Die Empörung ist groß, der Kampfgeist auch. In Baden-Württemberg sollen bekanntlich 18 Notfallpraxen geschlossen werden. In Münsingen (Kreis Reutlingen) wehrt sich dagegen eine Bürgerinitiative (BI). Sie hat 22.000 Unterschriften gesammelt, damit ihre Notfallpraxis bleibt. Beteiligt haben sich nicht nur Münsinger, sondern Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen Umgebung, so Eberhard Rapp, einer der Hauptakteure der BI und Hausarzt in Münsingen.
Lucha macht nicht viel Hoffnung - BI will weiter kämpfen
23 Mitglieder der BI sind am Mittwochvormittag nach Stuttgart in den Landtag gekommen und haben die Unterschriften an Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) übergeben. Lucha habe Verständnis gezeigt, sagte Rapp dem SWR, aber auch durchblicken lassen, dass sich nicht all zu viel bewegen dürfte. Die Bürgerinitiative will sich davon nicht abschrecken lassen und weiter für den Erhalt ihrer Notfallpraxis kämpfen.

Notfallpraxis in Münsingen läuft gut
Man könne nicht verstehen, warum eine gut funktionierende Notfallpraxis wie die in Münsingen abgeschafft werden soll, so Rapp. Er selbst mache dort Bereitschaftsdienste und es gebe genügend andere Ärzte und Ärztinnen aus der Umgebung, um die Bereitschaft abdecken zu können. Trotzdem: Nach den Plänen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) schließt die Notfallpraxis in der Münsinger Albklinik am 30. September dieses Jahres.
Münsinger müssen die Steige rauf und runter
Die Menschen in Münsingen und den umliegenden Ortschaften befürchten, am Wochenende nicht mehr gut versorgt zu sein, denn sie müssen künftig nach Reutlingen oder Ulm fahren und zwar über die Steigen. Die KVBW sagt, dass für alle in Baden-Württemberg eine Notfallpraxis innerhalb von 30 bis 40 Minuten Fahrzeit erreichbar sein soll.
Im Winter sind die Steigen glatt
Doch wer die Albaufstiege kennt, weiß: Im Winter, bei glatten Straßen kann es bis nach Reutlingen runter schon mal 45 Minuten oder länger dauern. Im Sommer staut sich an den Wochenende gerne mal der Verkehr, wenn die Touristen unterwegs sind. Oder Felssturz und Erdrutsch machen die Straße unpassierbar. Das kann weite Umwege zur Folge haben.
Mutter: Mit fieberndem Kind ist lange Fahrt furchtbar
Ein ganz anderes Problem ergibt sich für alle, die nicht mobil sind. Eine Münsingerin fragt sich, wie sie ohne Auto mal eben nach Reutlingen kommen soll. Schnell einen Krankentransport ordern, da müsse man Glück haben. Sie habe viele Jahre ihren Mann gepflegt, habe oft nach Reutlingen in die Kreisklinik mit ihm müssen. Die Fahrdienste seien oft ausgebucht gewesen.
Eine Mutter ist froh, dass ihre Kinder schon groß sind. Die Vorstellung, mit einem fiebrigen oder schreiendem Kind durch die Gegend zu fahren, findet die Münsingerin furchtbar. Sie selbst sei neulich beim Langlauf auf der Loipe gestürzt - kein Fall für die Notaufnahme, aber für die Notfallpraxis. Dort sei ihr schnell geholfen worden, sagte sie dem SWR.

BI befürchtet: Notaufnahmen könnten überlastet sein
Unverständnis auch bei den Mitgliedern der Bürgerinitiative, in der auch Ärzte, Krankenschwestern und Hebammen sind. Sie alle sehen ein großes Problem auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser zukommen, wenn die Notfallpraxen schließen. Eberhard Rapp von der BI, der auch Arzt ist, befürchtet, dass viele Patientinnen und Patienten die weiteren Wege nicht auf sich nähmen, sondern stattdessen in die Notaufnahme der Albklinik gehen.
Dann drohe dort eine Überlastung, so Rapp. So hoffen er und seine Mitstreiter, mit der Unterschriften-Aktion und einer Petition im Internet Gesundheitsminister Lucha und den Landtag aufzurütteln, und Einfluss auf die KVBW zu nehmen, damit die Pläne noch einmal überarbeitet werden.