Seit Gründung des Sonderstabs "Gefährliche Ausländer" Ende 2018 hat das Land Baden-Württemberg 313 ausreisepflichtige gefährliche Straftäter abgeschoben. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien, der Türkei und dem Irak, wie das Justizministerium mitteilte.
Identität von Tätern oft ungeklärt
Größtes Problem bei einer Abschiebung sei mit weitem Abstand, die Identität und Staatsangehörigkeit der Betroffenen zu klären, sagte der Leiter des Sonderstabs, Falk Fritzsch. Von den rund 34.000 ausreisepflichtigen Ausländern in Baden-Württemberg könne man derzeit rund 13.000 Menschen wegen ungeklärter Identität nicht abschieben.
Bei Verurteilten gelte: Je kürzer die Haftstrafe - von einem Jahr bis fünf Jahren - und je brisanter der Fall, desto wahrscheinlicher, dass der Sonderstab eingreift: "Wir sind eine Art Feuerwehr".
Ziel ist es laut Stabsleiter Fritzsch, ausreisepflichtige Straftäter aus dem Gefängnis heraus möglichst rasch abzuschieben. Bei längeren Haftstrafen hätten die Ausländerbehörden genügend Zeit, dies vorzubereiten.
Ermittler verhandeln mit Straftätern im Gefängnis
Um die Identität von Straftätern zu klären, werten die Spezialisten des Sonderstabs Handys aus oder überprüfen Auslandsüberweisungen. Manchmal führen sie auch direkte Gespräche mit ausreisepflichtigen Ausländern, die wegen schwerer Straftaten schon verurteilt sind und im Gefängnis sitzen.
Dann ist ihr Anliegen, diese Menschen zu überzeugen, schon vor Verbüßung der ganzen Haftstrafe das Land zu verlassen. Den Rest der Strafe müssten die Täter etwa nur dann absitzen, wenn sie illegal wieder einreisen würden. So ist es auch im Fall eines Mannes aus Tunesien, der in der Silvesternacht in Heilbronn Polizisten angegriffen hatte und nun abgeschoben wird.
Beschleunigtes Verfahren in Heilbronn Silvester-Randalierer abgeschoben: Ministerium nennt Details
Im Fall des jetzt nach Tunesien abgeschobenen Heilbronner Silvester-Randalierers hat das Justizministerium auf SWR Anfrage weitere Einzelheiten genannt.
Der Fall Illerkirchberg
Die Arbeit des Sonderstabs "Gefährliche Ausländer" sei überwiegend erfolgreich, findet Leiter Fritzsch. In einigen Fällen sei die Arbeit der Spezialisten aber vergeblich. So wie bei dem verurteilten Vergewaltiger von Illerkirchberg (Alb-Donau-Kreis), einem Afghanen, der nach Verbüßung seiner Haftstrafe auf freiem Fuß ist. Er hatte mit Mittätern 2019 eine 14-Jährige vergewaltigt - und kann derzeit nicht abgeschoben werden. Der Bund verweist darauf, dass Abschiebungen nach Afghanistan wegen der unsicheren Lage dort ausgesetzt sind.
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Das BW-Justizministerium hat sich in Berlin dafür eingesetzt, dass ein Mann abgeschoben werden kann. Er war vor drei Jahren an einer Vergewaltigung in Illerkirchberg beteiligt. Das zeigen Briefe, die dem SWR vorliegen.
Im Fokus: Mehrfachtäter und Gefährder
Der Sonderstab des Justizministeriums arbeitet mit den Regionalen Sonderstäben in Baden-Württemberg zusammen und fungiert laut Fritzsch auch als Schnittstelle zum Bund. Die Kapazitäten der Sonderstäbe mit insgesamt rund 15 Mitarbeitern (zehn Polizisten, drei Verwaltungsfachleute, zwei Juristen) seien allerdings begrenzt. Deshalb könnten nur handverlesene Fälle bearbeitet werden.
Im Fokus stünden besonders auffällige und wiederholt straffällig gewordene Personen sowie sogenannte Gefährder, denen man beispielsweise einen Anschlag zutraut. Polizei, das Landeskriminalamt, Bürgermeister sowie Landräte melden die Fälle. Welche bearbeitet werden, entscheiden dann die Sonderstäbe.