Einmal im Monat verwandelt sich ein kleiner Laden in Freiburg in ein Paradies für Vinyl-Liebhaber. Es gibt frische Beats vom Plattenteller und Brezeln. Hinter den Turntables steht einer der drei Betreiber des Freiburger Plattenladens. Jeder Track wird mit Insider-Wissen und persönlichen Anekdoten garniert. Luftgitarren werden auch mal rausgeholt. Das Publikum: ein bisschen nerdig und nostalgisch. Alte Hasen und junge Vinylphile.
Listening Sessions am ersten Montag im Monat
Die gute, alte Schallplatte - bei den Listening Sessions wird sie wieder zelebriert. Immer am ersten Montag im Monat kommt sozusagen das Beste nach Ladenschluss. Dann gehen die Lichter aus, nur die Diskokugel und die Schallplatten drehen sich noch. Fans der schwarzen Scheiben nehmen auf Hockern Platz und lauschen den alten und neueren Vinyl-Schätzen.
Jede Session hat ihr eigenes Motto. Dieses Mal geht es um die einflussreichsten Alben aller Zeiten - eine feine Auslese von Tom Lissy, Mitinhaber des Freiburger Plattenladens. Von den Beatles über die Pet Shop Boys bis hin zu Blur. "Schön, dass wieder so viele Leute dem Aufruf gefolgt sind, uns bei guter Musik und schlechten Witzen zu folgen", sagt Lissy schmunzelnd hinter der Ladentheke.
Er greift nach "Revolver", dem siebten Studioalbum der Beatles. "Meine Musiklehrerin war ein großer Beatles-Fan, in der neunten Klasse hatte ich ausschließlich Musikunterricht über die Beatles und nur eine kurze Einheit über Händel", erinnert sich der Vinyl-Enthusiast. Dann setzt er den Tonarm runter und der Song "Here, There and Everywhere" erklingt.
Faszination Vinyl: Musik zum Anfassen und Loslassen
Schallplatte hören, heißt genießen - darum geht es den Fans der Listening Sessions. Per Newsletter ist Stefan Becker aus Efringen-Kirchen (Landkreis Lörrach) auf das Rudelhören aufmerksam geworden. "Vinyl hat viel mit Erinnerung zu tun, so wie man groß geworden ist. Ich hatte immer Schallplatten und bin mit denen auch immer umgezogen", erzählt Becker lächelnd. Der Vinyl-Fan legt viel Wert auf guten Klang: "Für mich klingt es von Platte oftmals besser", sagt Becker.
Julia Mayer aus Freiburg mag es wiederum, in die Musik vollends einzutauchen: "Ich finde es cool, sich die Zeit zu nehmen, eine Platte von vorne bis hinten zu hören - das catcht mich an Vinyl". Ihr Kumpel Max Gutmann schätzt die Haptik: "So eine Platte, da hat man etwas in der Hand, das sieht schön aus und viele haben ja auch noch Poster."
Vinyl sei für viele Hobby und Leidenschaft, meint Ladenbesitzer Tom Lissy. Ihm geht es um das bewusste Musikerlebnis: "Wenn du eine Schallplatte aus deiner Sammlung rausnimmst, die Nadel draufsetzt, dann macht das irgendetwas mit dem Kopf. Der Kopf sagt: Hey, ich höre jetzt Musik." Streaming-Dienste hätten diesen Effekt nicht. "Wenn du Alexa sagst, spiel' mal eine chillige Electro-Swing-Playlist, dann dudelt das im Hintergrund und dein Kopf denkt: Du könntest eigentlich auch mal wieder putzen", so Lissy weiter. Auch Platten-Fan Stefan Becker wird mit Spotify und Co nicht warm. "Zu hektisch", findet er.
Ladenbetreiber: "Vinyl ist kein Trend"
Nach der Vinyl-Hochphase in den 60er- und 70er-Jahren ebbte die Begeisterung für die schwarzen Scheiben zunächst ab. Kassetten und CDs stürmten den Markt und die Schallplatte schien ausgedient zu haben. In den 90er-Jahren sei sie eine "Nische in der Nische" gewesen, so Musikkenner Lissy. Audiophile, Hip-Hopper und Techno-Leute hätten Vinyl hochgehalten. "Ohne sie", sagt Lissy, "hätten wir vielleicht kein Vinyl-Revival erlebt." Anfang der 2000er-Jahre hätten dann viele Indie-Bands wie "The Libertines" oder "The Strokes" ihre Alben wieder auf Platten gepresst. "Die Industrie hat gemerkt: Ah, da geht was und so hat das ein Eigenleben entwickelt."
Heute erlebt Vinyl ein stetiges Wachstum. "Immer mehr Menschen legen sich wieder einen Plattenspieler zu", berichtet Lissy. Ist das nur ein vorübergehender Trend? "Nein", betont Lissy. "Die Vinyl-Platte ist zurück, weil es alles umsonst gibt". Es sei eine Frage der Wertschätzung.
Und es sind nicht nur die Nostalgiker, die zur Platte greifen. Lissy beobachtet, dass auch viele junge Menschen Vinyl schätzen. "Sie sind 18, 19, 20 Jahre alt und wollen ihren Harry Styles und ihre Taylor Swift auf Platte". Aber auch Klassiker, wie Pink Floyd oder Led Zeppelin, seien gefragt.
Immer mehr Schallplatten in Deutschland verkauft
Die Schallplatte feiert ein echtes Comeback. Der Bundesverband Musikindustrie berichtet, dass das Vinyl-Segment seit 2007 kontinuierlich wächst. Der Umsatz hat sich seit 2010 sogar verzehnfacht.
Im Jahr 2022 wechselten in Deutschland 4,3 Millionen Schallplatten den Besitzer. Das ist siebenmal mehr als in den frühen 2000er-Jahren, als nur etwa 600.000 Schallplatten verkauft wurden. 2023 stieg die Zahl der verkauften Schallplatten sogar auf 4,6 Millionen. Das ist ein Plus von 300.000 im Vergleich zum Vorjahr.