Wer in Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen) in der Stadtverwaltung arbeitet, kann ab sofort jeden Freitag frei machen - vorausgesetzt, die 39 Wochenstunden Arbeitszeit sind schon bis Donnerstagabend erledigt. Die Regelung ist mit dem neuen Jahr in Kraft getreten und gilt für knapp 40 Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Für Einwohner bedeutet das: Freitags bietet das Rathaus keine generellen Sprechzeiten und Öffnungszeiten mehr an. Sondertermine wie etwa Hochzeiten können aber auch weiterhin für Freitage vereinbart werden.
Vier-Tage-Woche: Die gleiche Arbeit an weniger Tagen
Sandra Thelen-Boigs freut sich sehr über die neue Regelung. Sie ist die pädagogische Gesamtleiterin in Weil, managt die sieben Kitas der Stadt, den Hort und die Kinderbetreuung an der Grundschule. Bislang ging ihre Arbeitswoche von Montag bis Freitag. "Aus der freien Wirtschaft kennt man die Vier-Tage-Woche und das Innovative", sagt Thelen-Boigs. "Dass wir jetzt die Vorreiter im Öffentlichen Dienst sind und zu den ersten Rathäusern gehören, die das anbieten, macht mich sehr stolz."
Längere Besuche bei Verwandten werden möglich
Die Pädagogin bekommt mehr Flexibilität - zum Beispiel, um an den Wochenenden ihre Mutter zu besuchen, die im Badischen wohnt. "Dann lohnen sich die langen Wege", sagt die Kita-Managerin. Wer in der Verwaltung in Weil am Schönbuch am Freitag nicht arbeitet, muss niemandem Bescheid sagen - auch nicht der eigenen Chefin oder dem Chef. "Das ist ein ganz komisches Gefühl, einfach nicht zu kommen", sagt Thelen-Boigs. "Für mich ist das ein großes Vertrauen, das uns entgegengebracht wird."
Bürgermeister: Vor Vier-Tage-Woche "null" Bewerbungen
Die Idee zur Vier-Tage-Woche hatte Bürgermeister Wolfgang Lahl aus der Not heraus. Vor einigen Monaten hatte der Gemeinderat neue Stellen bewilligt. Aber auf einige der Ausschreibungen gab es in den ersten beiden Runden gar keine Bewerbungen. "Null", betont Bürgermeister Lahl und klingt dabei noch immer ziemlich fassungslos.
Ihm wurde klar: Die Stadtverwaltung muss attraktiver werden. Immer wieder hätten Bewerberinnen und Bewerber in Gesprächen nach flexiblen Arbeitszeiten gefragt, berichtet Lahl. Also beschäftigte er sich mit dem Thema und stieß auf das Beispiel der Stadt Mengen im Kreis Sigmaringen.
Kommune setzt auf neues Arbeitszeitmodell Stadt Mengen führt die Vier-Tage-Woche ein
Die Stadt Mengen führt ab 1. Juni die Vier-Tage-Woche ein. Interessierte können dies ab sofort beantragen. So sollen Arbeitsplätze in der Verwaltung attraktiver werden.
Mengen hatte - vermutlich als erste Stadt in Baden-Württemberg - schon vergangenen Sommer eine Vier-Tage-Woche eingeführt. Lahl kopierte das Konzept. "Wir sind damit die zweiten in Baden-Württemberg, die es eingeführt haben", sagt der parteilose Bürgermeister.
Vier-Tage-Woche: Bürgermeister spürt bereits Effekt
Mitte Oktober 2023 fasste der Gemeinderat den entsprechenden Beschluss. Es sprach sich herum, dass die Viertagewoche Anfang 2024 kommen würde. "In der kurzen Zeit hat sich die Bewerberlage deutlich verbessert", sagt der Rathauschef.
Ein Tiefbauingenier wird noch gesucht. Aber abgesehen davon seien inzwischen alle Stellen in der Verwaltung besetzt, so Lahl. Die Vier-Tage-Woche in der Stadtverwaltung dürfte Nachahmer bekommen. Drei andere Bürgermeister haben sich bereits beim Weiler Rathauschef danach erkundigt.