Vor eineinhalb Jahren hat das Land Baden-Württemberg ein Programm für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger in Kitas gestartet. Unter anderem mit einer verkürzten Ausbildungszeit will man damit gegen den akuten Fachkräftemangel in vielen Städten und Gemeinden kämpfen. Seit 2023 haben sich landesweit rund 1.700 Azubis für das Angebot entschieden. Staatssekretär Volker Schebesta (CDU) vom Kultusministerium in Baden-Württemberg hat sich am Montag zwei Praxisbeispiele angesehen. Er war im Kinderhaus Schillerstraße in Munderkingen und in der Magdalena-Neff-Schule in Ehingen (Alb-Donau-Kreis).
Mir macht es Spaß, mit Kindern zu arbeiten. Die geben einem immer wieder was zurück.

Programm "Direkteinstieg Kita" gegen Personalmangel: Von der Mediengestalterin zur pädagogischen Fachkraft
Die Auszubildende Svenja Posiadlo setzt sich mit den Kindern in einen Kreis und holt eine Handpuppe hervor: die Schnecke Schuschu. Schuschu hat noch keine Freunde. Und die sollen die Kinder im Kinderhaus Schillerstraße jetzt basteln - mit roter Knete und kleinen Zweigen für die Fühler der Schnecken.
Posiadlo ist 28 Jahre alt und hat vor ihrer Zeit im Kinderhaus bereits eine Ausbildung zur Mediengestalterin absolviert. Vier Jahre hat das gedauert, ein weiteres Jahr war sie in dem Job tätig. Doch am Ende war sie ernüchtert: "Ich habe etwas anderes gebraucht", so ihre Bilanz.
Quereinsteiger in Kitas: Erst Ernüchterung, dann Erfüllung
Im Kinderhaus erlebt sie ihre Arbeit ganz anders: "Mir macht es Spaß, mit Kindern zu arbeiten. Die geben einem immer wieder was zurück. Das war eigentlich ausschlaggebend."
Auf Menschen wie Svenja Posiadlo setzt das Programm des Kultusministeriums mit dem Namen "Direkteinstieg Kita". Es richtet sich an Menschen, die bereits einen Abschluss in einem anderen Beruf haben, Menschen mit einer gewissen Lebenserfahrung. Zum Teil auch an Menschen, die selbst bereits Erfahrung als Eltern haben.

Die Ausbildung dauert zwei Jahre, umfasst Schulunterricht und Praxistage in Kitas. Sie endet mit dem Abschluss Sozialpädagogischer Assistent, beziehungsweise Sozialpädagogische Assistentin. Wer will und die Prüfung schafft, kann noch ein halbes Jahr dranhängen und Erzieher beziehungsweise Erzieherin werden.
Personalmangel im Kita-Bereich: Munderkingen sucht in Südamerika
Wie groß der Personalmangel in dem Metier ist, zeigt sich am Beispiel der Stadt Munderkingen. Regional waren "kaum mehr ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher zu akquirieren", erzählt Bürgermeister Thomas Schelkle. Der Suchradius wurde extrem ausgeweitet: "In Südamerika sind wir dann fündig geworden". Jetzt profitiert das Kinderhaus Schillerstraße aber auch vom Programm "Direkteinstieg Kita".
Das löst nicht alle Bedarfe, aber ist ein sehr guter Beitrag, um auch auf diesem Weg Personal zu gewinnen.
Um auch in Baden-Württemberg wieder Personal zu bekommen, wird außergewöhnlich viel Geld in die Hand genommen. Zusammen mit einer Förderung von der Agentur für Arbeit liegt die Einstiegsvergütung bei knapp 3.000 Euro.
Staatssekretär Volker Schebesta vom Kultusministerium ist mit der Resonanz auf das Programm ganz zufrieden. Im ersten Ausbildungsjahr 2023/24 haben sich landesweit 600 Menschen gemeldet. Im Folgejahr sind weitere 1.100 Azubis dazugekommen. "Das löst nicht alle Bedarfe, aber ist ein sehr guter Beitrag, um auch auf diesem Weg Personal zu gewinnen."

Angebot richtet sich auch an ältere Quereinsteiger
Das Programm lockt auch Menschen an, die das klassische Ausbildungsalter weit überschritten haben. In der Magdalena-Neff-Schule in Ehingen etwa sind die Schülerinnen und Schüler in dieser Ausbildung zwischen Mitte 20 und knapp 60 Jahre alt.
Schulleiter Frederik Wittmann mag diese besondere Mischung: "Ich unterrichte sehr gerne in diesen Klassen." Man müsse nicht ermahnen, nicht an der Konzentration oder Aufmerksamkeit arbeiten, "weil einfach unglaublich viel Motivation mitgebracht wird". Dass die Ausbildung nur zwei Jahre dauert, ist für Wittmann kein Problem. Die verkürzte Ausbildungsdauer werde durch die entsprechenden Kompetenzen im vorherigen Beruf ausgeglichen.
Alles, was ich vorher gemacht habe, war immer definiert durch Umsatzzahlen.
Der "Quotenmann" in der Klasse in der Magdalena-Neff-Schule ist Felix Huber. Auch er ist von der neuen Möglichkeit in seinem Leben sehr angetan. "Alles, was ich vorher gemacht habe, war immer definiert durch Umsatzzahlen", erzählt der 32-Jährige. "Und der Riesenunterschied im Kindergarten ist, dass es wesentlich kollegialer zugeht."
In seinem vorherigen Beruf als Pharmakant hätte er bis zu 1.000 Euro mehr verdient. "Aber solange ich moralisch den Beruf nicht unterstützen kann, ist mir das Geld das nicht wert." Bei den Kindern fühlt er sich an der richtigen Stelle: "Ich fühle mich da wesentlich erfüllter".