Fotos in Schwarz-Weiß, Pfeile und Namen kleben auf dem Plakat. "Leon Bogacki, geboren April 1938" steht unterhalb des Stammbaums, den Celine Nicolaus aufgeklebt hat. "Er war gerade mal sechs Monate alt", murmelt die Schülerin. Der Säugling und seine ganze Familie aus Pirmasens sind dem Holocaust zum Opfer gefallen. Das haben ihre Recherchen ergeben.
Schüler gehen Schicksal der Juden in Pirmasens nach
Über Monate haben Celine Nicolaus und ihre Freundinnen versucht herauszufinden, was der jüdischen Familie Bogacki widerfahren ist. Der Rest der 10a der Käthe-Dassler-Realschule-plus hat Nachforschungen zu anderen Verfolgten aus Pirmasens angestellt.
Die Teenager haben Akten gewälzt, die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem um Archiv-Material gebeten und auch mit Nachkommen der Holocaust-Opfer Kontakt aufgenommen. Das Ergebnis wird zur Zeit in der Pirmasenser Lutherkirche ausgestellt.
"So ein großes Projekt habe ich mit meiner Klasse noch nie gemacht", sagt Klassen- und Geschichtslehrerin Lisa Graff.
Dass ihre Klasse so viel Elan und Herzblut in die Recherchen gesteckt und viel Freizeit dafür geopfert hat, habe sie beeindruckt.
Befreiung des KZ Auschwitz jährt sich zum 80. Mal
Anlass für das Projekt sei der 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Im Vorfeld war Karola Streppel auf die Lehrerin zugekommen.

Streppel, selbst Sprecherin des "Arbeitskreises jüdisches Leben in Pirmasens", beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte Pirmasenser Jüdinnen und Juden. Ihre Idee: Die Wander-Ausstellung zur "Polen-Aktion" der Nazis nach Pirmasens holen – diese beleuchtet die erste große Deportations-Welle im Herbst 1938.
Die Schüler sind fassungslos, dass sich erst so spät jemand für die Geschichten dieser Menschen interessiert.
Ihre Recherchen hätten den Schülern aufgezeigt, wie wenig in 75 Jahren Demokratie aufgedeckt worden sei, so Streppel. Das Schulprojekt habe sich "entwickelt" und sei deshalb auch Teil der Ausstellung geworden.
Tag jährt sich zum 80. Mal Befreiung des KZ Auschwitz: Erinnerung in Mainzer Synagoge und anderen Orten in RLP
Vor 80 Jahren wurde das KZ Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Zum Jahrestag wird in Rheinland-Pfalz vielerorts an die Verbrechen des NS-Regimes erinnert und der Opfer gedacht.
Zahlreiche Schulklassen anderer Schulen hat die 10a in den vergangenen Tagen durch "ihre" Ausstellung geführt. Schüler Tobias Burkhardt und seine Gruppe haben sogar eine Original-Audio-Aufnahme eines Pirmasenser Juden aufgetan – durch den Kontakt mit einem Nachfahren.
Diese Leute haben hier in Pirmasens gewohnt, ganz in der Nähe, wo ich heute wohne.
Mehr über die individuellen Schicksale der Deportierten zu erfahren, das habe dem Jugendlichen eine neue Perspektive auf die Geschichte der Nazis gegeben. Mitschüler Laurenz Krebs sieht das ähnlich: "Mir ist die Schwere des Themas viel bewusster als vorher."
Auf die Realschule-plus gehen Schüler ganz unterschiedlicher Kulturen. Geschichtslehrerin Lisa Graff hofft, das Projekt trage seinen Beitrag dazu, "dass das nie wieder passiert".