Kritik von Wohnungswirtschaft und Mieterbund

Darum gibt es zu wenig Sozialwohnungen in Baden-Württemberg

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Autor/in
Hannah Vogel
Hannah Vogel ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Sozialwohnungen sind in Baden-Württemberg Mangelware. Deshalb steht die Landesregierung immer wieder in der Kritik. Ist sie schuld und was könnte helfen?

In Baden-Württemberg gibt es zu wenig Sozialwohnungen. Zwar erkennt die Wohnungswirtschaft die Bemühungen der Landesregierung an, mehr sozialen Wohnraum zu schaffen. Dennoch hagelt es immer wieder Kritik. Rolf Gaßmann, Vorstandsmitglied des Deutschen Mieterbundes und Vorsitzender des Mietervereins Stuttgart, hält die Arbeit der Landesregierung für unzureichend. "Wenn es so weitergeht, brauchen wir noch 100 Jahre, um die uns fehlenden Sozialwohnungen zu bauen", sagt Gaßmann. Hierbei bezieht er sich auf Zahlen aus einer Analyse des Pestel-Instituts, wonach in Baden-Württemberg rund 200.000 Sozialwohnungen fehlen.

Bestand der Sozialwohnungen in BW steigt leicht

Laut Wohnungsbauministerium gab es Ende 2023 rund 53.600 Sozialwohnungen im Land. 1.300 Wohnungen fielen im vergangenen Jahr aus der Sozialbindung. Dafür kamen rund 2.600 Sozialwohnungen neu hinzu. Der Bestand ist damit zum zweiten Mal in Folge leicht gestiegen. Für diese sehr bescheidenen Ergebnisse klopfe man sich im Ministerium auch noch auf die Schulter, so Gaßmann.

Die Zahlen zu den 2023 neu hinzugekommenen Sozialwohnungen müssen laut Gaßmann zudem differenziert betrachtet werden. Der Großteil davon (nämlich 2.074 Wohnungen) wurde laut Landesbauministerium neu gebaut. 528 Wohnungen gab es dagegen schon. Deren Bindung als Sozialwohnung wurde entweder verlängert oder sie wurden erst in solche umgewandelt. "Das ist durchaus sinnvoll", findet Gaßmann. Jedoch verkleinere sich das Problem dadurch nicht. "Die Wohnungen sind schließlich schon bewohnt." Insgesamt gebe es also nicht mehr Wohnraum als vorher.

Bestand der Sozialwohnungen in BW
Nach Schätzungen aus dem Jahr 2006 gab es damals mit 91.000 Sozialwohnungen deutlich mehr als heute.

Gaßmann: Razavi mangelt es an Durchsetzungskraft

Nach Meinung von Gaßmann hat sich der Wohnungsmangel, gerade was Sozialwohnungen oder Wohnungen mit niedrigen Mieten angeht, dramatisch verschlimmert. Das liege unter anderem daran, dass so viele Menschen vor dem Krieg gegen die Ukraine nach Deutschland geflüchtet seien, sagt Gaßmann.

Angesichts der Entwicklung am Wohnungsmarkt hat Rolf Gaßmann schon vergangenes Jahr in einem SWR-Interview ein Einschreiten der Politik gefordert:

Der Vorstand des Mieterbundes findet, Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) mangele es an Durchsetzungskraft. Sie müsse ihre Kolleginnen und Kollegen im Kabinett eigentlich davon überzeugen, mehr in den geförderten Wohnungsbau zu investieren. Bereits im vergangenen Oktober hatten der Mieterbund und weitere Verbände gefordert, die Landesregierung müsse mindestens 150 Millionen Euro zusätzlich in die Hand nehmen.

Mittel der Landesregierung bald aufgebraucht?

Im Jahr 2022 waren die Landesmittel für den sozialen Wohnungsbau im September verplant, im Jahr 2023 dann schon im Mai. "Wir befürchten, dass die Mittel in diesem Jahr schon in den nächsten Wochen vergeben sein werden", sagt Gaßmann. Eine Prognose hierzu sei nicht möglich, teilt ein Sprecher des Landesbauministeriums auf SWR-Anfrage mit.

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Der Präsident des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw), Peter Bresinski, bezeichnet die Situation als Trauerspiel. Auch er fordert, die Wohnraumförderung müsse insgesamt erhöht und die einzelnen Wohneinheiten müssten stärker subventioniert werden. "Investoren schauen auf die Rendite. Wenn es sich für sie nicht lohnt, dann lassen sie es lieber und genau das passiert gerade", sagt er.

vbw-Präsident: Landesregierung bemüht sich

In manchen Städten wie Stuttgart oder Heidelberg sind private Bauträger bei Neubauten allerdings verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz der Wohnungen als Sozialwohnungen bereitzustellen. Viele Bauprojekte privater Träger lägen aber gerade wegen der hohen Zinsen auf Eis, sagt Bresinski. Wären dafür bereits Mittel vom Land beantragt und genehmigt, seien diese Mittel über Jahre gebunden - auch wenn sie gar nicht abgerufen würden. "Ein kommunales Wohnungsbauunternehmen, das sofort 20 oder 30 Sozialwohnungen bauen möchte, geht dann womöglich leer aus", sagt Bresinski.

Aus der Sicht des vbw-Präsidenten bemüht sich die grün-schwarze Koalition mehr als vorherige Landesregierungen. Die jahrzehntelangen Fehlplanungen seien aber nicht so leicht zu korrigieren. "In den 1990ern wurden noch viele Sozialwohnungen gebaut", sagt Bresinski. Dann habe sich der Markt entspannt. Die staatlichen Förderungen seien zurückgefahren worden, woraufhin weniger Sozialwohnungen entstanden seien. "Dabei wurde außer Acht gelassen, dass über die Jahre natürlich immer wieder Sozialwohnungen aus der Bindung fallen."

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Düstere Zukunftsprognosen in Sachen Sozialwohnungen?

Neben der Landesregierung sieht Bresinski auch die Kommunen in der Pflicht. "Sie weisen nicht schnell genug Bauland aus", sagt er. Das liege an langen Diskussionen in den Gemeinderäten über Standortfragen oder Flächenversiegelung. Es dauere inzwischen mehrere Jahre, bis ein Bebauungsplan endlich fertig sei. Verantwortlich dafür seien zusätzliche Vorschriften, aber auch Bürgerbeteiligungsverfahren und Umweltprüfungen. "Das ist natürlich alles für sich sinnvoll, aber wird dann zum Beispiel auf dem zukünftigen Bauland ein Feldhamster gesichtet, verzögert sich das Ganze dann noch weiter", sagt der vbw-Vorstand.

Die Zukunft sieht Bresinski ziemlich düster. "Ich bin Zweckoptimist. Aber unter den Bedingungen werden wir nicht genügend Wohnungen bauen können, egal ob Sozialwohnungen oder andere Wohnungen." Das bedeute wiederum, dass die Menschen in Zukunft "auf immer weniger Quadratmetern zusammenrücken müssen".

Razavi: Müssen die Haushaltslage im Blick behalten

Landesbauministerin Razavi verweist auf die derzeit schwierige Lage der Bau- und Wohnungswirtschaft. "Bauen und Sanieren ist heute wirtschaftlich oft kaum mehr machbar", teilt sie auf SWR-Anfrage mit. "Es lohnt sich einfach nicht mehr." Das sei das Grundproblem, das man angehen müsse.

Laut Razavi wäre mehr Geld für die soziale Wohnraumförderung wünschenswert. "Wir müssen jedoch auch sehen, dass wir diese Mittel zuletzt schon verdoppelt haben und der geförderte Wohnungsbau nur ein kleines Segment des Wohnungsmarktes abdeckt", so die Ministerin weiter. Außerdem müsste man die Haushaltslage im Blick behalten.

"Wir werden diese Krise nicht mit mehr Geld vom Staat lösen können."

Bauen und Sanieren muss nach Ansicht von Razavi einfacher, schneller und digitaler werden. "Im Land tun wir alles, was in unserer Macht steht", so die Ministerin weiter. Mit dem Virtuellen Bauamt digitalisiere man das Baugenehmigungsverfahren grundlegend und mit einer Reform der Landesbauordnung mache man weitreichende Vorschläge zur Vereinfachung und Beschleunigung sowie zum Abbau von Standards im Baurecht. Es brauche eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Verbänden, um die Krise lösen zu können, appelliert Razavi.

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