Steigende Löhne, Klimawandel, Rückgang der Nachfrage: Die Kirschen-Bauern in Rheinland-Pfalz machen sich Sorgen um die Zukunft.

Sinkende Nachfrage, Klimawandel, Lohnkosten

Steht der Kirschen-Anbau in Rheinland-Pfalz vor dem Aus?

Stand
Autor/in
Dominik Bartoschek

Für viele Menschen schmecken Kirschen nach Sommer und Kindheit. Doch die Deutschen essen weniger davon. Was bedeutet das für die Landwirte in der Kirschen-Hochburg Rheinland-Pfalz?

Es war eine schwierige Kirschensaison, die nun so langsam zu Ende geht: Spätfröste, Dauerregen, Unwetter. Doch über eines kann sich Anja Nickolaus nicht beschweren: Darüber, dass die Kunden ihre Kirschen liegen lassen würden. „Nein, gar nicht, im Gegenteil!“, sagt sie.

Nickolaus führt auf dem gleichnamigen Obsthof im Mainzer Stadtteil Drais den Hofladen. Und sie stellt fest: „Bei den Kirschen gibt es so viele Liebhaber, da haben wir eine ungebrochene Nachfrage gehabt.“ Auch im Norden des Landes gibt es offenbar keine Absatzprobleme für regionale Kirschen.

Nachfrage nach heimischen Kirschen ist ungebrochen - noch

Herbert Netter vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau sagt: „Der einzelne Anbauer bekommt seine Kirschen los! Gefühlt geht die Nachfrage nicht zurück.“ Und der Blick in die aktuelle Baumobsterhebung des Landes aus dem Jahr 2022 zeigt: Die Anbaufläche für Süßkirschen ist zuletzt sogar leicht gestiegen.

Wie aber passt das zusammen mit den neuesten Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft, nach denen die Deutschen eigentlich immer weniger der roten Früchte essen?[ Demnach ist der Pro-Kopf-Konsum im Laufe der vergangenen fünf Jahre um knapp 40 Prozent zurückgegangen, auf jetzt noch 1,7 Kilo pro Jahr und Kopf.

Rheinland-Pfalz gehört zu den großen Kirschen-Produzenten in Deutschland. Doch die Bauern machen sich Sorgen um die Zukunft.
Rheinland-Pfalz gehört zu den großen Kirschen-Produzenten in Deutschland. Hier ein Obst-Betrieb in Mülheim-Kärlich.

Rheinland-Pfalz ist Kirschen-Hochburg

Müsste sich das nicht auch bei den Anbauern im Land bemerkbar machen? Schließlich spielt Rheinland-Pfalz im Bundesländer-Vergleich in der ersten Kirschen-Liga, lag bei der Erntemenge im Vorjahr auf Platz drei, und auf immerhin 16,5 Prozent der Obstbaufläche im Land wachsen Süßkirschenbäume.

Für Peter Hilsendegen, Anbauberater beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Oppenheim, ist das kein Widerspruch. Er sagt, dass vom Nachfrage-Rückgang wohl vor allem die 80 bis 90 Prozent der Ware auf dem Markt betroffen seien, die aus dem Ausland zu uns kommen, und weniger die regionalen Kirschen: „Die Präferierung ist eigentlich schon nach wie vor bei den deutschen Kirschen. Sobald die dann auf dem Markt sind, werden die auch gekauft und sind dann auch beliebt.“

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Nicht nur sinkende Nachfrage sorgt für Probleme

Also Entwarnung für die Kirschen-Anbauer in Rheinland-Pfalz? Nein – denn es gibt andere Probleme, die ihnen zunehmend zu schaffen machen.

So wird es immer schwieriger, mit Kirschen Geld zu verdienen. Denn im Anbau steckt viel Handarbeit, Maschineneinsatz ist bei den empfindlichen Früchten kaum machbar. „Sie ist wirklich kostenintensiv. 80 Prozent des Endpreises machen die Lohnkosten aus,“ sagt Anja Nickolaus.

Das führt dazu, dass Kirschen aus Deutschland, wo die Löhne vergleichsweise hoch liegen, trotz der kurzen Wege deutlich teurer sind als die Ware aus Griechenland oder der Türkei. Sollte diese Schere weiter aufgehen, könnten die Kunden die regionale Ware dann doch irgendwann liegen lassen.

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Klimawandel macht den Bauern zu schaffen

Auch die Folgen des Klimawandels machen den Anbauern zu schaffen. Auf Wetterkapriolen wie Spätfröste oder Starkregen reagieren Kirschen nämlich deutlich empfindlicher als andere Kulturen.

Und wer seine Ernte vor Schädlingen wie der Kirschessigfliege schützen will, kann die Bäume zwar mit Netzen schützen, doch das treibt die Produktionskosten noch weiter nach oben: „Bis sie aus so einer Anlage Gewinn erwirtschaften können, vergehen sieben bis acht Jahre“, sagt Peter Hilsendegen.

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Experten blicken skeptisch in die Zukunft

Und so sieht der Anbauberater bereits Anzeichen, dass der Kirschanbau im Land seine besten Zeiten hinter sich hat. Hilsendegen registriert nämlich aktuell weniger Neuanpflanzungen von Kirschbäumen. Zeitversetzt werde sich das dann in kommenden Statistiken in Form schrumpfender Anbauflächen niederschlagen.

Hat der Kirschen-Anbau in Rheinland-Pfalz also überhaupt noch eine Zukunft? Ja, glaubt Herbert Netter vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau. Zum Beispiel, wenn Neuzüchtungen zur Verfügung stehen, die besser mit Extremwetter klarkommen. Peter Hilsendegen ist nicht so optimistisch.

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Er glaubt, dass die hohen Produktionskosten die heimische Kirsche künftig zu einem Nischen- und Luxusprodukt machen. „Ganz salopp gesagt: Billige Importware für alle, die Ware aus der Region für eine kleine Schicht, die sich das leisten kann. Das ist keine schöne Entwicklung, aber ich sehe, dass wir uns im Moment darauf zubewegen.“

Und auch auf dem Draiser Obsthof Nickolaus macht man sich Gedanken, ob und wie es mit dem Kirschen-Anbau weitergeht. Anja Nickolaus: „Wir denken, dass es nicht im vollen Umfang eine Zukunft hat. Die Kirsche wird zurückgehen. Es wird eben immer schwieriger, den Preis auf dem Markt durchzusetzen. Und so können wir uns nicht mehr auf diese Kultur verlassen.“

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Dominik Bartoschek