbessern, geht am Mittwoch ein neues Ersthelfer-Team an der Start. Die etwa 20 Ehrenamtlichen haben alle eine medizinische Ausbildung, erzählt Notarzt Roman Haessler, der für das Team verantwortlich ist.

Bodenheim

Zeit überbrücken bis der Notarzt kommt Ersthelfer sollen in der VG Bodenheim Leben retten

Ein Team aus so genannten "First Respondern" geht bald in der Verbandsgemeinde Bodenheim an den Start. Bei Notfällen in ihrer Nähe sollen sie schnelle Erste Hilfe leisten.

Alarmiert werden sie bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand über eine App, die sonst von der Freiwilligen Feuerwehr genutzt wird. "Zuerst wollen wir die ganze Gruppe alarmieren. Unabhängig davon, wo sie gerade sind", erklärt Haessler den Unterschied zu den "Mobilen Rettern" in Wiesbaden. "Und dann kann man in der App sagen: Ich komme oder ich komme nicht."

Aktuell sind elf First-Responder-Einheiten in der Region im Einsatz

In Rheinhessen sind in einigen Kommunen aktuell schon sogenannte "First Responder" im Einsatz. Laut dem Ärztlichen Leiter Carsten Lott gibt es im Rettungsdienstbereich Mainz elf solcher Systeme. Zum Beispiel in Dolgesheim, Nieder-Olm, Guntersblum (alle Kreis Mainz-Bingen), Gimbsheim, Gundersheim, Stein-Bockenheim und Westhofen (alle Kreis Alzey-Worms).

"Die Helfer kommen in der Regel aus dem medizinischen Bereich und verfügen zum Teil über medizinische Ausstattung bis hin zu Fahrzeugen mit Notfallausrüstung und Defibrillator", so Lott. Alarmiert werden sie vor allem über den sogenannten Funkmeldeempfänger, unabhängig vom Standort. Dieses Funk-System wird zum Beispiel auch von der Feuerwehr genutzt.

Rettungskräfte fordern Notfall-App für Rheinhessen

Bevor die "First Responder" aber zum Patienten ausrücken, fahren sie wegen des Equipments oft erst noch zum örtlichen Feuerwehr-Gerätehaus oder dem Ortsverein der zuständigen Hilfsorganisation. Dort steht nämlich häufig das Fahrzeug mit der notwendigen Ausstattung, berichten einige Verantwortliche solcher Einheiten im Gespräch mit dem SWR.

"Einmal im Monat kommen wir aber zu spät. Da ist die Person schon tot."

"Wir brauchen dringend eine solche App wie in Wiesbaden. Dass einfach jemand anfängt mit der Herzdruckmassage. Dann wäre Zeit für uns gewonnen", so Weber.

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