Mehrere Jahre lang hat der Pfadfinderbund Nordbaden die Fälle sexuellen Missbrauchs untersucht. Die meisten liegen Jahrzehnte zurück, fast alle Täter sind inzwischen tot. Auslöser für die umfangreichen Recherchen war der Missbrauchs-Skandal an der Heppenheimer Odenwaldschule (Kreis Bergstraße). Schon Ende der 1990er Jahre wurde bekannt, dass es in dem Internat jahrzehntelang Missbrauch gegeben hatte, doch erst 2010 wurde der Skandal richtig öffentlich.
Bei der Pressekonferenz in Heidelberg am Freitag betonte die Sprecherin des Jugendbundes, Rahel Baumert, dass das entwickelte Konzept zur Prävention schon gut gelebt werde. Aber man müsse herausfinden, wie man es noch besser an die Kinder und Jugendlichen weitertragen könne.
Musiklehrer der Odenwaldschule war bei Pfadfindern aktiv
Als einer der Haupttäter galt damals der Musiklehrer Wolfgang Held. Er war auch beim Pfadfinderbund Nordbaden in den 1950er und 1960er Jahren als "Stammesführer“ in Heidelberg aktiv, heißt es in einer Pressemitteilung der Pfadfinder. Diese Kontakte habe er genutzt, um einige seiner Odenwaldschüler auf eine Hütte des Pfadfinderbunds zu bringen. Dort sollen sie sexuell missbraucht worden sein. Ein Interview mit einem der Opfer im Jahr 2020 habe dann den Aufarbeitungsprozesses innerhalb des Pfadfinderbunds angestoßen. Dabei seien weitere Fälle aufgetaucht, die nie zu Konsequenzen geführt hätten.
2023 wurde der mutmaßliche Täter aus dem Pfadfinderbund ausgeschlossen
Im Zuge der internen Aufarbeitung haben sich laut Pfadfinderbund immer mehr von sexuellem Missbrauch Betroffene gemeldet, bei denen die mutmaßlichen Täter deutlich jünger seien. Diese Taten reichten vom Ende der 1980er bis in die 2000er Jahre. Man habe dabei festgestellt, dass frühe Hinweise auf diese sexuellen Missbrauchsfälle nicht ausreichend aufgegriffen wurden. Das wurde korrigiert, indem eine der beschuldigten Personen aus dem Pfadfinderbund 2023 ausgeschlossen wurde. Andere Jugend-Organisationen, mit denen diese Person zu tun hatte, wurden über diesen Ausschluss informiert.
Experten haben ein Präventions-Konzept erarbeitet
Bei der internen Aufarbeitung sei den Verantwortlichen klar geworden, dass man Missbrauch schon im Ansatz verhindern müsse, heißt es weiter. Das aktuelle Konzept sieht demnach viele Maßnahmen vor, um durch Aufklärung und Schulungen eine Kultur des Hinsehens zu etablieren, um so sexualisierten Übergriffen, Gewalt und Machtmissbrauch, aber auch schon Grenzüberschreitungen, entgegenzutreten.
So ist es beispielsweise fester Bestandteil der Gruppenleiterausbildung, in den Themen Präventionsarbeit und Sexualpädagogik geschult zu werden. Außerdem müssen alle, die mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt stehen, regelmäßig ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Neue Struktur soll im Verdachtsfall greifen
Neben "Aufklärung und einer gelebten Kultur des Hinsehens" soll es künftig auch eine neue Struktur geben, die im Ernstfall eingreift und Entscheidungen trifft. Dazu gehören eine allgemeine Vertrauensperson (im Bund oder auch außerhalb bei Fachberatungsstellen), ein sogeanntes Awarenessteam, das auf Veranstaltungen als Ansprechperson fungiert und bei Fahrten und Lagern schnell eingreifen kann. Diese sind mit einem Halstuch in Regenbogenfarben gekennzeichnet. Außerdem ein Interventionsteam, das bei einem konkreten Verdachtsfall aktiv wird und auch schnell handeln kann.
Das Interventionsteam könne zum Beispiel eine angeschuldigte Person zunächst beurlauben und, je nach Schweregrad, auch einen Ausschluss aus dem Bund beantragen. Das würde dann auch anderen Verbänden und Organisationen gemeldet. Außerdem sollen Hilfsangebote außerhalb des Bundes (wie etwa eine psychotherapeutische Behandlung oder juristische Beratung) durch das Interventionsteam vermittelt werden.
Pfadfinderbund Nordbaden distanziert sich von früheren Mitgliedern
Mit dem Gang an die Öffentlichkeit will der Pfadfinderbund Nordbaden nach eigenen Worten "einen klaren Trennstrich zu den Missbrauchsfällen einiger seiner Mitglieder ziehen". Außerdem wolle man gegenüber möglichen weiteren Betroffenen zum Ausdruck bringen, dass man die Taten zwar nicht rückgängig machen kann, aber alles dafür tue, dass solche in Zukunft nicht mehr passieren.