Eine Frau, die in den eigenen vier Wänden Gewalt erlebt hat, ist Peggy Müller. Sie heißt eigentlich anders, aber aus Sicherheitsgründen möchte sie anonym bleiben. Müller zog vor drei Jahren mit ihren zwei Kindern von Sachsen zu ihrem neuen Partner nach Baden-Württemberg. Sie hatten sich über ein Dating-Portal kennengelernt. Beide waren alleinerziehend und hatten zwei Kinder. Nach langen Telefongesprächen und einigen Besuchen schien Peggy Müller den perfekten Partner, ihren Traummann, gefunden zu haben. "Er war liebevoll und aufmerksam und hat Geschenke mitgebracht. Und da habe ich gesagt: das ist der perfekte Mann", erinnert sich Peggy Müller.
Psychische Gewalt wird zum täglichen Begleiter
Ihr Wunsch nach einer glücklichen Beziehung schien in Erfüllung gegangen zu sein und sie beschloss, ihr altes Leben aufzugeben. Die Suche nach einem gemeinsamen Haus schien nur der folgerichtige Schritt. Doch bereits beim Einzug begannen die ersten Probleme. Sie sollte alte Freunde aufgeben, am besten die Telefonnummern löschen. Ihr neuer Partner bestimmte, wie Möbel aufgestellt oder Bilder aufgehängt werden sollten. Ihre Vorschläge wurden vom Tisch gewischt. Sie ging auf seine Anweisungen ein, wollte keinesfalls mit "kleinlichen Bemerkungen" ihr junges Glück stören. Doch mit der Zeit entpuppte sich ihr Partner als Tyrann und ihr Neuanfang wurde allmählich zum Albtraum.
Spirale aus Isolation, Manipulation und Kontrolle
Doch Peggy wollte in der neuen Heimat Kontakte knüpfen, fühlte sich einsam. Als sie heimlich eine Nachbarin zum Kaffee einlud und er davon erfuhr, bedrohte er sie. Doch warum hat sich Peggy nicht schon damals von ihrem Partner getrennt? Sie habe Angst gehabt, mit den Kindern auf sich allein gestellt zu sein, sagt sie heute im Rückblick. Sie hoffte damals, dass sich alles zum Guten wenden und die Hoffnung auf Geborgenheit erfüllt werden würde. Peggy tat alles, um den Hausfrieden nicht zu gefährden. Sie fand Arbeit, zahlte die Hälfte der Miete, machte den Haushalt, versorgte die Kinder und geriet immer mehr in eine Spirale der Isolation, Manipulation und Kontrolle.
Auch ihre Kinder litten unter der Beziehung. Sie flüchteten ins obere Stockwerk, sobald ihr Partner nach Hause kam. Ihr zwölfjähriger Sohn ließ seine Wut und seinen Frust in der Schule aus. Mit der 18-jährigen Tochter gab es zuhause immer häufiger Streit. "Manchmal stellte er einfach den Strom ab", erzählt die 47-Jährige, "dann saßen wir alle im Dunkeln". Als die Tochter auszog, wollte er Peggy jeden weiteren Kontakt zu ihr verbieten. "Meine Tochter durfte nicht ins Haus, durfte mich nicht besuchen. Das war alles schlimm", erzählt die Alleinerziehende und weint. "Als ich ihr einmal vor unserer Haustür etwas zu Essen gab, kam er mit einem Schlagstock."
Lagebericht "Häusliche Gewalt" vorgestellt Gewalt innerhalb von Familien und Partnerschaften nimmt zu
Viele Opfer von häuslicher Gewalt schweigen: Teils aus Scham oder aus purer Angst. Sie sollen in Zukunft bestärkt werden, die Taten anzuzeigen. Denn die nehmen laut einem aktuellen Bericht zu.
Am Wendepunkt: Peggy Müller sucht sich Hilfe
Peggy Müller überwand ihre Angst und suchte für sich und ihre Kinder Hilfe beim Verein "Frauen helfen Frauen" in Esslingen. "Unsere Aufgabe ist, die Frauen, die zu uns kommen, aufzufangen, praktische Hilfe anzubieten und die Muster der Gewaltspirale zu erklären", sagt Semrah Dogan.
Semrah Dogan musste auch Peggy Müller jegliche Illusion rauben, dass es besser werden könnte. Es sei schwer sich einzugestehen, dass die Realität so ist, wie sie ist. Das tue erstmal weh, erklärt Dogan.
Nach Trennung nochmal neu angefangen
Peggy Müller hat sich vor einigen Monaten von ihrem Partner getrennt. Sie lebt mit ihrem Sohn in einer eigenen Wohnung, hat einen festen Arbeitsplatz und wieder eine gute Beziehung zu ihrer Tochter. "Alleine, ohne die Hilfe des Vereins, hätte ich das nie geschafft", sagt sie. "Ich sage es jeder Frau, ihr schafft es alle, wenn ihr euch Hilfe von außen sucht. Ansonsten geht man seelisch kaputt."