Erstes Rededuell bei "Zur Sache! BW Extra"

Vorgeschmack auf Wahlkampf: Hagel attackiert Özdemir für grünen Migrationskurs

Stand

Von Autor/in Henning Otte

Noch gut ein Jahr bis zur Landtagswahl: Erstmals sind die voraussichtlichen Rivalen um die Kretschmann-Nachfolge im SWR aufeinandergetroffen. Ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf.

Es war das erste Rededuell der wahrscheinlichen Konkurrenten um das Amt des Ministerpräsidenten: Cem Özdemir, noch Grünen-Minister in Berlin für Landwirtschaft und Ernährung, und Manuel Hagel, Partei- und Fraktionschef der CDU, sind am Montagabend - einen Tag nach der Bundestagswahl - in einer Talkrunde in der SWR-Sendung "Zur Sache! Baden-Württemberg - Extra" aufeinandergetroffen. Mit dabei waren auch Andreas Stoch für die SPD, Markus Frohnmaier für die AfD und Hans-Ulrich Rülke für die FDP. Aber die große Frage war: Wie gehen Özdemir, der aus Berlin zugeschaltet war, und Hagel miteinander um - schließlich regieren Grüne und CDU in Stuttgart gemeinsam.

Kann Özdemir den Trend weg von den Grünen noch drehen?

Die erste Frage bekommt der 59-jährige Özdemir. Ob er denn noch eine Chance bei der Landtagswahl in gut einem Jahr sehe, schließlich seien die Grünen bei der Bundestagswahl abgesackt und die CDU der große Sieger. Özdemir erinnert daran, dass seine Partei unter Kretschmann auch gegen den Bundestrend Wahlen in BW gewonnen habe. "Wir haben das dann gedreht bekommen." Dass die CDU BW auch verstärkt die Grünen kritisiert, nimmt er gelassen. "Wenn der eine über die Stränge schlägt, muss es der andere nicht auch machen."

Özdemir wird sich die gesamte Sendung an diese Maxime halten. Er kommt auf die Bundestagswahl zu sprechen: "Hand aufs Herz: Der eigentliche Sieger ist die AfD. Alle Parteien sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben." Die demokratische Mitte müsse aufpassen, "dass nicht Putin-Freunde durch die Decke schießen". Der Streit dürfe jetzt nicht mehr im Mittelpunkt stehen.

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Grüner setzt Ton gegenüber Wahlsieger AfD

Özdemir setzt damit den Ton gegenüber dem AfD-Vertreter Frohnmaier, der sich etwas später wehrt und auf das starke Ergebnis seiner Partei bei der Bundestagswahl verweist. "Man muss die Wähler ernstnehmen und nicht beleidigen", sagt er. Vor allem SPD-Landeschef Stoch reißt da die Hutschnur. "Sie sind kein Demokrat", ruft er Frohnmaier zu. Die AfD werde als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet. "Bitte lassen Sie uns in Ruhe mit ihren platten Sprüchen." 

Hagel hält nichts von Lichterketten gegen AfD

Hagel schlägt gegenüber der AfD einen etwas anderen Ton an. Er hält Frohnmaier vor, die Wählerinnen und Wähler der AfD in "Sippenhaft" zu nehmen. Niemand verurteile die Wählerinnen und Wähler der AfD. "Diesen Menschen wollen wir einen Weg zurück bauen in die politische Mitte dieses Landes. Wir wollen die AfD schlagen, aber wir schlagen die AfD nicht mit Lichterketten. Wir schlagen die AfD nur, wenn wir die Probleme lösen."  

Özdemir kommt "ohne Rückfahrkarte" nach BW

Als alle Politiker gefragt werden, ob sie sich das Amt des Ministerpräsidenten zutrauen, heben alle die Hand. Özdemir soll erklären, wie er sich vom grünen Amtsinhaber Kretschmann unterscheide. "Man muss Winfried Kretschmann verstehen, aber nicht kopieren", sagt er. Es brauche jemand mit Erfahrung in der Regierungszentrale.

Er habe sich "ohne Rückfahrkarte" für BW entschieden. "Ich will in den nächsten Landtag von Baden-Württemberg", betont er. Er müsse jetzt noch seinen Job als Minister der übriggebliebenen Regierung aus SPD und Grünen zu Ende bringen. "Ich werde dann meine Zelte in Berlin abbrechen, wenn ich als Minister fertig bin." 

Hagel erklärt indirekt Bereitschaft zur Spitzenkandidatur

Anders als Özdemir hat Hagel noch nicht offiziell erklärt, ob er als Spitzenkandidat zur Landtagswahl antreten will. Seine Kandidatur gilt aber als sicher. An diesem Abend geht er der Frage zunächst aus dem Weg und sagt dann, es sei gute Tradition bei der CDU, dass sich der Fraktionsvorsitzende im Landtag auch zutraue, die Regierung zu führen. "Die Ambition, die habe ich auch." Über die Spitzenkandidatur entscheide aber ein Parteitag im Frühjahr.

Der 36-Jährige versucht zudem den Bedenken entgegenzutreten, er sei zu jung für den Regierungsjob. Er habe schon viel politische Erfahrung gesammelt. Wichtig sei, dass man am Ende auch die Courage habe, zu entscheiden. Und dann die nächste Spitze gegen Özdemir, der ja demnächst erstmal keinen politischen Job mehr haben wird: "Von uns wird es nicht ein Jahr Dauerwahlkampf geben. Es wird noch ein Jahr was geschafft."  

CDU-Landeschef hält Özdemir bei Migration für unglaubwürdig  

Hagel wirft Özdemir vor, in der Migrationspolitik nicht glaubwürdig zu sein. Die BW-Landesregierung habe im Herbst über einen Antrag im Bundesrat und Initiativen gegenüber der damaligen Ampel-Bundesregierung versucht, eine stärkere Begrenzung der Zuwanderung zu erreichen. Diese seien dann vom Bundeskabinett und der Grünen-Bundestagsfraktion, denen der Bundeslandwirtschaftsminister angehöre, "wegplaniert worden. Von daher gibt es da eine saubere Diskrepanz zwischen dem, was wir hier getan haben, und zwischen dem, was in Berlin getan worden ist."

Özdemir bestritt kurz davor, dass die Grünen beim Thema Migration gespalten seien. Der Minister verweist auf den Bundesratsantrag der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, in dem "sehr kluge Vorschläge" zur Begrenzung der irregulären Migration gemacht worden seien. Allen drei Regierungen gehören die Grünen an. Das Problem sei, dass gut integrierte Menschen aus Deutschland abgeschoben würden, während man die eher wenigen Intensiv-Straftäter nicht aus dem Land bekommen. "Das muss man andersrum machen." 

Grünen-Minister will klare Kante bei irregulärer Zuwanderung

Der Grüne betont: "Wer mich kennt, weiß, dass ich da schon seit vielen Jahren sehr klar bin in der Frage." Özdemir fügt hinzu: "Das sage ich gerade, weil mein Name ja so ein Ützelbrützel-Name ist, jetzt nicht schon immer sich so anhört, als wenn er urschwäbisch gewesen wäre." Man müsse die Migrationspolitik grundlegend ändern. "Dann kriegen wir auch immer Zustimmung in der Bevölkerung. Die Menschen sind nicht ausländerfeindlich. Sondern die Menschen sagen, es braucht eine Regelung, es braucht eine Steuerung, es braucht eine Ordnung. Dafür stehe ich." 

AfD kritisiert Merz: Wahlversprechen schon gebrochen

AfD-Landeschef Frohnmaier hält der CDU und deren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz vor, bei der Migrationspolitik nicht Wort zu halten. "Heute kann man lesen, dass Herr Merz, der in den Wahlkampf gezogen ist mit dem Versprechen, die Grenzen zu sichern und zu schützen, gesagt hat, dass damals niemand darüber geredet hätte, Grenzen zu schließen. Daran kann er sich jetzt schon nicht mehr erinnern. Das hat nicht mal den Wahlabend überdauert." Frohnmaier sagt, die AfD werde nach den Zuwächsen bei der Wahl weiter davon profitieren, "weil diese Union nicht eines der Wahlversprechen halten können wird, das gegeben worden ist, weil auch die Partner dazu fehlen". 

Unions-Kanzlerkandidat will Zurückweisungen auf Zeit

Merz hatte nach dem klaren Unions-Sieg bei der Bundestagswahl erklärt, er wolle Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, sie sollen aber befristet sein. "Ich halte es aus verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründen für möglich und sogar für notwendig, dass wir diese Zurückweisungen auf Zeit in Europa, an den deutschen Grenzen ermöglichen."

Er sei sicher, dass die SPD, mit der er eine neue Bundesregierung bilden will, sich nicht der Einsicht verschließen werde, "dass wir hier einen gemeinsamen Weg gehen". Die SPD hatte unter anderem europarechtliche Bedenken gegen einen von Merz im Wahlkampf geforderten faktischen Einreisestopp für irreguläre Einreisen auch von Schutzsuchenden nach Deutschland deutlich gemacht. Der CDU-Chef sagte: "Niemand von uns will die Grenzen schließen."

SPD-Landeschef: Haben keine Zeit für Selbstmitleid 

Wie wird die SPD mit der Forderung nach schnellen Koalitionsverhandlungen umgehen? "Wir haben keine Zeit, um in Selbstmitleid zu zerfließen. Das Land braucht eine starke Regierung", sagt SPD-Landeschef Stoch. Gleichwohl habe Merz stark polarisiert, sodass es bei den Sozialdemokraten schon eine Diskussion gebe, ob man überhaupt in eine Regierung mit dem CDU-Chef gehen wolle. "Man muss sich die Zeit auch lassen. Ich möchte keine Koalition, die nur den kleinsten gemeinsamen Nenner definiert." Beiden Parteien müsse klar sein, dass sie keine "ellenlangen Listen mit roten Linien" mitbringen dürften.

Liberaler Rülke will erstmal nicht mit Özdemir wandern gehen

Derweil richtet die FDP nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl den Blick bereits auf die Landtagswahl und eine mögliche Koalition danach. Fraktionschef Rülke betont, die FDP BW sei am Sonntag immerhin über der Fünf-Prozent-Hürde gewesen. Man habe auch hier nicht ganz ausbrechen können aus dem Bundestrend, sei aber 30 Prozent besser als die Bundes-FDP. "Insofern sind die Aussichten für die Landtagswahl nicht so schlecht." Er glaube daran, dass seine Partei in ihrem Stammland BW gestärkt aus dieser Krise hervorgehen werde. Rülke würde gern mit Hagel regieren, mit dem er schon mehrfach wandern war. Ob er auch mit Özdemir wandern gehen würde, wird er gefragt. "Bisher haben wir das noch nicht gemacht. Meine Kapazitäten sind im Moment ausgelastet." 

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Kommentare (3)

Bisherige Kommentare
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  1. Kommentar von
    Nevermind
    Verfasst am

    "Nach der Wahl ist vor der Wahl" scheint die Motivation des SWR für diese weitestgehend überflüssige Sendung gewesen zu sein. Die Themen die diskutiert wurden, waren bundespolitisch geprägt, keiner der anwesenden Gäste hat hier maßgeblichen Einfluss. Auch die Auswahl Özdemir statt dem Ministerpräsidenten als Vertreter der Grünen, lässt vermuten, dass der SWR hier ein Jahr vor der Wahl bereits den Wahlkampf ums Ländle beginnen wollte. Ich würde mir wünschen, wenn nach den letzten Monaten Berliner Theater, wenigstens in Stuttgart konstruktive Arbeit geleistet werden würde und der SWR seinen Teil dazu beiträgt, anstelle aus Quotengier künstlich Zwist zu säen.

  2. Kommentar von
    Finescu
    Verfasst am

    Der Wählerbetrug startet, Friedrich Merz wirft keine 24 Stunden nach der Bundestagswahl seine letzten verbliebenen konservativen Grundsätze über Bord. Die Schuldenbremse soll fallen und so riskiert Hr. Merz massive Inflation und sogar den Zerfall der Euro-Zone. Was haben wir? Ein CDU-Vorsitzender, der sich mit grün-sozialistischen Ideen von gestern gemein macht, warum hat man diese Parteien abgewählt, wenn Hr. Merz sie schon am Tag nach der Wahl ins Boot holt? Das ist kein konservativer Politikstil, das ist der Totalausverkauf der letzten Reste bürgerlicher Vernunft.

  3. Kommentar von
    fritzchen
    Verfasst am

    und die Hackerei fängt schon wieder an. !!!!!!!!!!!

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