Sie ist amtierende deutsche Meisterin bei den Juniorinnen und darf ab dem 26. August sogar bei den Europameisterschaften im österreichischen Graz ihr Können zeigen: Pia Heinrich aus Erbach (Alb-Donau-Kreis) ist erfolgreiche Kanu-Freestylerin und das, obwohl sie diese junge Sportart noch gar nicht lange ausübt. Warum es dafür erst einmal eine gehörige Portion Mut brauchte und wieso die 17-Jährige nicht unbedingt will, dass ihr Hobby irgendwann olympisch wird.
Alles beginnt für Pia Heinrich mit einer Rolle
Pia Heinrich steigt gekonnt in ihr Kajak, einen Helm auf dem Kopf, in der Hand ein Doppelpaddel. Sie lässt sich in den Neu-Ulmer Illerkanal gleiten und als sie lospaddelt wird klar: Pia Heinrich ist voll in ihrem Element: dem Wasser. Plötzlich taucht sie mit ihrem Kajak ab, macht eine Rolle, beginnt sich schnell um die eigene Achse zu drehen. Alles Tricks in ihrer Sportart: Kanu-Freestyle.
Sie liebe es einfach, am und im Wasser zu sein, erzählt sie strahlend. Schon früh saß sie in einem Faltboot, machte etwas später dann einen Schnupperkurs bei den Ulmer Paddlern. Vor drei Jahren stand dann im Winter im Hallenbad "die Rolle" an, eine Übung, bei der sich die Kanutinnen und Kanuten samt Kajak auf eine Seite kippen lassen und sich auf der anderen Seite wieder aufrichten.
Kurz danach trainierten die Freestyler. Neugierig beobachtete sie mit ihrem Papa die Kanu-Akrobaten. "Da habe ich gesagt, das will ich auch mal ausprobieren", erzählt Pia Heinrich. Für sie zunächst ein ungewohntes Gefühl. Denn die Freestyler sind bei ihren Tricks oft für kurze Zeit unter Wasser. "Am Anfang ist es ziemlich gruselig, deswegen fängt man am besten im Schwimmbad an", so die 17-Jährige. Zunächst trainierte sie deshalb auch mit einer Schwimmbrille für eine bessere Orientierung.
Aus Kanu-Rodeo wird Kanu-Freestyle
Zu Beginn der jungen Sportart ging es beim Kanu-Freestyle noch darum, möglichst lange in einer Welle oder Walze zu bleiben, ohne umzukippen. Daher wurde die Sportart früher auch "Rodeo" genannt. Mit der Zeit kamen die sogenannten "Moves" dazu - also Tricks wie Salti oder Drehungen. Mittlerweile haben die Kanutinnen und Kanuten im Wettkampf 45 Sekunden Zeit, möglichst viele dieser "Moves" zu zeigen, die jeweils unterschiedliche Punktzahlen geben.
Wie diese 45-Sekunden-Läufe aussehen, darf jeder selbst entscheiden. Diese Freiheit macht es für Pia Heinrich auch aus - im Wettkampf wie auch im Training: "Teilweise geht man die Tricks im Kopf durch und springt ein bisschen am Land rum, das sieht immer ganz lustig aus."
Kanutraining auf dem Illerkanal in Neu-Ulm
Für gewöhnlich trainiert Pia auf dem Illerkanal in Neu-Ulm, etwa zwanzig Minuten von Erbach entfernt. Die meisten Tricks lassen sich auch im Flachwasser trainieren. Unterstützt wird sie dabei von einer etwas erfahreneren Freestylerin, ebenfalls von den Ulmer Paddlern.
Dabei kann Pia auch immer auf die Unterstützung ihrer Eltern zählen. Sie seien froh, dass bei ihrem Sport die Verletzungsgefahr eher gering sei. Manchmal müsse sie aber auch aufpassen, was sie zu Hause erzähle: "Natürlich kann immer irgendwas passieren, aber mir ist bis jetzt noch nichts passiert, wo ich sag, das war knapp." Wichtig sei, dass immer Leute dabei sind, wenn sie aufs Wasser geht.
Für ein richtiges Wettkampffeeling reist Pia an Wochenenden und in den Ferien oft nach Plattling in Bayern. Dort campt sie dann mit Freunden und anderen Freestylern direkt neben einer großen Walze, geht mehrmals täglich aufs Wasser, um zu trainieren. Das sei jedes mal ein bisschen wie Urlaub, sagt sie.
Pia Heinrich fährt zur Europameisterschaft in Graz
In Plattling hat sie auch ihren bisher größten Erfolg feiern dürfen. Dieses Jahr gewann Pia Heinrich die deutsche Meisterschaft bei den Juniorinnen, ist nun auch Teil des deutschen Nationalteams. Und das, obwohl sie noch nicht so lange fährt. "Ich finde es schon krass, dass ich das hingekriegt habe und freu mich riesig." Gerechnet hat sie mit diesem Erfolg nämlich nicht.
Nun kommt direkt das nächste große Highlight: die Europameisterschaft in Graz. Hier ist ihr Ziel, unter den besten Zehn zu landen. Und selbst wenn es nicht klappt, ist sie ganz zufrieden mit ihrer bisherigen Freestyle-Karriere. Verbesserungspotenzial gebe es aber immer.
Bald Olympia für Kanu-Freestyle - oder lieber doch nicht?
Vielleicht reicht es dann sogar irgendwann mal für eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen. Hier haben deutsche Athletinnen und Athleten kürzlich erst einige Medaillen in den verschiedenen Kanu-Sportarten geholt. Die Freestyle-Variante ist aber noch gar nicht olympisch, auch wenn das schon diskutiert wurde, erzählt Pia Heinrich.
Sie selbst ist sich gar nicht so sicher, ob dieser Schritt für ihren Sport wirklich toll wäre. Zwar würde sie sich freuen, mal bei Olympia dabei zu sein, "aber eigentlich finde ich es grad auch schön, dass es eine kleinere Sportart ist, die nicht so viele Leute machen." So lerne sie weltweit viele nette Leute kennen. Durch eine größere Bekanntheit des Sports wäre es vielleicht nicht mehr so familiär, befürchtet sie.
Heim-WM 2025 - vielleicht mit selbst gemachtem Paddel
Dieses Familiäre schätzt sie am Kanu-Freestyle ganz besonders. Erst kürzlich hat sie von einem Mitglied ihres Vereins eine Anleitung bekommen, wie sie ihre eigenen Paddel aus Holz herstellen kann. Im Zuge einer Projektarbeit in der Schule sind es dann sogar gleich drei Paddel geworden. So richtig konstant ins Wasser traut sie sich damit aber nicht. "Ich hab noch ein bisschen Angst, dass ich es direkt kaputt mach."
Die Feuertaufe hat eines der Paddel trotzdem schon bestanden - natürlich in der Walze in Plattling. Dort findet übrigens im kommenden Jahr auch die Weltmeisterschaft statt, an der Pia unbedingt teilnehmen möchte. Das ist nämlich ihr letztes Jahr bei den Juniorinnen. Druck macht sie sich aber keinen. Sie schaut einfach mal, "wohin es läuft".