Am sogenannten "Orange Day", am 25. November, wird international dazu aufgerufen, sämtliche Gewalt an Frauen und Mädchen zu bekämpfen. Auch für viele Frauen in Rheinland-Pfalz ist Gewalt alltäglich. Nach Angaben der Landeskriminalpolizei Rheinland-Pfalz (LKA) gab es 2023 9.662 Fälle von häuslicher Gewalt gegen Frauen - deutlich mehr als noch vor fünf Jahren (8.962). Zudem wurden 28 Femizide registriert – also Fälle, bei denen ein Mädchen oder eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet worden ist oder der Täter es versucht hat. Dazu kommen Fälle sexualisierter Gewalt und das stark ansteigende Problem digitaler Gewalt gegen Frauen.
Gewalt an Frauen: Verbände in RLP schlagen Alarm
Frauenhilfe-Verbände im Land schlagen schon seit langem Alarm. Denn Anlaufstellen und Frauenhäuser sind chronisch unterfinanziert. Sie hoffen, dass das auf der Kippe stehende Gewalthilfegesetz der Bundesregierung doch noch verabschiedet wird.
Dafür will sich auch das rheinland-pfälzische Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration (MFFKI) einsetzen. Aus Sicht der Betroffenen sei das Gesetz ein Meilenstein im Gewaltschutz, so das Ministerium: "Jede und Jeder könnte diese Unterstützung kostenfrei in Anspruch nehmen. Dies ist zurzeit leider nicht der Fall."
Darüber hinaus arbeitet die Landesregierung nach eigenen Angaben an einem eigenen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, der im Januar im Ministerrat besprochen werden soll.
Frauenhäuser oft voll belegt
Frauenhäuser: Akute Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt bieten die 18 Frauenhäuser im Land. Ein Weiteres entsteht zurzeit in der Eifel. Nach Vorgaben der Istanbul-Konvention müsste Rheinland-Pfalz eigentlich knapp 420 Plätze für gewaltbetroffene Frauen vorhalten. Tatsächlich werden es bis zum Ende des Jahres nach Angaben der Landesregierung aber nur 164 Frauenhaus-Plätze sein.
Wie viele Plätze fehlen, zeigt auch eine Statistik des Frauenhauses Trier. Im Jahr 2023 gingen dort 191 Notrufe ein, berichtet Mitarbeiterin Claudia Berlingen. Daraus ergaben sich aber lediglich fünf sofortige Aufnahmen ins Frauenhaus, mit den anderen Frauen musste erst ein Fluchtplan entwickelt werden. Einige von ihnen mussten aus Sicherheitsgründen an ein anderes Frauenhaus oder zunächst an andere Fachstellen vermittelt werden.
Zufluchtsort für Frauen und Kinder 30 Jahre Frauenhaus in Trier: Schutzraum nötiger denn je
Geschlagen, bedroht, missbraucht. Seit 30 Jahren bietet das Frauenhaus Trier Frauen und Kindern Schutz. Die Arbeit hat sich geändert, der Bedarf nicht.
Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch in Bad Kreuznach ab. Laut der Leiterin des dortigen Frauenhauses haben im vergangenem Jahr knapp 150 Frauen einen Platz für die sieben zur Verfügung stehenden Familienzimmer angefragt. 115 Frauen mussten abgelehnt werden. Durch ein Rheinland-Pfalz-weites Ampel-System, bei dem auf einer Karte die Auslastung in den Frauenhäusern angezeigt wird, haben sich die Anfragen in Bad Kreuznach zwar etwas verringert. Trotzdem seien 115 Ablehnungen einfach viel zu viel, so die Leiterin.
Frauenhaus endlich auch in der Eifel
Ende November soll das Frauenhaus in der Eifel eröffnen. Es bietet Platz für zehn Frauen und ihre Kinder. In der Vergangenheit mussten Frauen aus der Eifel in den Frauenhäusern in Koblenz und Trier anfragen und wurden oft abgewiesen.
Häusliche Gewalt: In RLP helfen Präventions- und Beratungsstellen
Doch Betroffene von Gewalt bekommen auch an anderer Stelle Hilfe: Zahlreiche Fachberatungsstellen sind spezialisiert auf die Beratung von Opfern unterschiedlichster Gewaltformen. Hinzu kommen Angebote, die noch früher ansetzen. Sie richten sich gezielt an Männer, die in der Vergangenheit zu Tätern geworden sind, oder erst gar nicht dazu werden wollen.
Frauen-Notruf: Für manche Betroffene von sexuellen Übergriffen ist das Aufsuchen einer Beratungsstelle vor Ort eine Hürde. Der erste Schritt kann der Anruf bei einem Frauen-Notruf sein. Das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist rund um die Uhr unter 116 016 und via Online-Beratung erreichbar, für Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung. Eine Übersicht über die Frauen-Notrufe in RLP ist hier verlinkt.
Interventionsstellen: Interventionsstellen bieten Hilfe für Betroffene von Gewalt in engen sozialen Beziehungen. Auch bei Stalking, also dem beharrlichen Nachstellen und Belästigen im realen und digitalen Raum, können sie Opfer beraten und an andere Unterstützungsangebote weitervermitteln
Selbstverteidigungskurse: Vielerorts in RLP werden Kurse speziell für Frauen angeboten, so auch in einer Mainzer Taekwondo-Schule. Der Kurs soll ein "Safespace" für Frauen sein, sagt Kursleiterin Lena Hofmann, die den Kurs vor etwa drei Monaten ins Leben gerufen hat.
Hier lernen die Frauen aus unterschiedlichsten Altersgruppen nicht nur Techniken, wie sie selbstbewusster auftreten, sondern auch, wie sie sich als oft körperlich unterlegene Person trotzdem gegen Männer wehren können. Gerade die Fitness werde trainiert, denn: "Die beste Verteidigung ist immer noch, wenn ich schnell weglaufen kann", sagt Hofmann.
Gewalt gegen Frauen stoppen Mainzerinnen lernen, sich gegen Männer zu wehren
In ganz Rheinland-Pfalz nimmt Gewalt gegen Frauen zu. Eine Mainzer Taekwon-Do-Schule bietet Frauen Kurse an, in denen sie lernen, sich zu wehren. Und das nicht nur körperlich.
Frühzeitige Aufklärung für Kinder und Jugendliche
Vielerorts gibt es auch Angebote, die sich speziell an Kinder und Jugendliche richten, beispielsweise im Kreis Trier-Saarburg. Die dortige Fachstelle zur Gewaltprävention und Mädchenarbeit des Jugendnetzwerks Konz bietet unter anderem Projekte und Trainings rund um das Thema Gewaltprävention an. Dabei werden die Kinder für verbale und körperliche Gewalt, sowie Mobbing und Diskriminierung sensibilisiert.
Auch für Schulen werden solche Kurse angeboten, zum Beispiel vom Frauenhaus Speyer. Durch die regelmäßigen Workshops werde das sensible Thema Gewalt geöffnet, sagt Leiterin Silvia Bürger: "Es hat sich gezeigt, dass sich durch die Workshops betroffene Kinder tatsächlich bei uns gemeldet haben und von Gewalt in ihrer Familie erzählt haben." Das sei wichtig, denn: "Die gewaltbetroffenen Kinder sind meist die Opfer oder Täter von morgen", so Bürger.
Pro familia in Trier bietet Kurse für Grundschüler der vierten Klasse an, in denen es um Aufklärung und sexuelle Bildung geht. Die Kinder sollen dabei sensibilisiert werden, dass sie selbst über ihren Körper bestimmen dürfen und sollen lernen, Grenzen zu setzen. Das soll sie vor ungewollten Berührungen und potentiellen Übergriffen schützen. Außerdem bildet pro familia Erzieherinnen und Lehrerinnen in Kitas und Schulen in Sexualpädagogik weiter.
Start ins neue Leben Frauen schneller aus der Gewalt holen: Suche nach Wohnraum
Für Frauen, die einen gewalttätigen Mann verlassen wollen, ist der Schritt ins neue Leben oft schwer. Das Mainzer "Second-Stage-Modell" soll die Suche nach Wohnungen erleichtern.
Tätern helfen, um Opfer zu schützen
Kurse für Täter: Mittlerweile gibt es an einigen Stellen in Rheinland-Pfalz Angebote für Männer, die in ihrer Beziehung gewalttätig geworden sind. Ein solches Angebot bietet die Beratungsstelle "Contra Häusliche Gewalt" an, die an neun Standorten in Rheinland-Pfalz tätig ist. Täterarbeit sei Opferschutz. Denn um künftige Vorfälle zu verhindern, müsse man sich auch um die gewalttätigen Partner kümmern, so Jonas Marx von "Contra" in Landau.
In den Beratungsstellen können Männer lernen, wie sie anders auf Konflikte reagieren und Gewaltspiralen erkennen. Sowohl in Gruppentherapie als auch in Einzelgesprächen soll ihnen gezeigt werden, wie ein Leben ohne Gewalt möglich ist. "Und das ist alles anonym", so Marx. "Teilnehmer können sich sicher sein, dass alles im geschützten Raum stattfindet." Neben Männern, die von sich aus am Programm teilnehmen, gibt es auch viele, die eine Beratungsauflage von der Justiz und der Polizei bekommen haben.
Unterstützung für benachteiligte Frauen
Auch für besonders vulnerable Frauen gibt es Hilfe. So ist das Café Haltepunkt in Trier ein offenes Angebot für Frauen, besonders für solche, die wohnungslos oder davon bedroht sind. Träger ist der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Die meisten der Besucherinnen hätten Gewalterfahrungen gemacht, berichtet Regina Bergmann vom Träger SkF. Die Frauen können sich im Café beraten lassen oder einfach bei Kaffee, Tee und Freizeitangeboten anderen Frauen begegnen. Vor Ort sind ehrenamtliche Begleiterinnen, die ein offenes Ohr haben. In diesem Jahr haben schon etwa 700 Frauen das Café besucht.
Das Haus Maria Goretti bietet stationäre Hilfen für wohnungslose und psychisch kranke Frauen an. Die Einrichtung hat 32 Plätze. Die Frauen leben dort in kleinen Wohngruppen maximal zu fünft. Damit sie Privatsphäre haben, leben die Frauen in Einzelzimmern. Außerdem gibt es Einzelappartements für Frauen, die nicht in Gruppen leben können. Möglich ist auch, in einer Außenwohngruppe zu leben und im geschützten Rahmen zu erproben, selbstständig zu leben.