Selbsthilfegruppe im Zollernalbkreis: "Drogenkonsum wird steigen"

Neues Cannabis-Gesetz macht Eltern süchtiger Kinder Angst

Stand
Autor/in
Julia Klebitz

Ab dieser Woche dürfen Erwachsene in Deutschland legal Joints rauchen und Cannabis für den Eigenbedarf anbauen. Eltern suchtkranker Kinder macht die Cannabis-Legalisierung Angst.

Manchmal war ihm einfach alles zu viel. Dann ist Adalbert Gillmann auf den Fußballplatz in seinem Heimatort Grosselfingen (Zollernalbkreis) gegangen. Er hat bei einem Spiel zugeschaut oder ist spazieren gegangen. Gillmann hat sich für die Jugend im Verein stark gemacht, sich um Finanzen und Papierkram gekümmert, geholfen, einen Spielplatz zu bauen - oft stunden- oder sogar tagelang. Die Arbeit für den Verein habe ihm geholfen mit dem klarzukommen, was sich bei ihm zuhause abgespielt hat, erzählt er. Zwei seiner drei Kinder waren süchtig.

Portrait von Adalbert Gillmann, dem Leiter mehrere Selbsthilfegruppen für Eltern suchtkranker Kinder
Adalbert Gillmann aus Grosselfingen (Zollernalbkreis) leitet Selbsthilfegruppen für Eltern suchtkranker Kinder.

Landesweit für Eltern süchtiger Kinder im Einsatz

Mit 15 hatten sie angefangen, Gras zu rauchen, erzählt Gillmann. Viele weitere Drogen seien dazugekommen. Alles Mögliche hätten sie ausprobiert, alles außer Heroin. Heute seien seine Kinder erwachsen und clean.

Das Thema Sucht beschäftigt Gillmann auch heute noch. Gemeinsam mit seiner Frau engagiert er sich seit vielen Jahren landes- und sogar bundesweit in der Selbsthilfe. Sieben Jahre lang war er Vorsitzender der Baden-Württembergischen Landesvereinigung der ElternSelbsthilfe Suchtgefährdeter und Suchtkranker.

Eltern werden von süchtigen Kindern geschlagen

In dieser Zeit hat Gillmann viel erlebt und gehört: gewalttätige Kinder, die im Drogenrausch auf ihre Eltern einschlagen, Kinder, die kriminell werden, um an Geld für Drogen zu kommen, depressive Eltern, die über Selbsttötung nachdenken und vieles mehr.

Eltern im Zollernalbkreis fürchten steigenden Drogenkonsum

Im Zollernalbkreis leitet Gillmann bis heute eine Selbsthilfegruppe für Eltern suchtkranker Kinder. Das neue Cannabis-Gesetz ist dort heiß diskutiertes Thema. "Die Eltern haben Angst", sagt Gillmann. Sie glaubten, dass jetzt, weil Cannabis legal ist, noch mehr konsumiert werde und sie fürchteten, dass vor allem Kinder noch einfacher an Cannabis gelangten. Das Einstiegsalter für Cannabis sei heute außerdem viel niedriger als früher. "Mit elf oder zwölf Jahren fangen die Jugendlichen an zu kiffen", weiß der Elterngruppenleiter.

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Kontrolle des Cannabis-Gesetzes kaum möglich

Gillmann glaubt, dass es nicht möglich ist, die Einhaltung des neuen Gesetzes zu kontrollieren. Er geht davon aus, dass bei weitem nicht nur Volljährige Cannabis anbauen werden. "Zwei, drei Pflanzen reichen für den Eigenbedarf ohnehin nicht lange aus", sagt er. Er fürchtet sogar, dass Suchtkranke ihre Geschwister, Freunde und Bekannte mit einspannen, um ihren Bedarf zu decken.

"Dealer müssen Konsequenzen spüren"

Dass Cannabis jetzt teil-legalisiert wird, findet Gillmann nicht gut. Er und viele der Mitglieder seiner Selbsthilfegruppe kritisieren außerdem die ihrer Meinung nach jetzt schon zu lockere Strafverfolgung. Junge Dealer müssten Konsequenzen spüren, ist Gillmann überzeugt. Strafe sei wichtig.

"Wenn junge Dealer einen Konflikt oder Ärger mit der Polizei hatten, hören manche auf zu konsumieren".

Cannabis-Gesetz hat auch positive Seite

Ein Gutes allerdings habe das neue Cannabis-Gesetz: Junge Erwachsene, die wegen Dealens vorbestraft waren, hätten oft einen schweren Start in ein geregeltes Berufsleben gehabt. "Jetzt gelten sie nicht mehr als kriminell", sagt Gillmann. Das mache manches einfacher.

Gillmann und die Eltern suchtkranker Kinder in seiner Gruppe halten es für utopisch, dass das neue Cannabis-Gesetz den Schwarzmarkt austrockne. "Die jüngeren Jugendlichen werden sich weiterhin am Schwarzmarkt bedienen".

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Schlechte Prävention und zu wenig Klinikplätze

Dafür, dass Kinder gar nicht erst mit Drogen in Kontakt kommen, werde zudem noch immer zu wenig getan. Er wisse zwar, dass derzeit ein Modellprojekt des Bundes zur Prävention laufe, erzählt Selbsthilfegruppenleiter Adalbert Gillmann. Allerdings sei Präventionsarbeit ab der achten Klasse, wie es derzeit noch üblich ist, viel zu spät.

Und noch eines kritisiert er: die langen Wartezeiten in Entzugs- und Rehakliniken. "Wenn Jugendliche von den Drogen wegkommen wollen, müssen sie ein halbes Jahr auf einen Klinikplatz warten. Diese Zeit kann man nicht überbrücken. Da ändern sie ihre Einstellung wieder und werden rückfällig". Mehr Fachpersonal und sogenannte Schnellplätze in den Kliniken seien wichtig.

Gillmann glaubt, dass es davon mit dem neuen Gesetz noch viel mehr brauchen wird. Cannabis sei nach wie vor die Einstiegsdroge. Oft Folge dann ein Mischkonsum. "Der ist übel". Er führe oft zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen.

Nach Ostern treffen sich die betroffenen Eltern wieder in Balingen (Zollernalbkreis). Dann tauschen sie sich darüber aus, wie es gerade läuft in ihren Familien. Und sicher, davon geht Gillmann aus, wird es auch wieder um Cannabis gehen.

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