Prozess am Verwaltungsgericht

Urteil in Freiburg: Klage gegen Rückzahlung der Corona-Hilfen hat wohl Erfolg

Stand
Autor/in
Maya Rollberg
Christof Gerlitz

In Freiburg wurde gegen die Rückzahlung von Corona-Hilfen in Musterverfahren geklagt. Ganz offenbar mit Erfolg. Das Urteil könnte Auswirkungen auf tausende Unternehmen haben.

Wie das Verwaltungsgericht Freiburg auf SWR-Anfrage bestätigte, müssen einige Unternehmen ihre Corona-Hilfen wohl doch nicht zurückzahlen. Zu diesem Schluss kam das Verwaltungsgericht in Freiburg am Donnerstag. In fünf von sechs Fällen der Musterverfahren hat das Gericht nun Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg aufgehoben. Die Urteilsbegründung steht noch aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugelassen.

Unbürokratische Hilfe - so war das Versprechen für die Corona-Hilfen, mit der Unternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler während der Pandemie unterstützt wurden. Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte betont, es müsse nichts zurückgezahlt werden. Allein in Baden-Württemberg nahmen in der Folge vor allem kleinere und mittlere Unternehmen in über 250.000 Fällen Corona-Hilfen in Anspruch.

Am Verwaltungsgericht Freiburg hat ein Musterverfahren begonnen. Es geht darum, ob die Rückzahlungsforderungen von Corona-Hilfen rechtens sind.
Das Musterverfahren am Verwaltungsgericht Freiburg hat am Mittwoch begonnen. Links sitzen Vertreterinnen und Vertreter der L-Bank und des Wirtschaftsministeriums. Die anderen Plätze sind belegt von Anwälten und Steuerberatern der Klägerinnen und Käger.

Plötzliche Rückzahlungsforderungen im vergangenen Jahr

Doch das Ganze sollte ein Nachspiel haben: Im vergangenen Jahr hatte das Land mehr als 60.000 Selbstständige und Kleinunternehmen angeschrieben, sich wegen einer möglichen Rückzahlung der Soforthilfen zu melden. Sie sollten nachweisen, ob die Einnahmeausfälle auch wirklich so hoch waren, wie damals während der Lockdowns geschätzt.

Gegen diese Bescheide ging eine dreistellige Zahl von Klagen bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg ein - Tendenz steigend. Seit Mittwoch wurde am Verwaltungsgericht Freiburg erstmalig geprüft: Waren die Bescheide der L-Bank in Sachen Rückzahlung der Corona-Hilfen rechtswidrig? In fünf von sechs Verfahren kam das Verwaltungsgericht in Freiburg zu dem Schluss: ja. Die Rückforderungsbescheide der Landeskreditbank Baden-Württemberg wurden aufgehoben.

Die Anwältin Christina Oberdorfer vertritt eine Klägerin. Zu dem Musterverfahren sagt sie:

Betroffene Unternehmen haben Existenzängste

Die Bescheide wurden wohl tausendfach und standardisiert verschickt - alle haben also dasselbe Schreiben bekommen. War das in dieser Form rechtens? Und handelt es sich bei den Rückforderungen möglicherweise um einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes? In Baden-Württemberg gab es bisher noch keine Rechtsprechung zur Rückzahlung von Corona-Soforthilfen.

Die bei der Verhandlung beteiligte Anwältin Christina Oberdörfer schildert, dass viele Betroffene jetzt ein zweites Mal Angst haben um ihre Existenz, weil sie die Corona-Hilfen nicht zurückzahlen können.

Die Leute haben Angst, sie sind verzweifelt und enttäuscht. Wir haben selten so viele erwachsene Menschen weinen hören.

Die L-Bank und das Wirtschaftsminisertium schweigen

Auch Vertreterinnen und Vertreter der L-Bank und des Wirtschaftsministeriums waren bei dem Verfahren anwesend. Sie wollten sich zur Sache gegenüber dem SWR nicht äußern. 

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