Er verlor im Krieg sein linkes Bein

Nach Behandlungen in Ulm: Soldat kehrt mit Prothese zurück in die Ukraine

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Hannah Schulze
Hannah Schulze

Ihor Bystrevskyi verlor im Krieg gegen Russland ein Bein. Er wurde zur Behandlung nach Ulm gebracht, fand in Blaubeuren eine zweite Heimat bis er Anfang 2024 wieder zurück in die Ukraine musste.

Als Russland die Ukraine im Februar 2022 angreift, ist Ihor Bystrevskyi 19 Jahre alt. Dem Musikstudenten aus dem nordukrainischen Tschernihiw ist klar: Er will sein Land verteidigen. Dass sein Leben in den folgenden zwei Jahren eine solche Wendung nimmt, er in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) neue Freunde und eine zweite Heimat findet, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen.

"Als der Krieg angefangen hat, war die ganze Stadt bereit, sich zu verteidigen", erzählt Ihor Bystrevskyi in einem Video-Interview mit dem SWR. Im Februar 2022 meldet er sich ein paar Tage vor Kriegsbeginn bei der Armee. Sein Traum ist seit seiner Kindheit, Offizier zu werden. Da er keine Armee-Ausbildung hat, weisen sie ihn im ersten Moment ab, erzählt er. Aber der junge Mann bleibt hartnäckig.

Die ganze Stadt war bereit zum Kampf!

"Zu Beginn war ich für den Papierkram bei der Einheit zuständig. Machte einfach alles, was mein Chef mir auftrug", sagt Ihor mit einem Grinsen im Gesicht. Und dann braucht das Millitär in Tschernihiw Männer zur Verteidigung. "Mein Rucksack war daheim schon fertig gepackt." Mit 19 Jahren wird der Musikstudent zum Soldaten.

Vom Musikstudenten zum Soldaten

Anfang März bombardieren russische Streitkräfte Tschernihiw. Bei einem Artillerieangriff explodiert eine Granate auf einer Holzüberdachung, die den Graben bedeckt, in dem sich Ihors Einheit verschanzt hat. "Viele meiner Kollegen starben bei diesem Angriff."

Ihor wird verschüttet, sein linker Arm und sein linkes Bein werden schwer verletzt. So sehr, dass die Ärzte im Krankenhaus in Kiew das Bein nicht mehr retten können und es amputieren müssen. Seine Wunde verheilt schlecht.

Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Im Oktober 2022 nach einer OP im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm: Rund 30 Operationen unter Narkose, in Deutschland und der Ukraine, hat der junge Soldat durchmachen müssen.

Wie der verletzte Soldat nach Deutschland kam

"Die Frau meines Patenonkels ist Professorin an der Uni in Heidelberg", erklärt Ihor. Bei einem Benefizkonzert in Deutschland wird seine Geschichte erzählt: Über den Musiker, der im Krieg verwundet wurde. Und so führt eins zum anderen: Markus Winter, Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin am Alb-Donau-Klinikum in Blaubeuren, bekommt einen Anruf von seiner Tochter: "Das war der typische Anruf: Papa, kannst du helfen?", erzählt Markus Winter.

Putin hat ihm seine Zukunft genommen.

20 Jahre war Winter selbst Soldat, Sanitätsoffizier der Bundeswehr und überwiegend am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm tätig. Er lässt seine Kontakte spielen und schafft es mit seiner Tochter, Ihor nach Baden-Württemberg zu bringen. Putin habe die Zukunft des Jungen genommen, sagt Winter. "Ich hatte die Chance, etwas Gutes zu tun und ihm wieder eine Zukunft zu geben."

Bei Ulmer Spezialisten: Behandlung im BWK und Reha im RKU

Im Bundeswehrkrankenhaus (BWK) in Ulm bekommt Ihor die Behandlung, die er braucht. Der Stumpf hatte sich mit Keimen und Bakterien infiziert und muss erneut operiert werden. "Ich hatte in Deutschland und in der Ukraine mindestens 30 Operationen unter Narkose", sagt der junge Soldat. In Ulm bekommt er eine Prothese und wird im "Zentrum für Integrierte Rehabilitation" im Rehabilitationskrankenhaus Ulm (RKU) therapiert.

Ich hatte ein Ziel: wieder laufen zu lernen. Und zu dem Ziel bin ich gekommen.

Er habe lange auf die Prothese gewartet. "Man hat mir gesagt, dass ich vielleicht nie wieder ohne Krücken laufen kann." Laufen zu lernen, war sein Ziel - und das hat er erreicht.

Zwei Jahre im Leben des jungen Soldaten:

Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Kriegsbeginn 2022: Mit 19 Jahren verteidigt Ihor Bystresvsky ohne Armee-Ausbildung seine Heimatstadt Tschernihiw im Norden der Ukraine. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Im Oktober 2022 nach einer OP im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm: Rund 30 Operationen unter Narkose, in Deutschland und der Ukraine zusammen, hat der junge Soldat durchmachen müssen. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystresvskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Ihors Mutter Olga kommt nach Ulm, um sich um ihren Sohn zu kümmern. Sie lernt schnell deutsch und die beiden erkunden gemeinsam die Region. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
August 2023: Im Zentrum für Integrierte Rehabilitation der Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm trainiert Ihor das Laufen mit der neuen Prothese. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystresvskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
So schnell lässt sich Ihor Bystrevskyi seine Lebensfreunde nicht nehmen und erkundet seine neue Heimat: Da gehört auch die Wanderung auf den Schillerstein zum Programm - mit Prothese und Krücken. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Sommer 2023: Ihor Bystrevskyi wird Teil der Stadtkappelle Blaubeuren und kann weiterhin Musik machen. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Die Musik ist sein ständiger Begleiter: In Blaubeuren spielt Ihor Bystrevskyi in vielen Musikgruppen E-Gitarre. Bild in Detailansicht öffnen
Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Das geht auch mit der Prothese: Zurück in der Heimat hat Ihor wieder mit dem Kickboxen angefangen. In seiner alten Sporthalle trainiert er drei Mal die Woche seit er aus Deutschland zurückgekommen ist. Bild in Detailansicht öffnen

"An Blaubeuren hat mir alles gefallen!", sagt Ihor lächelnd. Er findet in Baden-Württemberg neue Freunde und eine zweite Heimat, spiel in der Stadtkapelle Blaubeuren als E-Gitarrist und geht trotz Prothese und Krücken wandern. Sein Faible für die deutsche Sprache und das Land, das er durch die Musik schon immer hatte, verstärkt sich. "Ihor hat sich wahnsinnig schnell eingelebt", sagt Anästhesist Markus Winter, der mittlerweile mit Ihor befreundet ist.

Zurück in der Heimat, aber nicht an der Front

Im Januar 2024 muss Ihor Bystrevskyi wieder zurück, um sich bei der Einheit zu melden. Er ist immerhin noch Soldat der Ukraine. Nach knapp eineinhalb Jahren ist er also wieder zurück in seiner Heimatstadt Tschernihiw. "Das ist schön, ich habe meine Freunde und Familie lange nicht gesehen."

Der junge Soldat Ihor Bystrevskyi wurde bei Putins Angriffskrieg auf die Ukraine so schwer verletzt, dass er sein Bein verlor. In Ulm wurde er behandelt, bekam eine Prothese und lernte wieder laufen.
Das geht auch mit der Prothese: Zurück in der Heimat hat Ihor wieder mit dem Kickboxen angefangen. In seiner alten Sporthalle trainiert er drei Mal die Woche, seit er aus Deutschland zurückgekommen ist.

Er macht weiterhin Musik, geht viel spazieren mit seinem Hund, fängt wieder mit dem Kickboxen an. Seine neuster Erfolg nach mehreren Stationen in militärischen Kliniken: die Prüfungen für seinen Behindertenausweis. Innerhalb von drei Tagen habe er etwas geschafft, für das viele drei Monate brauchen, sagt der heute 21-Jährige stolz. Und wie das? "Ich habe einfach keine Angst vor Offizieren."

Außerdem steht seine Ausmusterung an, denn Ihor ist mit der Prothese nicht mehr wehrfähig. Damit ist der Traum des Soldaten, der für sein Land kämpft, beendet. Der junge Mann nimmt es scheinbar gelassen: "Vielleicht soll ich einfach kein Soldat sein." Was er jetzt in der Ukraine machen wird, weiß er noch nicht. "Ich glaube, ich nehme mir ein bisschen Zeit. In den letzten zwei Jahren habe ich schließlich genug erlebt", sagt er und lacht.

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