Zu dem Staatsakt in der Ring-Arena auf dem Nürburgring hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) Angehörige der Toten und Vermissten, Verletzte, Geschädigte, Hilfskräfte, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der über 250 betroffenen Orte eingeladen. Etwa 1.000 Gäste waren versammelt.
Die Gedenkfeier begann mit nachdenklichen, emotionalen Worten zweier Notfallberater des DRK Rheinland-Pfalz. Bianca Groh und Dietmar Breininger schilderten ihre Gedanken und Gefühle während des Einsatzes. Zum Schluss zitierten beide aus dem Buch "Momo" von Michael Ende, als Sinnbild für Geduld, Beharrlichkeit und schrittweises Vorankommen. "Schritt, Atemzug, Besenstrich, Zuversicht" - erklärt Straßenkehrer Beppo dem kleinen Mädchen Momo seine Lebensphilosophie.
Dreyer: "Niemand wird vergessen"
Ministerpräsidentin Malu Dreyer erinnerte in ihrer Ansprache an die Todesopfer, die Vermissten und gedachte auch der Menschen, die sich in Folge der Katastrophe das Leben genommen haben. Besonders gedachte sie der zwölf Toten in einer Behinderteneinrichtung in Sinzig.
"Im Ahrtal ist kaum eine Familie vom Unglück verschont geblieben", sagte Dreyer. Die Katastrophe habe das Land bis ins Mark getroffen.
Dreyer erinnerte auch an die Opfer in Nordrhein-Westfalen, wo auch viele Tote zu beklagen seien. Sie versprach: "Niemand wird vergessen, nicht die Verstorbenen, nicht die, denen alles genommen wurde, nicht die, die tief verwundet sind. Wir sehen auch diejenigen, die sich ohnmächtig oder wütend fühlen."
Die Landesregierung werde alles dafür tun, dass die alte Heimat auch die neue Heimat sein könne. Dreyer rief dazu auf, das Ahrtal nachhaltig und zukunftssicher zu gestalten.
Dreyer dankte auch allen Einsatzkräften, die teilweise ihr Leben riskiert hätten. Sie habe die Eltern einer jungen Feuerwehrfrau besucht, die im Einsatz ums Leben gekommen war. Das dürfe nie vergessen werden. Ebenfalls dankte sie den zahlreichen freiwilligen privaten Helfern, Handwerkern und Unternehmern.
Steinmeier: "So viel Verzweiflung, soviel Schmerz"
Im Anschluss an Dreyer sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier allen Angehörigen sein tiefstes Beileid aus. Er sicherte den Betroffenen die Solidarität ganz Deutschlands zu. "In der Stunde der Not sind wir ein starkes, solidarisches Land. Wir stehen zusammen", sagte Steinmeier.
In jener "so furchtbares Unheil bringenden Nacht" Mitte Juli habe das schlimmste Hochwasser seit Menschengedenken in der Region beschauliche Bäche und kleine Flüsse zu reißenden Strömen werden lassen. "Schuld, Insul, Dümpelfeld, Altenahr, Mayschoß, Ahrbrück, Dernau, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig - so viele Orte versanken in den Fluten", sagte der Bundespräsident. Er versprach den Betroffenen: "Wir stehen an Ihrer Seite. Wir wissen, dass in Ihrem Leben nichts mehr ist, wie es war. Aber Sie sollen heute wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Ihr Land Sie nicht allein."
Sohn eines Opfers schildert eindrücklich die Flutnacht
Wilfried Laufer, der Sohn eines Flutopfers, schilderte schmerzvoll seine Eindrücke aus der Katastrophennacht. Er habe seinen Vater treffen wollen, sei aber wegen des Hochwassers nicht mehr durchgekommen. Am Telefon habe ihm der Vater gesagt: Wir sehen uns dann ja morgen wieder. "Dies waren die letzen Worte meines Vaters. Danach konnte ich ihn telefonisch nicht mehr erreichen."
Laufer sprach von der völligen Hilflosigkeit, nur warten zu können. Drei Tage später wurde 25 Kilometer ahrabwärts die Leiche von Bodo Günther Laufer gefunden.
Zum Abschluss der Gedenkfeier verlasen die Schauspieler Raphaela Crossey und Wolfram Boelzle vom Ensemble im Theater Koblenz die Namen aller Toten der Flutkatastrophe im Ahrtal.
Bei der Flutkatastrophe im Juli kamen in Rheinland-Pfalz 134 Menschen ums Leben, drei werden noch vermisst, Tausende sind obdachlos. Hunderte Gebäude wurden durch die Wassermassen weggerissen.
"Leben an Flüssen muss neu gedacht werden"
Die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand (parteilos), rief angesichts der Katastrophe zum Umdenken auf. "Leben an Flüssen muss neu gedacht werden". Der klimagerechte Wiederaufbau im Ahrtal könne als internationales Vorbild dienen. Dafür müssten Strategien entwickelt werden, "wie wir zukünftig unter dem Einfluss des Klimawandels weiterhin sicher in Flussregionen leben können".
Sie stehe in zwei Rollen hier, als Bürgermeisterin und als persönlich Betroffene, so Weigand. Wie Tausende andere Anwohner in dem Flusstal habe auch sie selbst ihr Zuhause verloren. "Die Ahr, früher unsere launige Weggefährtin, ist mit all ihren Zuläufen zu einem Monster geworden, einem brutalen Ungeheuer. Aufgetürmt auf unvorstellbare Höhen von über zehn Metern hat sie alles, alles unterspült, überrollt, zerstört. Viele von uns hat sie in den Tod gerissen."
Bürgermeisterin: Menschen brauchen Perspektiven
Sie wünsche sich, dass die Betroffenen schnell Perspektiven bekämen. Die Menschen bräuchten eine verlässliche Richtschnur. Entscheidungen müssten schneller, einfacher und genereller getroffen werden. Sie plädiere für eine bundesweite Koordinierung. "Wir brauchen jetzt und in den kommenden Jahren Mut und Ausdauer", sagte Weigand.
Der Katastrophenschutzinspekteur des Landes Rheinland-Pfalz, Heinz Wolschendorf und der Organisator des Helfer-Shuttles, Thomas Pütz berichteten ebenfalls von ihren Erfahrungen während der Hilfseinsätze. Pütz zeigte sich beeindruckt vom Zusammenhalt, der Hilfsbereitschaft und der Menschlichkeit, die er erfahren habe. Das zeuge von Mut und Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Sein Lieblingssatz angesichts dieser Erfahrungen: "Alle elf Minuten verliebt sich ein Helfer ins Ahrtal". Dieser Funke müsse jetzt am Leben erhalten werden.
Bundeskanzlerin Merkel kommt am Freitag
Am kommenden Freitag, 3. September, besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Verbandsgemeinde Altenahr und macht sich erneut mit Ministerpräsidentin Dreyer ein Bild von der Lage.