In Kusel sind am Mittwochabend erneut hunderte Menschen auf die Straße gegangen. Sie finden, dass es in der Kleinstadt zu viele Flüchtlinge gibt. Aktuell sind laut der zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) rund 1.000 Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung in Kusel untergebracht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Protests wollten damit nach eigenen Angaben ein Zeichen in Richtung der politisch Verantwortlichen senden.
SWR Aktuell: Herr Rubly, wie haben Sie den weiteren Protestzug am Mittwochabend durch Kusel wahrgenommen und wie schätzen Sie die Stimmung in und um Kusel in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingssituation ein?
Otto Rubly: Der Protestzug war sehr ruhig. Das war sachlich, aber die Menschen waren auch bestimmt. Bestimmt, weil sie teilweise Besorgnis haben, dass es mittlerweile zu viele Flüchtlinge werden, dass sie mehr oder weniger zu viel fremdbestimmt werden. Da haben die Menschen Angst. Und bei Frauen kommt zusätzlich noch eine große Angst vor Gewalt hinzu. Kann man sie fassen? Kann man sie nicht fassen? Das ist die große Frage. Die Angst ist da - und das muss man ernst nehmen.
Zweiter Protestmarsch 450 Menschen fordern bei Demo weniger Flüchtlinge in Kusel
In Kusel sind erneut hunderte Menschen auf die Straße gegangen. Sie finden, dass es in der Kleinstadt zu viele Flüchtlinge gibt.
SWR Aktuell: Sie haben mit Bürgerinnen und Bürgern Gespräche geführt. Wie sieht es in den Menschen aus?
Rubly: Das ist sehr unterschiedlich, wie das die Einzelnen wahrnehmen, die von Angst reden. Da hat jeder eine andere Stufe. Beim einen oder anderen ist es sogar so weit, dass er Angst hat durch die Stadt zu gehen. Insbesondere bei Frauen ist das der Fall. Ich glaube, es sind viele Gespräche notwendig, um daran zu arbeiten, dass diese Angst - das muss man schon sagen - zu großen Teilen unbegründet ist, dass diese Angst wieder schwindet. Der Windhof muss raus aus der Diskussion. Man muss sehen: dort sind Menschen. Man muss sehen, dass man da zusammenkommt und sich nicht weiter auseinander dividiert.
SWR Aktuell: Es gibt von Seiten der Bürgerinnen und Bürger Kritik, die Politik tue nichts. Was sagen Sie diesen Menschen?
Rubly: Das kann man auch mal eingestehen, das muss man auch mal eingestehen, dass wir vielleicht zu wenig auf die Menschen zugegangen sind und uns etwas zu stark auf die finanziellen Gesichtspunkte konzentriert haben. Dass die Politik nichts tut, glaube ich, kann man so nicht stehen lassen. Aber dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern geredet haben, das ist wahrscheinlich zu wenig passiert.
Wir haben natürlich nach oben, das ist ja überall festgehalten, über die kommunalen Institutionen, gesagt, dass die Politik das ganze Thema Zuwanderung bundesweit, europaweit in den Griff bekommen muss. Das ist ja das Dilemma. Im Endeffekt muss es nach unten verteilt werden.
Das hat vielleicht etwas zu stark die Frage nach den Finanzen beherrscht und viel weniger das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern - siehe die Angst, die entstanden ist oder entsteht. Da haben wir vielleicht zu wenig Rücksicht darauf genommen. Da haben die Bürgerinnen und Bürger auch einen Hilferuf an uns, zumindest in Kusel, gesendet. Es ist ja landesweit, überall wo AfAs sind, die Debatte.
SWR Aktuell: Sie haben das Thema Kriminalitätsentwicklung angesprochen. Die AfD hat dazu eine Anfrage an das Innenministerium gestellt, wie die Kriminalitätsentwicklung in Kusel ist. Wie bewerten Sie das?
Rubly: Von der Anfrage wusste ich bislang noch nichts. Das kann die AfD tun. In der Stadt gab es Gespräche. Die Inspektionsleitung der Polizei in Kusel hat gesagt, dass sich die Kriminalität nicht anders entwickelt hat. Am Montag haben wir einen runden Tisch zur Flüchtlingssituation in Kusel. Da werden wir das Thema noch einmal ansprechen, weil es ja immer wieder gesagt wird, dass die Kriminalität in Kusel zunimmt, weil das auch Teil der Angst ist. Mir ist es nicht bekannt, dass die Kriminalität in Kusel exorbitant hoch ist. Da muss ich mich auf die Aussage der Polizei verlassen. Was die AfD auf Landesebene macht, ist nicht meine Sache. Man sollte aber nicht dort schüren, wo es nicht notwendig ist und keine Panik machen.
SWR Aktuell: Sie wollen am Montag mit Vertretern von Landes- und Kommunalpolitik sowie der Polizei in der Erstaufnahmeerinrichtung für Flüchtlinge auf dem Kuseler Windhof über die Situation reden. Was versprechen Sie sich davon? Haben Sie die Hoffnung, dass es konkrete Lösungen geben wird?
Rubly: Im einen oder anderen Fall kann es kleine Lösungen geben, die wird es auch geben. Wir werden zunächst einmal viele Fragen erörtern. Wir werden erörtern, was in der Stadt los ist. Ich bin davon überzeugt, wir werden viele Fragen aufarbeiten und viele Aufgaben haben. Wir werden dann in Kürze an diesen Aufgaben arbeiten müssen und werden dann noch im November zu den Bürgerinnen und Bürgern gehen und mit denen das Gespräch suchen müssen.
Unabhängig davon, dass ich selbst - und ich vermute auch meine Kollegen in der Stadt und der Verbandsgemeinde - auch vorher mit Bürgerinnen und Bürgern rede. Ich glaube, das ist jetzt notwendig. Da bitte ich aber auch um Verständnis: Es bringt nichts, wenn man sich hinsetzt und versucht halbgare Lösungen zu verkünden, an die man sich nicht halten kann. Dann macht man sich noch unglaubwürdiger.
SWR Aktuell: Das heißt, Sie wollen im November eine Bürgerversammlung anbieten?
Otto Rubly: Das ist Angelegenheit der Stadt Kusel. Aber ich weiß, dass überlegt wird, mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Gespräch zu führen. Auch da werden wir am Montag darüber reden. Wir dürfen keine Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern haben. Das Gegenteil muss der Fall sein: Wir müssen transparent sein und müssen mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen. In vielen Gesprächen, die ich bislang geführt habe, ist auch in vielen Bereichen Verständnis da. Kein Verständnis ist allerdings dafür da, wenn man sagt, es geht immer noch mehr.
SWR Aktuell: Welchen Einfluss hat ein Landrat überhaupt, wenn es um das Thema Zuweisung von Flüchtlingen geht?
Rubly: Wir müssen hier differenzieren: Wenn es im Landkreis um die Verteilung der Flüchtlinge geht, die den Kommunen zugewiesen werden, hat er gar keine Möglichkeit. Das ist ein festgelegter Schlüssel. Da wird zugeteilt. Beim Thema Erstaufnahmeeinrichtung werden wir zum Teil gefragt, insbesondere der Standort wird gefragt. Aber im Endeffekt ist das Land auch da zuständig.
Das hier ist ein ehemaliger Bundeswehrstandort, den die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an das Land vermietet hat. Da hat der Landkreis kaum eine Einflussmöglichkeit, da hat die Stadt kaum eine Einflussmöglichkeit - außer politische. Und diese werden wir - da bin ich überzeugt - nutzen, um dort bessere und sozialverträglichere, akzeptablere Lösungen zu bekommen.
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