Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen - sie nimmt zu. Das zeigen die neuesten Zahlen des Bundeskriminalamts. Auch Frauenberatungsstellen in Südbaden schlagen Alarm: Immer mehr Frauen erfahren Gewalt, für manche endet sie tödlich.
Wenn eine Frau getötet wird, weil sie eine Frau ist, spricht man von einem Femizid. Die Täter? Meist Ehemänner, Ex-Partner oder Familienangehörige. Seit Anfang 2024 hat der SWR allein in Südbaden über elf versuchte oder vollendete Femizide berichtet.
Mehrere Femizide in Südbaden
Vergangenen September wurde eine Frau aus dem Kreis Lörrach von ihrem Partner mit 25 Messerstichen getötet. In diesem Fall ist am Donnerstag das Urteil am Landgericht Waldshut-Tiengen gefallen. Der Beschuldigte war wegen Totschlags angeklagt und hatte die Tat gestanden. In einer Stellungnahme gab der 48-jährige Mann an, dass sich das Opfer mit anderen Männern getroffen haben soll. Es sei zum Streit gekommen. Eifersucht war im Spiel.
Prozess am Landgericht Waldshut-Tiengen Auf Freundin eingestochen: 48-jähriger Mann muss mehr als 8 Jahre hinter Gitter
Gewürgt und erstochen: Nach dem Tod einer Frau in Todtnau muss der Täter, ihr 48-jähriger Partner, achteinhalb Jahre ins Gefängnis. So hat das Landgericht Waldshut-Tiengen geurteilt.
In Simonswald (Kreis Emmendingen) soll ein 35-jähriger Mann seine Frau vergangenen Juni mit einem Ziegelstein, einer Bratpfanne und anderen Gegenständen verprügelt haben. Seine Ehefrau ist an den schweren Verletzungen am Kopf und am Körper gestorben. In dem abgesetzten Notruf behauptete der Mann, seine Frau hätte ihn angegriffen und sei nun bewusstlos. Die Blutspuren an den Wänden und die Verwüstung der gemeinsamen Wohnung zeigten den Einsatzkräften ein anderes Bild. Eine Kundgebung vom Frauenkollektiv Freiburg vor dem Landgericht Freiburg ist am Donnerstag geplant. Das Urteil wird Mitte April erwartet.
Eine 54-jährige Frau aus Schramberg (Kreis Rottweil) ist Ende Februar tot im Keller ihres Hauses gefunden worden. Den leblosen Körper fanden die Polizisten versteckt in einer Dachbox. In Untersuchungshaft sitzt derzeit ihr 20-jähriger Sohn. Er steht unter Mordverdacht. Wann der Prozess beginnt, ist bislang unklar.
In Deutschland wird ein Femizid juristisch meist als Mord oder Totschlag eingestuft. Dazu eine Beraterin von der Frauenberatungsstelle in Lörrach. Die Beraterin möchte anonym bleiben:
Die Gefahr in den eigenen vier Wänden
Ob psychische, körperliche oder sexualisierte Gewalt: Die Zahlen sind in allen Bereichen laut dem Lagebild zu geschlechtsspezifischen Gewalttaten gegen Frauen angestiegen. In Deutschland wird fast jeden Tag eine Frau getötet, weil sie eine Frau ist. 360 Femizide hat das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2023 registriert. Gewalt, die sich gegen Frauen richtet, findet meistens hinter verschlossenen Türen statt.
Unsere Erfahrung ist, dass die meisten Täter in der Öffentlichkeit in der Lage sind, sich ziemlich überzeugend zu verhalten oder ihre Emotionen unter Kontrolle haben.
Mehr als 16.400 Fälle von häuslicher Gewalt haben die Behörden in Baden-Württemberg im Jahr 2023 registriert. Es sei weniger der dunkle Park auf dem Nachhauseweg am späten Abend, als vielmehr die eigenen vier Wände in denen Mädchen und Frauen oftmals Gewalt erfahren, so die Beraterinnen der Frauenberatungsstelle in Lörrach.
Femizide als Form der Kontrolle
Geschlechtsspezifische Gewalt sei ein tief verwurzeltes Problem, betonen die Expertinnen der Frauenberatungsstelle. Hinter Femiziden stecke oft das Bedürfnis nach Kontrolle und Macht. Wenn Frauen sich trennen oder eigene Wege gehen, fühlten sich manche Männer bedroht - und reagierten mit Gewalt, sagen sie.
Wenn es zu einem Femizid kommt, ist das wie die maximale Art der Kontrolle.
Lichtblick: Gewalthilfegesetz?
Bisher hatten Gewaltopfer in Deutschland keinen gesetzlichen Anspruch auf Schutz und Hilfe. Ob eine Frau einen Platz im Frauenhaus bekommt, hängt derzeit davon ab, ob es freie Kapazitäten gibt. Und oft auch davon, aus welchem Bundesland sie kommt.
Das liegt daran, dass die Finanzierung und Aufnahmebedingungen für Frauenhäuser je nach Kommune und Region unterschiedlich geregelt sind. Ab 2032 soll sich das ändern: Dann hat jede Frau das Recht auf einen kostenlosen Frauenhausplatz und auf Beratung. Für den Ausbau des Hilfesystems stellt der Bund den Ländern 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung.