Immer wieder drängt Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) auf konsequentere Abschiebungen von sogenannten Gefährdern und schweren Straftätern. Auf SWR-Anfrage legte ihr Ministerium nun aktuelle Zahlen zu den Straftätern vor: Demnach wurden bis Ende Juli dieses Jahres rund 500 Straftäter aus Baden-Württemberg abgeschoben. Im Jahr 2022 waren es rund 600 Menschen. Insgesamt wurden in diesem Jahr bislang rund 1.100 Menschen abgeschoben. Dagegen hat das Land in den ersten sieben Monaten dieses Jahres auch 17.150 neue Asylzugänge gezählt.
Eine sogenannte Duldung hatten Ende 2022 mehr als 34.000 Menschen in Baden-Württemberg. Das heißt, die Menschen sind weiterhin ausreisepflichtig. Sie dürfen aber vorübergehend bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können, da sie zum Beispiel keine Ausweisdokumente haben oder krank sind.
Zu den sogenannten Gefährdern nennt das Ministerium keine konkreten Zahlen. So bezeichnen die Sicherheitsbehörden Menschen, denen sie schwere, politisch motivierte Gewalttaten zutrauen - bis hin zu Terroranschlägen. Abgeschoben worden sei eine "einstellige Zahl an Gefährdern und relevanten Personen" in diesem und im vergangenen Jahr, teilte das Ministerium mit. Darüber hinaus äußerte es sich auf SWR-Anfrage nicht dazu, wie viele sogenannte Gefährder in Baden-Württemberg momentan ausreisepflichtig sind oder in Haft sitzen.
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Gentges-Kritik: Keine Abschiebungen nach Afghanistan
Angesichts der Diskussion um Abschiebungen von Clan-Mitgliedern hat Gentges dem Bund am Montag vorgeworfen, die Augen vor dem Wesentlichen zu verschließen. Abschiebungen, die dringend durchgeführt werden müssten, würden weiter auf die lange Bank geschoben, so Gentges wörtlich.
Zuletzt hatte Gentges wiederholt aufgefordert, ausreisepflichtige Menschen konsequenter abzuschieben. "Bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern bestehen strukturelle Probleme, die der Bund endlich lösen muss und für die er auch verantwortlich ist", sagte sie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Sogenannte Gefährder und schwere Straftäter, die die Sicherheit im Land gefährdeten, würden eben teilweise nicht abgeschoben, weil das zum Beispiel im Falle von Afghanistan nicht möglich sei. Hier müsse der Bund aber handeln und nicht vage Diskussionspapiere in den Umlauf bringen.
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Ein afghanischer "Gefährder im Hochrisikobereich"
In einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vom vergangenen Freitag hatte sie Beispiele genannt. So gebe es in Baden-Württemberg mehrere vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige, bei denen - auch von den Verwaltungsgerichten bestätigt - kein Abschiebeverbot vorliege. Das heißt, den ausreisepflichtigen Afghanen droht laut Prüfung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr keine Gefährdung.
Die Abschiebung dieser ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen "sollte mit Hochdruck betrieben werden, weil eine deutliche Gewaltbereitschaft vorliegt oder weil es sich um verurteilte Sexualstraftäter mit besonders hoher Wiederholungsgefahr handelt", schrieb Gentges. Darunter befinde sich auch ein afghanischer Staatsangehöriger, der durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg als "Gefährder im Hochrisikobereich" eingestuft worden sei.
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Flüchtlingsrat: "Für viele der soziale Tod"
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg sieht hingegen ein anderes Problem: "Viele von ihnen sind fester Bestandteil der Gesellschaft, sie haben oft einen Arbeitsplatz, bringen sich ein und verdienen Geld", sagte Geschäftsleiterin Anja Bartel. "Aber sie werden dennoch teils nach vielen Jahren erst aus dem System gerissen, um in einer für sie fremden Gesellschaft neu anfangen zu müssen. Für sie ist das die völlige Perspektivlosigkeit, der soziale Tod." Es gebe zudem weiterhin Menschen, die zwar ein Bleiberecht hätten, die aber mangels Kenntnis und wegen schlechter Beratung durch die Behörden abgeschoben würden.
Auch der Begriff der Straftäter könne täuschen und falsche Vorstellungen wecken. "Er suggeriert, dass es sich um Menschen handelt, die kriminell seien", sagte Bartel. "Dabei gibt es aufenthaltsrechtliche Straftaten, die nur von Migrantinnen und Migranten begangen werden können, wie zum Beispiel eine illegale Einreise."
Der Flüchtlingsrat lehnt Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich ab. Das sei auch bei sogenannten Gefährdern der Fall, teilte die Geschäftsleiterin auf SWR-Anfrage mit.
Ministerium: Auch Flüge in Drittstaaten sollten geprüft werden
Gentges und Faeser streiten schon länger über den aktuellen Abschiebestopp in Konfliktländer. So hatte Gentges in der Vergangenheit versucht, einen verurteilten Vergewaltiger aus Illerkirchberg nach Afghanistan abschieben zu lassen. Der Bund hatte sich geweigert und darauf verwiesen, dass Abschiebungen nach Afghanistan seit August 2021 ausgesetzt seien. Grund dafür sei die Sicherheitslage vor Ort.
Ein Sprecher des Landesjustizministeriums gibt auf SWR-Anfrage zu bedenken, es sei widersprüchlich, wenn der Bund den Eindruck vermittele, es gäbe keine Kontakte mit dem Taliban-Regime um die Rückführung schwerer Straftäter in die Wege zu leiten. Schließlich habe der Bund bis in den vergangenen Herbst hinein 114 Charterflüge für Schutzbedürftige aus dem Land organisiert. Geprüft werden sollten auch Flüge in Drittstaaten kombiniert mit einer Landüberstellung nach Afghanistan, so der Sprecher weiter.