Große Proteste im Laufe der Zeit

68er, Frauenbewegung, Anti-Akw: Diese Demos haben den Südwesten geprägt

Stand
Autor/in
Andrea Lischtschuk

In den vergangenen Jahrzehnten zog es viele Menschen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und ganz Deutschland zu verschiedenen Anlässen auf die Straßen. Ein Überblick:

Studentenbewegung in den 1960er Jahren

Die Studentenbewegung war die erste große Protestbewegung in Deutschland. Sie nahm ihren Ursprung in den USA und richtete sich dort gegen den Vietnamkrieg. In Deutschland gingen die Studierenden zunächst für bessere Studienbedingungen auf die Straßen. Nachdem jedoch 1966 die erste Große Koalition aus CDU/CSU und SPD zustande kam, wurde auch gegen die Politik demonstriert. Wöchentlich gab es diverse Kundgebungen, die sich gegen die Regierung, den Einfluss des Springer-Verlags (u. a. BILD, Welt) auf die öffentliche Meinung und den Umgang Deutschlands mit der nationalsozialistischen Vergangenheit richteten.

1968 protestierten hunderte Menschen in Stuttgart.
1968 protestierten hunderte Menschen in Stuttgart.

Neue Welle der Frauenbewegung

Ab 1968 hat die Frauenbewegung neuen Schwung gewonnen. Den Anfang nahm sie durch einen Tomatenwurf von Sigrid Rüger bei einem Delegiertenkongress des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Zuvor hatte Heike Sander, Sprecherin des Aktionsrates zur Befreiung der Frau, den SDS bezüglich der Diskriminierung der Frau kritisiert. Weil diese darauf nicht eingehen wollten, warf Rüger schließlich Tomaten in Richtung Vorstandstisch und trat damit eine Welle von Protesten los. 1971 folgte der nächste Mobilisierungsschub: eine Kampagne gegen den Paragraf 218, der Abtreibungen strafbar machte.

Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre

Anfang der 1970er Jahre hatte Atomenergie weiter an Bedeutung gewonnen. 1975 ging im hessischen Biblis das bis dato leistungsstärkste Atomkraftwerk ans Netz. Atomkraftgegner bezeichneten die Technik als störanfällig und teuer. Die kritische Öffentlichkeit wurde noch lauter, nachdem in den USA im AKW Browns Ferry ein Brand ausgebrochen war. Jeder AKW-Neubau ließ die Kritik weiter anwachsen. Im baden-württembergischen Whyl kam es 1975 zu einem erfolgreichen Protest: Bauern und Bewohner hatten gegen den Bau eines Atomkraftwerks in dem Winzerort demonstriert. Das Ergebnis: Das AKW wurde nicht gebaut.

Protest in Whyl
Protest im baden-württembergischen Whyl im Jahr 1975.

Proteste gegen die Startbahn West

1980 wurden Pläne bekannt, dass der Frankfurter Flughafen eine neue Startbahn bekommen soll. 129 Hektar Wald sollten dafür gerodet werden. Dieses Vorhaben stieß in der Bevölkerung auf enormen Widerstand - doch leider ohne Erfolg. Ein Hüttendorf mit Demonstrierenden wurde 1981 gewaltsam geräumt. Auch nach dem Bau kam es noch zu Protesten. 1987 eskalierte ein jährlicher Protest, als Demonstrierende Blockaden errichteten und Molotowcocktails auf die Polizeikräfte warfen. Als die Polizei versuchte, das Gelände zu räumen, zog ein Demonstrant eine Pistole. Er traf neun Beamte, zwei erlagen den Verletzungen.

Hunsrücker Friedensbewegung gegen Atomwaffen

Auf der ehemaligen Raketenstation Pydna wird jedes Jahr das Techno-Festival Nature One gefeiert. 1986 war dieser Ort der Schauplatz einer großen Friedensbewegung. 180.000 Menschen protestierten hier friedlich gegen die Aufrüstung, gegen Atomwaffen und deren Stationierung in Deutschland.

Proteste gegen den Irak-Krieg

Springen wir in die 2000er Jahre. 2001 ist das Bild der einstürzenden Zwillingstürme in New York um die Welt gegangen. Weltweit solidarisierten sich die Menschen mit den USA und billigten deren Angriff auf das von den Taliban beherrschte Afghanistan, wo der Anschlag von dem islamistischen Netzwerk Al-Qaida organisiert wurde. Doch als die USA 2003 den Irak angriffen, regte sich weltweit Widerstand. Hunderttausende gingen in Deutschland auf die Straßen. 2003 nahmen in Berlin 500.000 Menschen an einer Demo teil - die bis dato größte Demo in ganz Deutschland.

Fridays For Future

Seit 2018 finden weltweit an vielen Freitagen Demonstrationen der Klimabewegung Fridays For Future statt. Es ist eine Protestbewegung von Schülern und Schülerinnen und jungen Menschen, die weltweit auf die Klimakrise aufmerksam machen möchte und sich für mehr Klimaschutz einsetzt. Die Schüler und Schülerinnen organisieren ihre Protestmärsche während der Schulzeit, damit ihre Forderungen mehr Gehör bekommen. Der Klimastreik am 20. September 2019 wurde von Fridays For Future als "größter Klimastreik der Geschichte" bezeichnet. Unter dem Motto #AlleFürsKlima gingen laut der Organisation deutschlandweit an 575 Orten 1,4 Millionen Menschen auf die Straßen.

Demos gegen rechts

Im Januar 2024 stand ein altbekanntes Thema auf der Agenda der Proteste: Rechtsextremismus. Nachdem das Recherchezentrum Correctiv ein Treffen von Rechtsextremisten mit Beteiligung von Politikern und Politikerinnen der AfD und CDU im November 2023 aufgedeckt hatte, beteiligten sich hunderttausende Menschen an Demonstrationen gegen rechts. Am Wochenende vom 20. und 21. Januar waren laut Polizeiangaben mehr als 900.000 Menschen in ganz Deutschland auf den Straßen.

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Andrea Lischtschuk