200.000 Euro Abfindung und die Zahlung von knapp 13 Monatsgehältern. Das ist das Ergebnis des Vergleichs, auf den die Mainzer Stadtwerke sich mit ihrem früheren Referatsleiter Corporate Governance vergangene Woche vor dem Mainzer Arbeitsgericht einigten.
Teil des Vergleichs ist, sich gegenüber Dritten nicht mehr zu den Streitigkeiten zu äußern. Auch über den Inhalt des Vergleichs vereinbarten die Parteien - bei der allerdings öffentlichen Verhandlung - Stillschweigen. Bis Mitte der Woche galt eine Widerrufsfrist, nun ist der Vergleich wirksam, wie das Gericht dem SWR heute auf Nachfrage mitteilte.
Referatsleiter hatte Millionenprojekt kritisiert
Der Kündigung des Referatsleiters Corporate Governance, unter dessen Leitung auch die Innenrevision des Unternehmens stand, ging ein seit 2022 andauernder Konflikt zwischen dem Vorstand der Mainzer Stadtwerke und ihrem Referatsleiter voraus. Anlass war die Prüfung eines Millionen-Projekts durch die Innenrevision der Mainzer Stadtwerke.
Der damalige Referatsleiter und sein Team sahen hier „erhebliche Risiken und Mängel“, in einem Schreiben an den Aufsichtsrat sprach der frühere Leiter der Innenrevision unter anderem von „vergaberechts- und wettbewerbswidrig“ erfolgten Aufträgen.
Mainzer Stadtwerke in Kritik des Landesrechnungshofs
Die Mainzer Stadtwerke kündigten ihm, lagerten die komplette Abteilung aus. Erstmals hatte das Nachrichtenportal Business Insider im März über die Vorgänge berichtet. In einer im Juli verschickten Stellungnahme teilten die Mainzer Stadtwerke mit, „die zunächst erfolgte freihändige Vergabe der ersten Teilaspekte“ sei „durch eine vergaberechtlich spezialisierte Kanzlei geprüft und für angemessen befunden“ worden. „Die Möglichkeit, mögliche Missstände zu melden“, nehme bei den Mainzer Stadtwerken einen hohen Stellenwert ein, „gleichzeitig“ würden „bewusst falsche und diskreditierende Anschuldigungen“ nicht toleriert.
In der vergangenen Zeit sahen sich die Mainzer Stadtwerke immer wieder mit Kritik konfrontiert. 2020 prüfte der Landesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Mainzer Stadtwerke. In einem nicht öffentlichen Teil des Prüfberichts von 2022, der dem SWR in Teilen vorliegt, kritisierte der Landesrechnungshof zahlreiche Vorgänge bei den Mainzer Stadtwerken - darunter unter anderem die Verfahrensweise zur Bestellung des heutigen Vorstandsvorsitzenden, Daniel Gahr, ohne zuvor erfolgte Ausschreibung.
Verfahren zur Auswahl des Vorstandsvorsitzenden bemängelt
Der Landesrechnungshof kritisierte schon die Verfahrensweise zum Eintritt Gahrs in die Unternehmensgruppe 2015 als “nicht sachgerecht”. Ohne Ausschreibung sei der heutige Vorstandsvorsitzende der Mainzer Stadtwerke als Branchenfremder nach Empfehlung des damaligen Oberbürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden, Michael Ebling (SPD), zum dritten Geschäftsführer einer 95-prozentigen Tochter der Mainzer Stadtwerke ernannt worden.
“Weder dessen fachliche Ausbildung noch eine auf den Energiesektor bezogene kaufmännische Erfahrung” sprächen für ein besonderes Alleinstellungsmerkmal, das den Verzicht auf eine Ausschreibung hätte erklären können. Es sei “nicht nachvollziehbar, warum nicht mithilfe einer Ausschreibung versucht wurde, die Stelle zu besetzen”, so der Landesrechnungshof in seinem Bericht.
Landesrechnungshof empfiehlt "transparente Bestenauswahl"
Entsprechendes gelte dem Prüfbericht zufolge für die etwa zwei Jahre später erfolgte Auswahl Gahrs zum Vorstandsvorsitzenden der Mainzer Stadtwerke AG – erneut ohne Ausschreibung und erneut auf Empfehlung des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Ebling. Der Landesrechnungshof empfahl, “alle Stellen in der Unternehmensgruppe grundsätzlich auszuschreiben und auf dieser Grundlage eine transparente Bestenauswahl vorzunehmen.”
Die Mainzer Stadtwerke wiesen auf SWR-Nachfrage darauf hin, die entsprechenden Wege, Formalien und Regularien eingehalten zu haben. Man habe den Hinweis des Landesrechnungshofs zur Besetzung von Führungspositionen jedoch aufgenommen, „die Besetzungen von Führungspositionen werden durch Einbeziehung externer Personaldienstleiter begleitet.“
Geschäftsessen mit Michael Ebling: Knapp 330 Euro
Ein weiterer Kritikpunkt im nicht öffentlichen Teil des Prüfberichts durch den Landesrechnungshof bezog sich unter anderem auf Bewirtungsabrechnungen der Vorstandsmitglieder zwischen 2014 und 2017, die demnach teils auch hochpreisige alkoholische Getränke enthielten.
Der Landesrechnungshof schrieb hierzu: „Einige Bewirtungskosten betrugen über 100 Euro je Gesprächsteilnehmer“ und listet in der Fußnote zwei Beispiele auf: Bei einer Besprechung von zwei Personen am 6. April 2016 habe die Abrechnung demnach eine Flasche Wein für 78,50 Euro enthalten, bei einer Besprechung von zwei Personen am 7. September 2017 „6-mal Rochelt Williamsbirne a 25 Euro […] und eine Flasche Wein für 40 Euro.“ Bei diesem Geschäftsessen habe die Rechnung „sogar 165,50 Euro pro Person“ betragen.
Mainzer Stadtwerke: Vorschriften angemessen
Die Mainzer Stadtwerke erklärten auf SWR-Nachfrage, dass es sich bei den Treffen um Geschäftsessen zwischen dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Detlef Höhne und dem damaligen Oberbürgermeister und heutigen Innenminister Michael Ebling (SPD) gehandelt habe.
Um die notwendige Klarheit zur Angemessenheit der Bewirtung in Zukunft sicher zu stellen, forderte der Landesrechnungshof die Mainzer Stadtwerke auf, die Bewirtungsvorschriften “in Bezug auf die Angemessenheit” zu konkretisieren. Die Mainzer Stadtwerke schrieben dem SWR hierzu, man habe „seinerzeit die Bewirtungsvorschriften kritisch hinterfragt“ und sei „zu dem Schluss gekommen, dass diese nicht konkretisiert werden müssen.“
Kritik an ungenutzten VIP-Plätzen in Mainzer Stadion
Kritik äußerte der Landesrechnungshof auch an ungenutzten Platzkontingenten einer bis 2022 angemieteten VIP-Loge im Stadion von Mainz 05 oder aus Sicht des Landesrechnungshofs fehlerhaften Spenden- und Sponsoringberichten.
Die Mainzer Stadtwerke teilten dem SWR auf Nachfrage mit, seit der Saison 22/23 sei keine VIP-Loge mehr angemietet worden, die Einschätzung des Landesrechnungshofs zu den Spenden- und Sponsoringberichten „teilen wir nicht“.
Mainzer Stadtwerke verdoppeln Abfindungs-Angebot vor Arbeitsgericht
Vor dem Arbeitsgericht vergangene Woche erweckten die Anwälte der Mainzer Stadtwerke den Eindruck, den Rechtsstreit um die Kündigung ihres damaligen Referatsleiter Good Governance in jedem Fall mit einem Vergleich beenden zu wollen.
Im Laufe der Verhandlung bewegten sie sich deutlich auf den Kläger zu, verdoppelten ihr Abfindungs-Angebot nach einer etwa 15-minütigen Sitzungsunterbrechung zur Rücksprache mit dem Vorstandsvorsitzenden. Mit dem Zustandekommen des Vergleichs darf zumindest diese Stimme ihre Kritik an den Mainzer Stadtwerken nicht länger äußern.