Nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim hat die CDU in Baden-Württemberg einen Aktionsplan gegen den extremistischen Islamismus präsentiert. Der Maßnahmenkatalog wurde am Freitag unter anderem von CDU-Landeschef Manuel Hagel vorgestellt. Der Rechtsstaat müsse gegen Angriffe aller Art verteidigt werden, so Hagel.
"Wir sollten rauskommen aus dem Dauerzustand der politischen Analyse", sagte Hagel nach der Sitzung von Präsidium und Landesvorstand seiner Partei. Der Bundesregierung warf er vor, trotz der derzeitigen Gespräche unter anderem über schnellere Auslieferungen nur halbherzig an die Herausforderungen heranzugehen.
Exmatrikulation extremistischer Studierender soll leichter werden
An Hochschulen des Landes Baden-Württemberg gebe es keinen Platz für islamistische und extremistische Studenten, hieß es in dem Maßnahmenkatalog, der dem SWR vorab vorlag. Deswegen müsse im Landeshochschulgesetz die Möglichkeit dafür geschaffen werden, solche Studierenden zu exmatrikulieren, so die Forderung der CDU. Das grün geführte Wissenschaftsministerium teilte auf SWR-Anfrage mit, dass im Hochschulgesetz des Landes bereits Ordnungsverstöße definiert sind. Diese können sanktioniert werden - bis zur Exmatrikulation.
Nach Messerattacke in Mannheim BW will mehr als 40 afghanische Schwerstkriminelle schnell abschieben
Jetzt also doch: Nach dem Messerangriff in Mannheim will der Kanzler Schwerstkriminelle aus Afghanistan und Syrien abschieben. Die BW-Justizministerin drückt aufs Tempo.
CDU für Rückführungen von Extremisten nach Afghanistan und Syrien
Die Christdemokraten fordern eine Verschärfung der Gesetzeslage: Wer in Deutschland ein Kalifat fordere und zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufe, habe laut CDU sein Bleiberecht verwirkt. Extremistische Moscheen müssten geschlossen werden.
Die CDU sprach sich auch für Rückführungen nach Afghanistan und Syrien von ausreisepflichtigen Extremisten aus. Dazu brauche es einen unbefristeten "Ausreise-Arrest", bei dem auch eine freiwillige Ausreise möglich sein soll. Wenn Extremisten eine doppelte Staatsbürgerschaft besäßen, müsse es auch möglich sein, die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Über dieses Thema wurde auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag gesprochen - allerdings ohne konkretes Ergebnis. Die Bundesregierung werde Anstrengungen unternehmen, straffällige Staatsangehörige aus Afghanistan und Syrien in ihre Heimatländer zurückzuführen, so kündigte es Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an. Unklar blieb, wie die Verhandlungen mit den jeweiligen Regierungen verliefen. Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) ermöglicht allerdings ein neues Gesetzespaket den Landesbehörden bald schnellere Abschiebungen.
Gewerkschaft fordert Regeländerung Null Fälle: Warum die Polizei in BW 2023 keine Taser eingesetzt hat
Angreifer außer Gefecht setzen, ohne das Risiko einer tödlichen Verletzung: Dazu sollen Elektroschocker dienen. In BW tragen nur Spezialkräfte der Polizei sie bei sich - eingesetzt wurden sie dieses Jahr bisher nicht.
Taser sollen landesweit eingesetzt werden
Für die Sicherheitsbehörden fordert die CDU die mögliche Nutzung von Künstlicher Intelligenz und die Speicherung von IP-Adressen, um bei Anschlagsplänen rechtzeitig einschreiten zu können. Für die Polizei will die CDU die flächendeckende Ausrüstung mit Elektrodistanzgeräten. Momentan werden die sogenannten Taser nur von Spezialkräften verwendet.
Unterstützung für die Vorschläge der CDU kam von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ausdrücklich auch beim Thema Taser. Der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer sagte dem SWR, der Taser sei zwar kein Allheilmittel, vermutlich hätte er in Mannheim nicht geholfen.
Aber in sehr vielen Fällen würde ein Taser Leben retten. "Auch wenn es in der Regel das Leben des Täters ist. Aber man darf nicht vergessen, dass auch der Polizist, der mangels Taser schießen muss, damit leben muss, einen Menschen getötet zu haben. Ein Schuss mit der Dienstwaffe verändert das Leben", so Kusterer. Er wies daraufhin, dass es bei Tasern eine neue Generation gebe, die auch das Abgeben von mehreren Schüssen ermögliche.
Polizeigewerkschaft begrüßt Vorschläge der CDU
Aus Sicht der DPolG brauche es beim Thema Rückführung von ausländischen Straftätern eindeutige politische Entscheidungen und Rechtsgrundlagen, die die Bundesregierung derzeit vermissen lasse, so Kusterer gegenüber dem SWR. "Wer unserer Bundespolizei die richtigen und umfassenden Kompetenzen zuweist, wird schnell spüren, wie handlungsfähig die Polizei in diesen Bereichen sein kann." Auch die Vorschläge der CDU für eine Stärkung des Sonderstabs gefährliche Ausländer begrüßt die Gewerkschaft.
CDU-Chef Hagel kündigte Gespräche mit den Grünen als Koalitionspartner in der Landesregierung an, um im Hinblick auf die Haushaltsberatungen in Baden-Württemberg über eine Stärkung des Verfassungsschutzes und eine bessere Ausstattung der Polizei zu verhandeln. Mit den am Freitag formulierten Ideen werde die Partei zudem auf die zuständigen Ansprechpartner - darunter die CDU-geführten Ministerien für Inneres und Justiz und das grün geführte Wissenschaftsministerium - zugehen. Auf die Frage von Journalisten nach Prioritäten für die Verhandlungen mit den Grünen antwortete Hagel nur kurz: "Das ganze Papier."
Grüne fordern mehr Durchsetzungskraft bei Vereinsverboten
Auch die Grünen sehen laut einer ersten Reaktion des Landesvorsitzenden Handlungsbedarf. Parteichef Pascal Haggenmüller sagte dem SWR im Hinblick auf extremistische Moscheen: "Das Innenministerium ist bei der Durchsetzung von Vereinsverboten aus unserer Sicht noch zu zögerlich und zaghaft." Für eine effektive Strafverfolgung brauche es außerdem neben einer gut aufgestellten Polizei gut ausgestattete Staatsanwaltschaften und Gerichte. "Wir brauchen ein hartes Vorgehen gegen radikale Prediger und islamistische Vereine", so Haggenmüller.
Extremismusbekämpfung müsse verstärkt als gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, so der Grünen-Landeschef. Aus Sicht seiner Partei brauche es verstärkt Präventions- und Bildungsarbeit sowie den Ausbau von Deradikalisierungsprogrammen, auch um der zunehmenden Radikalisierung im Internet effektiv zu begegnen.