Zeitzeugin erinnert sich an Zweiten Weltkrieg

Vor 80 Jahren wurde Mainz durch Bomben zerstört

Stand
Autor/in
Wolfgang Seligmann

Am 27. Februar 1945 um 16:29 Uhr begann der vernichtende Bombenangriff auf Mainz. Die Innenstadt wurde fast vollständig zerstört, über 1.200 Menschen starben. Zeitzeugin Rosi erinnert sich.

Rosi ist 90 Jahre alt, aber das sieht man ihr nicht an. Sie ist agil, voller Leben und steht mit beiden Beinen im Leben. Und sie hat viele Erinnerungen an ihre Kindheit, in der sie die letzten Jahre des Nationalsozialismus und den Krieg erlebte. Als Mainz am 27. Februar 1945 zerstört wurde, war Rosi zehn Jahre alt.

Rosis Vater war "kriegswichtig"

Sie wohnte mit ihrer Familie in einem Haus in der Mainzer Goethestraße. "Wir waren schon dreimal ausgebombt worden", erzählt Rosi, "aber mein Vater arbeitete beim Fernmeldeamt. Er war also kriegswichtig, deshalb bekamen wir jedesmal wieder eine andere Wohnung in Mainz zugewiesen." Vor diesem Februar 1945 war Mainz bereits mehrmals Ziel alliierter Bombenangriffe gewesen.

Rosi steht am Rheinufer, im Hintergrund die Silhouette von Mainz
Zeitzeugin Rosi erinnert sich gut an den schlimmsten Bombenangriff auf Mainz vor 80 Jahren

Mit diesem Angriff hatte niemand mehr gerechnet

"Zu dieser Zeit hat eigentlich niemand mehr mit einem großen Angriff auf die Stadt gerechnet", beschreibt Rosi die Stimmung, die in Mainz herrschte. "Hinter vorgehaltener Hand munkelten viele, dass die Amerikaner bereits ganz nahe seien - vielleicht schon in der Eifel - und dass der Krieg bald vorbei wäre."

Dieser 27. Februar war sonnig, "fast schon ein bisschen Frühling", erinnert sich Rosi. "Aber plötzlich ging es Schlag auf Schlag: Erst Voralarm und sofort danach Vollalarm."

Fliegeralarm kam für Mainz zu spät

Den ganzen Tag waren britische Bomberstaffeln ins deutsche Reich eingeflogen und hatten Städte bombardiert. Die deutsche Luftüberwachung erkannte aber viel zu spät, dass die 435 Bomber Mainz als Ziel hatten. Wäre der Alarm früher losgegangen, wären vermutlich nicht so viele Menschen gestorben. Denn dann hätten mehr von ihnen die Luftschutzräume erreichen können.

Bombenangriff dauert keine Viertelstunde

"Wir wohnten im fünften Stock. Als der Alarm losging, sagte mein Vater: alle runter in den Keller. Aber im Treppenhaus flogen uns schon die Fensterscheiben entgegen," so Rosi weiter. Sogenannte Minenbomben fallen als erste aus den Bombenschächten der Flugzeuge.

Ihre Sprengkraft lässt Häuserwände einstürzen. Sprengbomben folgen, dazu werfen die Briten Brandbomben ab. Ein unbeschreibliches Inferno. "Wir saßen eng an eng in diesem Keller. Der Boden bebte durch die Explosionen", erzählt Rosi.

Der gesamte Angriff auf Mainz dauerte lediglich 13 Minuten. "Irgendwann war es vorbei. Wir gingen raus - und da war nichts mehr", so Rosi weiter. Ihr Haus war getroffen worden, aber es stand noch. Lediglich der Dachstuhl brannte. "Ein Trümmerhaufen neben dem anderen, dazwischen immer wieder Brände. Da standen keine Häuser mehr. Wir konnten bis zum Dom schauen." Luftlinie war der Dom von der Goethestraße fast zwei Kilometer weit weg.

Auf einem Straßenpflaster aus Holz verbrannten die Menschen

Rosis Familie hatte den Bombenangriff überlebt, einige Verwandte hatten weniger Glück. "Mein Vater sagte ein, zwei Stunden nach dem Angriff, er wolle nach unseren Verwandten sehen. Sie waren in einem Keller in der Umbach. Mein Vater fand sie dort - alle waren erstickt." Die Umbach liegt an der Großen Bleiche, eine Straße, die die Innenstadt quert.

"Die Große Bleiche hatte damals ein Holzpflaster. Da gab es auch das UFA-Kino. Als der Angriff begann, scheuchte man die Menschen aus dem Kino, damit sie sich in Sicherheit bringen. Aber das Holz auf der Straße fing schnell Feuer, viele sind dort verbrannt."

Viele Mainzer verließen ihre Stadt Mainz

Über 1.200 Menschen starben an diesem 27. Februar in Mainz. Nicht nur die komplette Innenstadt wurde zerstört, auch der Stadtteil Weisenau. Die Ingelheimer Aue, Mainz-Kastel und Mainz-Kostheim auf der rechten Rheinseite waren schwer getroffen.

Rosi und ihre Familie konnten in ihrem Haus bleiben, viele andere Mainzer hatten alles verloren und verließen die Stadt, um sich im Umland eine Unterkunft zu suchen - irgendwo bei rheinhessischen Bauern. Keine vier Wochen nach diesem letzten und schwersten Bombenangriff auf Mainz betreten amerikanische Soldaten die Stadt und stoßen kaum auf Widerstand. Für Mainz ist der Zweite Weltkrieg Ende März vorbei.

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Wolfgang Seligmann