Niemand weiß genau, woher Pfau Olaf stammt. Doch plötzlich war er da. Sein Reich ist der Friedhof. Die Ofterdinger haben den königlichen Vogel längst als neue Majestät akzeptiert, auch wenn manche um den Grabschmuck bangen.
Früh am Morgen thront Pfau Olaf auf der Andachtshalle. Er liebt mittlerweile den großen Auftritt. Das war nicht immer so, erzählt Friedhofsleiter Willi Möck. Als Olaf im März plötzlich auftauchte, war er noch schüchtern und rannte weg, sobald Möck in seine Nähe kam. Doch jetzt genießt er die Aufmerksamkeit der Friedhofsbesucher. "Bisher hat er zum Glück noch keine Beerdigung mit Schreien gestört", sagt Möck. Doch Olaf weiß, wie er sich in Szene setzt. Vor kurzem stolzierte er bei einer Beerdigung direkt vor dem Grab umher, als ginge es bei der Zusammenkunft um ihn persönlich, erzählt Möck.
Pfau Olaf sorgt in Ofterdingen für "Friedhofs-Tourismus"
Olaf ist inzwischen ein fester Bestandteil des Friedhofslebens. Die Menschen kommen nicht nur, um ihre Verstorbenen zu besuchen, sondern auch, um den stolzen Pfau zu sehen. Manche machen es sich sogar auf Picknickdecken mit der ganzen Familie gemütlich, um den Pfau zu beobachten. Andere wiederum fürchten um ihre frischen Blumen, denn der Pfau knabbert gerne daran. "Meine Bekannte hat einmal Schneckenkorn auf dem Grab verstreut", erzählt Anwohnerin Gisela Schmid. Der Pfau fraß es komplett auf. Daraufhin beschwerte sich die Bekannte. Sie sorgte sich nicht um den Pfau, sondern um die Schnecken, die nun weiterhin auf dem Grab wüten können. Der Pfau scheint das Schneckenkorn gut vertragen zu haben. "Er weiß schon selber, was er fressen darf und was nicht", sagt Willi Möck.
Auch die Anrufe bei der Polizei seien mittlerweile weniger geworden. Am Anfang hätten sich viele gemeldet, die sich Sorgen um das Tier machten, doch nun habe sich wohl herumgesprochen, dass Pfauen in freier Natur gut zurecht kämen, erzählt der Friedhofsleiter.
Herkunft von Pfau Olaf ist unklar
Eines Morgens im März saß er plötzlich hinter einem Gebüsch. Willi Möck erinnert sich genau an diesen Moment. Der Pfau kam von da an jeden Tag wieder. Möck fragte herum, ob jemand den Vogel vermisste. Er kontaktierte den Schwärzlocher Hof in Tübingen und eine nahgelegene Geflügelfarm. Doch niemand suchte nach einem Pfau.
"Der Pfau hat sogar einen Ring am Fuß", erzählt Möck. Man könnte also herausfinden, woher er stammt. Doch dafür müsste man ihn einfangen, und das ist unmöglich. "Er ist einfach zu flink", sagt Möck und lacht. Insgeheim ist er froh darüber. Mittlerweile kann er sich den Friedhof ohne den Pfau gar nicht mehr vorstellen. Würde man herausfinden, woher er kommt, könnte es sein, dass man ihn abholt. "Das wäre schon sehr traurig", gibt Möck zu.
Ein Kollege taufte den Pfau auf den Namen "Olaf". Warum gerade dieser Name, weiß Möck nicht. Doch der Name passt, findet er.
Pfau Olaf plündert gerne die Beete in Ofterdingen
Olaf hat sein Revier erweitert. Jetzt streift er bis zu den Nachbarhäusern am Fuße des Friedhofsbergs. Nachts und morgens durchquert er den Friedhof und spaziert dann die Treppe hinunter ins Dorf. Am Nachmittag sieht man ihn oft im Nonnenweg. Kein Wunder, denn in den Gärten dort findet er viele Leckereien: Brombeeren, Stachelbeeren, Tomaten und Salat.
Rolf Müller, ein Anwohner, stört das nicht im Geringsten. Im Gegenteil, er freut sich jeden Tag auf den Besuch. "Manchmal klopft er mit dem Schnabel ans Fenster oder schreit, bis ich aus der Wohnung komme," erzählt Müller. Dann bekommt Olaf Katzenfutter, eine Delikatesse für Pfauen.
Auch Gertrud Schmid beobachtet den Pfau gerne. Doch wenn Olaf sich auf ihre Blumen legt, greift sie zur Gießkanne, um ihn zu verscheuchen. "Er ist schön anzusehen, aber meine Blumen sind mir auch wichtig," sagt Schmid.
Abends kehrt Olaf wieder zurück auf die Andachtshalle und wartet auf seinen nächsten großen Auftritt.