Etwa 180 Beschäftigte verlieren zum 1. März ihre Arbeitsstelle im Krankenhaus Lahnstein, etwa 200 Patientinnen und Patienten brauchen einen neuen Operationstermin. Die überraschende Teilschließung des insolventen St. Elisabeth Krankenhauses in Lahnstein erschüttert auch Fachleute wie Professor Frank Weidner. Er leitet das Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Koblenz und erklärt im Interview mit SWR Aktuell die Hintergründe.
SWR Aktuell: Professor Weidner, wie kann es sein, dass ein Krankenhaus wie das in Lahnstein von heute auf morgen schließen muss?
Frank Weidner: Lahnstein ist sicherlich ein extremer Fall. Es ist sehr selten, dass ein Krankenhaus von heute auf morgen schließen muss. Da muss man schauen, wie der Träger oder die Geschäftsführung sich in den letzten Jahren und Monaten verhalten haben. Auf jeden Fall ist offensichtlich im Haus zu spät reagiert worden. Es gab keine Zeit mehr, noch irgendwas über die Psychiatrie hinaus zu retten.
Wir haben bundesweit etwa 40 Insolvenzen laut Deutscher Krankenhausgesellschaft. Und man rechnet durchaus noch mit weiteren 40 Insolvenzen im Lauf des Jahres. Es sind vorwiegend kleine Krankenhäuser, die momentan Probleme haben. Das hat strukturelle, finanzielle und personelle Gründe: Die Corona-Pandemie hat die Krankenhäuser finanziell sehr belastet. Dann ist die Energiepreissteigerung dazu gekommen und darüber hinaus noch die Inflation, die die Löhne nach oben getrieben hat. Krankenhäuser können aber nicht einfach wie ein privates Unternehmen die Preise erhöhen, oder ein neues Produkt auf den Markt werfen. Daher müssen sie dann an ihre Rücklagen gehen. Kleine Krankenhäuser haben aber weniger Rücklagen, das erklärt einen Teil der Misere.
SWR Aktuell: Wie ist es dazu gekommen, dass Kliniken wie die in Lahnstein nicht mehr kostendeckend arbeiten können?
Weidner: Das hat mit den strukturellen Rahmenbedingungen zu tun. Wir haben etwa seit 20 Jahren eine Finanzierung der Krankenhäuser über Fallpauschalen, die heute auch als Fehler anerkannt wird. Vorher bekamen die Krankenhäuser für jeden Tag Geld, an dem sie einen Patienten behandelt haben. Mit den Fallpauschalen bekommen sie eine feste Summe Geld für eine bestimmte Diagnose und müssen dann versuchen damit hinzukommen. Auch das fehlende Personal ist zu einem Faktor geworden, vor allen Dingen das Pflegepersonal. Deshalb konnten in den vergangenen Jahren Krankenhäuser oft nicht alle Stationen voll auslasten und Betten mussten frei bleiben. Das hat zu Defiziten geführt und letztendlich die Finanzierungsdecke noch einmal geschmälert. Da kann man sicherlich sagen, dass die Politik viel früher hätte reagieren können.
SWR Aktuell: Warum gibt es für das Krankenhaus in Lahnstein keine Finanzspritze von Bund und Land?
Weidner: Weil man nicht so einfach Geld zuschießen kann. Die Finanzflüsse zu den Krankenhäusern sind aufgrund der komplexen Strukturen festgelegt. Das Land kann einem Krankenhaus nicht einfach Geld geben, auch nicht in einer solchen Situation wie in Lahnstein. Dort könnte aktuell nur der Träger helfen, in dem Fall ist es ja ein frei-gemeinnütziger Träger. Oder vielleicht die Kommune, die sagen könnte, wir wollen das Krankenhaus halten. Aber auch die Stadt kann nicht einfach Geld in die Hand nehmen. Erstens hat sie es vielleicht nicht und zweitens ist das auch wieder von rechtlichen Konstellationen abhängig. Das ist ein komplexes Konstrukt. In Lahnstein sind noch auf dem letzten Drücker Rettungsversuche gestartet worden, aber die sind offensichtlich gescheitert.
SWR Aktuell: Einige Menschen meinen, die Politik wolle kleine Krankenhäuser wie in Lahnstein offenbar kaputt machen. Stimmt das?
Weidner: Das würde ich so nicht sagen. Da hat auch im Grunde niemand ein Interesse daran, denn eigentlich hat keiner was davon. Vielleicht ist eine Erklärung, dass es insgesamt weniger Krankenhäuser geben soll. Das ist eine Debatte, die wir in Deutschland schon seit mehr als 20 Jahren führen. Wir haben inzwischen nur noch rund 1.700 Kliniken in Deutschland. Vor 20 Jahren hatten wir mal deutlich über 2.000 Kliniken. Das heißt, wir sind in einem laufenden Strukturwandel der Krankenhäuser. Aber besser ist es natürlich, wenn es zu einem geordneten Wandel der Krankenhauslandschaft kommt und nicht zu solchen kalten Schließungen, wie wir sie jetzt in Lahnstein erlebt haben.
Weitere Fachbereiche neben Psychiatrie denkbar Krankenhaus Lahnstein: Neuer Träger hat noch keinen Masterplan
Die Barmherzigen Brüder Trier haben sich am Freitag als neuer Träger im Lahnsteiner Krankenhaus vorgestellt. Ein konkretes Konzept für die gesamte Klinik gibt es noch nicht.
SWR Aktuell: Der Bund plant eine umfassende Krankenhausreform - was sind die wesentlichen Vorhaben?
Weidner: Im Rahmen der Krankenhausreform ist auch eine Reform der Finanzierung der Krankenhäuser vorgesehen. Es soll künftig eine sogenannte Vorhaltepauschale geben. Das heißt, die Krankenhäuser sollen in Zukunft einen Teil ihrer Gelder dafür bekommen, dass es sie überhaupt in einer Region gibt. Ein weiterer Teil der Einnahmen soll über die Fallpauschalen laufen. Da ist also eine Mischfinanzierung angedacht. Dann soll zudem auch die Qualität der Häuser neu aufgestellt werden. Also: Nicht mehr jedes Krankenhaus macht alles, sondern es gibt Schwerpunkt-Kliniken, die das was sie machen, besonders gut machen sollen.
Damit verbunden ist ein dritter wichtiger Punkt, der vor allem kleine Kliniken auf dem Land betrifft. Da ist ein neuer Krankenhaustyp vorgesehen. Das sollen Einrichtungen werden, die eine Mischung sind aus Gesundheitszentrum und kleinem Krankenhaus. In denen gibt es dann noch die innere Medizin, vielleicht auch eine Geriatrie, eine kleine Chirurgie, möglicherweise aber auch eine Kurzzeitpflege und ambulante Angebote. Das wäre vielleicht auch eine neue Chance für Lahnstein. Denn es geht dabei nicht nur darum, bestehende Krankenhäuser umzuwandeln, sondern auch um Ansätze, um solche kleinen Krankenhäuser mit Arztpraxen und anderen medizinischen Einrichtungen vor Ort zu vernetzen. In Schweden oder anderen Ländern ist dies bereits gelungen. Da hängen wir in Deutschland einigen Entwicklungen um Jahrzehnte hinterher.
Die Fragen stellte SWR Aktuell-Reporter Mike Roth.