Gunther Schneider will nicht mehr. Er ist Bürgermeister in Altleinigen, einem idyllischen 1.800-Seelen-Ort in der Pfalz. Zur Kommunalwahl am 9. Juni tritt er nicht mehr an. Auch sein Beigeordneter und Stellvertreter Frank Dennhardt gibt auf.
Bürgermeister in Altleiningen - das ist ein Ehrenamt. Doch sie seien wie gelähmt in ihrem Amt, erzählen die beiden. Einer der Gründe: die Bürokratie. Nichts ließe sich mehr einfach umsetzen. Seit sage und schreibe 24 Jahren planen sie ein Neubaugebiet in der Gemeinde. Doch bislang steht kein einziges Haus.
Bürokratiefrust und hohe Schulden
Viele Vorschriften, lange Bürokratieprozesse: Aktuell hängt es an einer fehlenden Ausgleichfläche, für die keine Grundstücke verfügbar sind, weil die Gemeinde von dichtem Wald umgeben ist. Dazu kommt der finanzielle Frust. Altleiningen ist hochverschuldet, alle Ausgaben müssen von der Kommunalaufsicht genehmigt werden.
Im schlimmsten Fall dürfen sie bald kein Geld mehr für den Winterdienst, den Friedhof oder Dorffeste ausgeben. Schneider zieht jetzt die Konsequenzen und gibt auf. "Resignation. Das ist auch mit ein Grund, warum ich für das Amt nicht kandidieren werde. Weil das bisschen, was noch Spaß macht, kriegt man dann genommen."
Keine Kandidierenden - keine Auswahl
So wie ihm geht es vielen ehrenamtlichen Amtsträgerinnen und -trägern in Rheinland-Pfalz. Anders als im Nachbarland Baden-Württemberg sind die meisten ehrenamtlich tätig. Zu Arbeitsbelastung, leeren Kassen und Bürokratiefrust kommen dann auch noch zunehmende persönliche Anfeindungen hinzu.
Das hat Folgen wie eine SWR-Umfrage zeigt: In einem Fünftel aller Gemeinden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es keine Kandidatin/keinen Kandidaten für das Amt des Ortsbürgermeisters. In zwei Dritteln der Gemeinden gibt es nur eine Kandidatin/einen Kandidaten. Die Bürger haben also gar keine echte Wahl, können nur zwischen "Ja" oder "Nein" entscheiden.
Anfeindungen gegen Amtsträger nehmen zu
Gleichzeitig scheinen Amtsträger immer mehr zur Projektionsfläche für den angestauten Frust von Bürgerinnen und Bürgern zu werden. Verbale Angriffe, böse Briefe und Hass in sozialen Medien - damit hat Florian Bauer gelernt umzugehen. Doch der hauptamtliche Bürgermeister in St. Johann, einer Gemeinde auf der Schwäbischen Alb, erhielt auch üble Morddrohungen.
Er hat den anonymen Briefschreiber angezeigt und macht weiter als Bürgermeister. Viele Andere nicht mehr. "Es geht von Burn-out, Herzinfarkt bis zu Schlaganfällen. Wo die sagen, es geht einfach nicht mehr", erzählt Bauer von Kollegen, die aufgegeben haben.
"So eine Art der Auseinandersetzung führt zum Ende der Demokratie", warnt eindringlich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). "Zum Schluss macht das niemand mehr. Und zum Schluss funktioniert dann unser Gemeinwesen nicht mehr", so Kretschmann.
Bürokratiefrust, Finanznot, persönliche Angriffe, immer weniger Bewerberinnen und Bewerber - das alles bedeutet auch immer weniger Auswahl bei der Kommunalwahl. Eine Mischung, die durchaus die Demokratie in den Dörfern bedroht.
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