Ein Tattoo oder Piercing in der Kirche stechen lassen? Das mag zunächst skurril klingen. In der Neu-Ulmer St. Johann Baptist Kirche war genau das aber am Donnerstag möglich. Dazu gab es seelsorgerische Gespräche und einen Gottesdienst. Im Vorfeld gab es an der Aktion aber auch Kritik von Gemeindemitgliedern.
Neu-Ulm: Warum Tattoos ausgerechnet in der Kirche gestochen werden
Leise surrt die Tattoomasche in der Sakristei der Neu-Ulmer St. Johann Baptist Kirche. "Ab und zu kommt man ja ins Zweifeln mit dem Glauben", sagt Katharina Wagner, während ihr ein Tätowierer vorsichtig ihr gewünschtes Motiv unter ihre Haut sticht: ein Kreuz. "Ich finde die Aktion mega", sagt sie und fügt an: "Die Kirche kämpft ja auch so ein bisschen mit dem verstaubten Image und da finde ich eine solche Aktion echt cool. Da holt man vielleicht die ein oder anderen in die Kirche, die sonst womöglich nie in die Kirche gehen".
Vor der St. Johann Babtist Kirche hat sich schon vor 17 Uhr eine lange Schlange gebildet. Der Andrang zur Tattoo-Aktion in der Kirche ist so groß, dass an diesem Abend nicht jeder einen Termin bekommt. "Viele denken, sie müssten ihre Tätowierungen in der Kirche verstecken", so Stadtpfarrer Karl Klein. Vorurteile abbauen und zusammen kommen, das sei der Hintergrund der Tattoo-Aktion. Der Fokus liege an diesem Abend nicht nur auf der Nadel, sondern auf dem gemeinsamen Gebet und Gespräch.
Gespräche in der Kirche: City-Seelsorge organisiert Tattoo-Event
Ziel des Tattoo-Events sei es auch Menschen in die Kirche zu bringen, die dort sonst nicht unbedingt hingehen würden, erklärt Diakon Wolfgang Dirscherl. Man möchte auf die Menschen zugehen, um zu signalisieren: "Ihr seid alle willkommen".
Tattoo in der Kirche: Tabu oder Tradition?
Dirscherl selbst hat die Idee ins Leben gerufen. Der Diakon hat 13 Tätowierungen am Körper und seit diesem Abend auch ein Piercing oben am Ohr. Natürlich ein christliches Kreuz. Dieses Motiv war das Beliebteste. "Tätowiert zu sein, ist keine Sünde. Meine Tattoos haben alle eine tiefe Bedeutung", sagt er. Sowieso: viele Motive, die Menschen unter der Haut tragen, seien christlichen Ursprungs, zum Beispiel Kreuze, Engelsflügel oder Psalme.
Auch Kritik im Vorfeld: Pfarrer steht zum Tattoo-Event
Im Vorfeld des Tattoo-Events wurden die Gemeindemitglieder extra durch eine Infoveranstaltung aufgeklärt. "Es gab einige offene Fragen", gibt Pfarrer Karl Klein zu. Trotz Kritik einiger Gemeindemitglieder wurde das Tattoo-Event schließlich doch organisiert. Mit großem Erfolg. Bei vielen, die dort waren, bleibt die Erinnerung an den Gottesdienst nun ein Leben lang auf der Haut.