Wochenrückblick für Freiburg und Südbaden

Wo fängt ein Erdbeben an, wo hört ein Erdrutsch auf? Von Wahlen und Taylor Swift Konzerten im Grenzgebiet

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Autor/in
Maya Rollberg
Maya Rollberg

Ein "Mini-mini-mini-Erdbeben" - das hat Taylor Swift diese Woche in Zürich ausgelöst. In Frankreich blieb der befürchtete politische Erdrutsch hingegen aus. Wie bebt's jetzt nach? Der grenzenlose Wochenrückblick für Südbaden.

Überall wackelt es - und es hört nicht auf. Während wir uns vergangene Woche schon mit dem Erdbeben in Schopfheim (Landkreis Lörrach) beschäftigt haben, schauen wir heute über die Grenze zu kulturellen und politischen Beben. Aber hallo erstmal, ich bin Maya Rollberg, Reporterin aus dem SWR Studio Freiburg und schaue mit euch auf die seismografischen Entwicklungen in dieser Woche:

Bei Taylor Swift bebt die Erde in Zürich

Es ist nicht das erste Mal, dass die Erde gebebt hat, weil Tausende Swifties, also eingeschworene Taylor Swift Fans, bei Konzerten so dermaßen abgehen, dass Erdbebenmesser das auf seismologischen Aufzeichnungen messen können. So war es am Dienstag- und Mittwochabend auch in Zürich: Zum Song "Shake it Off" hat es am stärksten gewackelt, wie die Aufzeichnungen des Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH Zürich zeigen.

  • Seismische Aufzeichnungen der ETH Zürich während des Taylor Swift Konzertes
    Seismische Stationen der ETH Zürich haben die Schwingungen der Bodenbewegungen aufgezeichnet, die lokal während des Taylor Swift Konzertes entstanden sind. Oben sieht man die Song-Titel und ihre entsprechenden Ausschläge.

    "Erdbeben" auch bei Hard-Rock oder Fußball möglich

    Ist Taylor Swift damit der weltbewegendste Star aller Zeiten? Sorry, aber nein. Denn die Erde hat in Zürich auch schon beim AC/DC Konzert oder bei Fußballspielen dadurch gewackelt, dass Fans in möglichst gleichförmigen, rhytmischen Bewegungen ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen.

    Die Erdbewegung ensteht dabei lokal, es kommt auf die Frequenzen in den Songs an, die "Beats per Minute", auf die Beschaffenheit der Gebäude drumherum und wie sie mitschwingen. Und natürlich auf die Begeisterung, die die Fans jeweilig aufs Parkett bringen, erklärt mir Florian Haslinger vom Schweizer Erdbebendienst. Er bezeichnet die Aufzeichnungen beim Swift-Konzert weitestgehend als "Mini-mini-mini-Erdbeben".

    Eigentlich ist das nicht wirklich mit Erdbeben zu vergleichen, was die Stärke anbetrifft. Wir sehen lediglich kleine Ausschläge, die zu ganz kleinen Erdbeben passen.

    Schadensersatzansprüche gegen Taylor Swift?

    Da stellt sich mir die Frage, ob man bei heruntergefallenen Vasen oder Rissen in den Häusern nun Schadensersatzansprüche gegen Taylor Swift erheben könnte. Ein Schaden an Gebäuden oder Ähnliches könne dabei nicht entstehen, versichert der Schweizer Erdbebendienst. Wir von den Medien haben diese seismischen Bewegungen ein bisschen hochgehängt, findet Florian Haslinger. Das "Swift-Erdbeben" medial hochpeitschen will ich natürlich nicht - trotzdem möchte ich euch fragen: Was denkt ihr - kriegen wir oder die Spanier das auch hin, kleine Erdbeben zum EM-Finale am Sonntag?

    Was meint ihr, wo bebt die Erde mehr?

    Über die Konzerte von Taylor Swift berichtete der SWR am 11.07.24 in den Hörfunknachrichten bei SWR4.

    Kein Erdbeben, kein Erdrutsch - auch nicht in Frankreich. Was jetzt?

    Freiburg

    Überraschung bei Frankreichwahl Das Elsass wählt überwiegend Macrons Bündnis

    Was viele befürchtet hatten, ist im Elsass ausgeblieben. Der Rassemblement National kann in der Stichwahl nur einen Wahlkreis für sich entscheiden. Die meisten Stimmen kriegt Macron.

    SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Sport SWR BW

    Die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich haben uns diese Woche vor allem für die elsässische Grenzregion überrascht. Anders als erwartet, hat die rechtsradikale Partei Rassemblement National (RN) nur den nördlichsten Wahlkreis des Elsass gewonnen. Das Links-Bündnis, die Nouveau Front Populaire, hat die meisten Sitze gewonnen, gefolgt von Macrons Bündnis. Der Rassemblement National landete nur auf Platz drei. Wer aber meint, daraus ablesen zu können, dass der Rassemblement National geschwächt ist, der liegt falsch: Denn was die Gesamtstimmenanzahl anbetrifft, gewannen die Rechtsradikalen die meisten Stimmen. Hm, ist die gespaltene Stimmung im Land jetzt überwunden oder doch nicht?

    Über die Wahlen in Frankreich und die Stimmung in der Grenzregion haben wir am 08.07.2024 im SWR berichtet.

    Spaltung im Land - auch in der Grenzregion

    Auch knapp eine Woche nach den Wahlen in Frankreich ist noch immer so gut wie gar nichts geklärt. Eine "Clarification" der Regierungsverhältnisse, wie Präsident Emmanuel Macron sie sich durch die Wahlen gewünscht hat, ist nicht in Sichtweite. Stattdessen dauert die Suche nach einer möglichen Regierungsmehrheit und einem neuen Premierminister an. Nach den Wahlen spreche ich mit dem Politikwissenschaftler der Universität Freiburg, Marcus Obrecht. Er sagt, dass die Wahl keine Schwächung, sondern langfristig eher eine Stärkung des Rassemblement National bedeutet.

    Die Unsicherheit, die durch das unklare Wahlergebnis in das politische System gekommen ist, führt dazu, dass der Rassemblement National noch weiter profitieren wird.

    Kernprobleme bleiben ungelöst: Migration und kleinerer Geldbeutel

    Auch durch das unterschiedliche Wahlverhalten auf dem Land und in der Stadt zeigt sich, dass Frankreich gespalten ist: Auf dem Land wurde eher rechts gewählt, in den Städten vielfach links oder das Mitte-Bündnis von Macron. Auch in unserer Grenzregion im Elsass zeigt sich: Die politische Spaltung ist durch die Wahl keineswegs geklärt. Was nun?

    Der Rassemblement National hat sich sehr bemüht, die Themen Migration und Kaufkraft zu thematisieren, während die Linke sich auf ihr Klientel in den Großstädten konzentriert hat, das im Allgemeinen eher wohlhabender ist.

    Jetzt braucht es eine effektive Regierung - und europäische Lösungsansätze

    Was es jetzt braucht, sind effektive Reformen, für die Themen, die die Menschen beschäftigen, sagt Marcus Obrecht. Vor allem bei den Themen Migration und Kaufkraft brauche es Ergebnisse, die das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückholen. Und gemeinsame und rationale Lösungsansätze, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken, so Obrecht. Nun gut, das sucht die Politik irgendwie schon länger, finde ich ...

    Mehr Europa-Gefühl für die Grenzregion

    Vielleicht könnten mehr positive Beispiele helfen, die zeigen, wie wichtig Europa für die Grenzregion ist. Wie zum Beispiel, dass das Deutschlandticket im Sommer auch in Frankreich gilt, wie meine Kollegin Louise Schöneshofer gezeigt hat. Eine politische Errungenschaft, die meiner Meinung nach bisher kaum gefeiert wurde. Wer für 49 Euro nach Paris oder Berlin fahren kann, der wird wohl kaum für Abschottung und Grenzschließungen wählen - denke ich zumindest.

    Rechtsruck, Fußball oder Eis? Was motiviert zum Wählen?

    Schopfheim

    So schmeckt der Wahlsieg Schopfheim hat gewonnen: Hohe Wahlbeteiligung mit Eis belohnt

    Vor den Europa- und Kommunalwahl haben die Städte Lörrach, Rheinfelden und Schopfheim eine Challenge ausgerufen: Wer die höchste Wahlbeteiligung hat, bekommt kostenloses Eis. Schopfheim gewinnt und lässt es sich schmecken!

    SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

    Obwohl die Französinnen und Franzosen innerhalb eines Monats dreimal wählen mussten (Europawahl, vorgezogene Parlamentswahl und Stichwahl), war die Wahlbeteiligung mit über 60 Prozent verhältnismäßig hoch. Um so eine Wahlbeteiligung zu erreichen, müssen die Städte Lörrach, Rheinfelden und Schopfheim (Kreis Lörrach) wohl deutlich mehr Eis verteilen. Die Bürgermeister dieser Städte hatten Anfang der Woche ihre Wettschulden eingelöst und den Schopfheimerinnen und Schopfheimern 600 Stieleis ausgegeben. Denn: Sie waren vor Lörrach und Rheinfelden die Stadt mit der höchsten Wahlbeteiligung bei der Europawahl.

    Über die Wahl-Challenge hat der SWR am 09.07.2024 multimedial berichtet.

    Braucht Demokratie mehr Zucker?

    Ob das die Zukunft der Demokratie ist, frage ich Klaus Nack vom Lörracher "Bündnis 5 vor 12", der die Eis-Challenge gemeinsam mit dem Rheinfelder Aktionsbündnis für Demokratie und "Schopfheim bleibt BUNT" organisiert hat. "Mit Käse fängt man Mäuse", antwortet er und meint damit, dass es momentan wieder vermehrt nötig sei, Menschen zu motivieren, an die Urne zu gehen. Das Bündnis möchte die Eis-Challenge auch vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr veranstalten. Wenn es zur Wahl-Motivation jetzt immer Eis braucht, dann sag ich jetzt schon mal Ciao zu unserer gesellschaftlichen Bikinifigur vor der Bundestagswahl.

    An die Urne zu gehen ist ja nur eine Sache, aber es müssen auch Inhalte transportiert werden. Politikerinnen und Politiker müssen wieder mehr auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen.

    Alternativ: Investitionen in die Demokratiebildung

    Statt jetzt nur noch Eis zu verteilen, hat Klaus Nack aber auch noch andere Ideen: Er wünscht sich, dass der Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Politik auch zwischen den Wahlen wieder beständiger wird. Politikerinnen und Politiker müssten wieder mehr auf die Bürgerschaft zugehen. Er fordert zudem, dass an Schulen und bei jungen Menschen mehr Demokratiebildung stattfindet. Ob durch Jugend-Gemeinderäte oder durch Politikunterricht im Gemeinderat selbst - so wie bei der Alemannenschule in Wutöschingen.

    Wir sollten (mit der Demokratiebildung) bei den Allerkleinsten anfangen, um Strukturen zu schaffen, die junge Menschen früh mit Politikerinnen und Politikern vernetzen.

    Klar, Demokratie ist nicht immer einfach, sondern oft auch ziemlich mühsam, schwer verständlich und alles andere als spaßig, wie man jetzt in Frankreich sieht. Dennoch müssen wir wohl lernen, sie zu verteidigen - ob mit guten Argumenten, grenzüberschreitender Zusammenarbeit - oder mit Eis. Sonst bebt die Erde. Und zwar mit Folgen, die (besonders wir in der Grenzregion) kaum abschätzen können. Das zumindest ist meine Meinung.

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