Zwei von drei Abschiebeversuche in Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr gescheitert. Das zeigen laut der Deutschen Presse-Agentur Zahlen des dafür zuständigen Landesjustizministeriums. Es antwortet damit auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Ruben Rupp (AfD).
Entwicklung bei Abschiebungen in BW: Immer mehr Versuche scheitern
Den Zahlen des Justizministeriums zufolge wurden 2022 von 4.787 Abschiebeversuchen 1.654 tatsächlich durchgeführt. Dies entspricht einem Anteil von rund einem Drittel. Im Vorjahr lag die Quote erfolgreicher Abschiebungen noch bei knapp 40 Prozent. 2016 war noch etwa die Hälfte der Versuche erfolgreich.
Die Anzahl der Abschiebungen in Baden-Württemberg ist trotz der vielen gescheiterten Versuche 2022 im Vergleich zu den beiden Vorjahren allerdings angestiegen. Während der Corona-Pandemie waren deutlich weniger Menschen abgeschoben worden - nämlich nur 1.383 beziehungsweise 1.320 Menschen.
Nach Corona-Pandemie Zahl der Abschiebungen in BW wieder gestiegen
Während der Corona-Pandemie wurden deutlich weniger Menschen aus Baden-Württemberg abgeschoben. Das hat sich 2022 wieder geändert. Viele Weitere müssten eigentlich ausreisen.
Viele Gründe für gescheiterte Abschiebungen
Die Gründe für das Scheitern sind laut dem Ministerium vielfältig. Unter anderem wurden Betroffene in 1.186 Fällen nicht angetroffen. Auch organisatorische Gründe verhinderten in 1.239 Fällen die Ausreise. Das bedeutete beispielsweise, dass die Fluggesellschaft einen bereits gebuchten Flug stornierte oder Reisedokumente nicht rechtzeitig vom Zielstaat ausgestellt wurden.
In 185 Fällen scheiterten Abschiebungen daran, dass die Betroffenen untergetaucht sind. Auch familiäre Gründe (109) oder "renitentes Verhalten" (101) standen Abschiebungen im Weg. Im Oktober hatte die Regierung sich darauf geeinigt, Menschen mit Bleibe-Perspektive ab Januar dieses Jahres nicht mehr abzuschieben.
AfD kritisiert Landesregierung wegen gescheiterter Abschiebeversuche
"Die Landesregierung hat hier klar an den falschen Stellen gespart und der politische Wille fehlt, Indiskretionen bezüglich Abschiebeterminen abzustellen", kritisierte der AfD-Politiker Rupp. Er sprach sich für eine neue Strategie aus, um das Untertauchen der Ausreisepflichtigen effektiv zu verhindern.
Aus anderen Gründen war die Abschiebepraxis in Baden-Württemberg bereits im vergangenen Jahr in Pforzheim und in Reutlingen kritisiert worden. Eine Sprecherin der Grünen Jugend sagte dort beispielsweise, dass Menschen, die seit Jahren in Deutschland seien, sich integriert und Arbeit gefunden hätten, trotzdem mit Gewalt aus der Gesellschaft heraus gerissen würden. Auch Fälle von Menschen aus dem Ausland, die hier eine Ausbildung machen und abgeschoben werden, machen immer wieder Schlagzeilen - etwa in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) oder Karlsruhe.
SWR Aktuell berichtete in der Sendung vom 7. Dezember 2022 über einen Fall in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis), wo ein Bäcker-Lehrling abgeschoben werden sollte:
Immer mehr Menschen in Abschiebegefängnis
Der Antwort auf die Anfrage zufolge wächst auch die Zahl der Menschen, die im zentralen Abschiebegefängnis Pforzheim sitzen. 2020 waren es demnach 339 Personen. Im Jahr 2021 waren es dann bereits 418. Im vergangenen Jahr wurden 428 Menschen dort untergebracht. Bei ausreisepflichtigen Straftätern ist in Baden-Württemberg ein Sonderstab aktiv.
Zuletzt Abschiebung eines Heilbronners Sonderstab in BW: Bisher 313 Intensivtäter abgeschoben
Die Abschiebung von Straftätern scheitert oft an der Bürokratie. Deshalb wurde 2018 der Sonderstab "Gefährliche Ausländer" gegründet. Der Leiter sieht seine Abteilung als Feuerwehr.
Fast 39.400 Menschen in Baden-Württemberg waren zum Stichtag 31. Dezember 2022 ausreisepflichtig, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht. Mehr als jeder Zehnte stammt aus Gambia (12,2 Prozent), 4.526 der Ausreisepflichtigen mit abgelehntem Asylantrag kamen aus Nigeria (11,5 Prozent). Es folgen der Irak (11,2 Prozent), Afghanistan (7,3 Prozent) und die Türkei (4,6 Prozent).
Viele Ausreisepflichtige in BW werden geduldet
Laut Bundesregierung waren deutschlandweit 304.308 Ausländerinnen und Ausländer ausreisepflichtig, davon verfügte die Mehrheit (248.145) über eine sogenannte Duldung. Geduldete bleiben ausreisepflichtig, dürfen aber vorübergehend bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können, etwa weil sie keine Ausweisdokumente haben oder eine Krankheit.
Auch in Baden-Württemberg verfügte die große Mehrheit der Ausreisepflichtigen über eine Duldung, nur 5.149 der insgesamt 39.386 Ausreisepflichtigen war den Angaben zufolge ohne Duldung.
Flüchtlingsrat verweist auf individuelle Situation der Ausreisepflichtigen
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg betont, dass einige Flüchtlinge nicht abgeschoben worden seien, weil sie einen Härtefallantrag eingereicht oder andere Rechtsmittel eingelegt hätten - was im vergangenen Jahr auf rund 80 Fälle zutraf.
Andere machten von ihrem Recht Gebrauch, freiwillig auszureisen (86 Fälle), sagte die Leiterin der Geschäftsstelle, Anja Bartel. Zur Tatsache, dass viele Flüchtlinge bei der Abschiebung nicht angetroffen werden, sagte sie, dass das individuell sehr nachvollziehbar sei. "Klar gibt es Menschen, die versuchen, ihrer Abschiebung aus dem Weg zu gehen", sagte Bartel.
Landesmigrationsministerin Marion Gentges (CDU) hatte erst kürzlich darauf verwiesen, dass eine wirtschaftliche Perspektivlosigkeit in anderen Ländern für sich genommen kein Asylgrund sei. "Mit der entsprechenden Unterstützung des Bundes könnten wir noch konsequenter vorgehen."