Ab dem 1. April ist der Besitz und Konsum von Cannabis in kleinen Mengen in Deutschland erlaubt. Wir haben darüber mit Drogenexperte Jörn Patzak gesprochen. Er warnt vor Panikmache.
SWR1: In den vergangenen Tagen konnte man den Eindruck haben, die Welt geht unter wegen der Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland. Grund zur Panik?
Jörn Patzak: Nein, ich gebe Ihnen Recht. Das hörte sich alles nach Panik an. Aber ich glaube, uns würde hier eine gewisse Gelassenheit ganz gut zu Gesicht stehen.
SWR1: Andererseits klagen jetzt schon Gerichte und Staatsanwaltschaften, dass sie möglicherweise in Arbeit untergehen. Denn damit ist ja auch ein rückwirkender Straferlass verbunden. Können Sie sich vorstellen, dass das Auswirkungen hat?
Patzak: Ja, auf jeden Fall. Das war alles sehr kurzfristig. Die Staatsanwaltschaften müssen jetzt schauen, welche Delikte zu erlassen sind, weil sie nach neuem Recht nicht mehr strafbar wären. Aber in Zukunft wird es aber auch eine erhebliche Entlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften geben, weil viele Konsumenten-Verfahren nicht mehr strafbar sind und damit nicht mehr zur Bearbeitung anstehen.
SWR1: Es gibt ja durchaus die Sorge mit Blick auf die grenznahen Gebiete, dass da so eine Art Kiffertourismus entstehen könnte. Also kommen jetzt die Franzosen zu uns, um sich mit Cannabis und Joints einzudecken?
Patzak: Das ist erstmal schwer zu sagen. Aber auch da würde ich sagen, Panikmache ist fehl am Platz, weil die Cannabis-Anbau-Gemeinschaften werden sicherlich versuchen, sich an die Regeln zu halten und die besagen, dass ich nichts an Personen abgeben kann, die nicht Mitglieder sind. Und Mitglieder dürfen wiederum nur Personen sein, die hier ihren Wohnsitz haben.
Natürlich wird es das eine oder andere schwarze Schaf geben. Aber dass jetzt Horden von Menschen aus dem Ausland bei uns vor diesen Cannabis-Anbau-Vereinigung Schlange stehen, kann ich mir nicht vorstellen, weil die Vereinigungen viel zu viel zu verlieren haben.
SWR1: Ziel der Teil-Legalisierung ist es, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Aber so eine Art Cannabis-Fachgeschäfte in Fußgängerzonen wird es erst einmal nicht geben, stattdessen Cannabis-Clubs mit Eigenanbau, in denen die Kiffer Mitglied sein müssen. Wird man so dem Schwarzmarkt Herr?
Patzak: Das ist das große Problem des Gesetzes. In der jetzigen Ausgestaltung, werden die Ziele zum Teil verfehlt werden. In der Rückschau wäre es mir lieber gewesen, wir hätten tatsächlich konzessionierte Fachgeschäfte, mit denen wir einen staatlich kontrollierten Verkauf organisiert hätten und auch noch Steuereinnahmen hätten gewinnen können.
Aber der EU-Gesetzgeber hat dem mit gewissen Regeln Einhalt geboten. Und deshalb hat man sich jetzt auf diesen Kompromiss geeinigt, der aber dazu führt, dass der Schwarzmarkt nicht in der Form bekämpft und zurückgedrängt wird, wie man sich das verspricht.
Eifeler Konsumenten freuen sich Cannabis-Legalisierung: Prümer Verein darf bald loslegen
Der Bundestag hat die Cannabis-Legalisierung beschlossen. Die Abgabe und der Anbau werden demnach über Vereine geregelt. Einen solchen gibt es beispielsweise in der Eifel.
SWR1: Wie könnte sich das dann noch weiterentwickeln? Die Teil-Legalisierung wird hier jetzt beobachtet und evaluiert. Was könnte sich dann noch ändern?
Patzak: Ja, im zweiten Schritt sollen ja auch Modellprojekte in den Städten gemacht werden. Das ist ja ein Zwei-Säulen-Modell, was der Gesetzgeber vorhat. Der erste Schritt ist die Teil-Legalisierung, und im zweiten Schritt sollen Modellprojekte kommen. Da soll auch eine kontrollierte Abgabe über Fachgeschäfte erfolgen, um dann wiederum diesen zweiten Schritt auszuprobieren. Alles aufgrund EU-Richtlinien, die uns momentan richtige Fachgeschäfte mit einem Verkauf leider verbieten.
Ich denke, wir sollten auch das mal abwarten. Weil man bei allem, was wir bis jetzt gemacht haben, den gesellschaftliche Wandel in Blick auf Cannabis nicht vergessen darf. Insoweit hat dieses Gesetz nicht nur Nachteile, sondern durchaus auch den einen oder anderen Vorteil. Auch wenn das, was hier versprochen wird zum Jugendschutz und Schwarzmarkt in der Form meines Erachtens nicht erfüllt wird.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
Mehr Informationen über Drogenexperte Jörn Patzak auf seiner Homepage.