Licht aus! Mit Einbruch der Dunkelheit werden am Freitagabend viele Kommunen, Unternehmen und Privatmenschen ihre Außenbeleuchtung dimmen oder sogar komplett abschalten. Die ganze Nacht über soll es deutlich weniger künstliches Licht auf der Erde geben. Mit der Aktion wollen die Initiatoren der sogenannten "Earth Night" auf die zunehmende Lichtverschmutzung unseres Planeten aufmerksam machen - denn helle Nächte sind ein gravierendes Problem für die Umwelt.
Brigitte Heinz ist Fledermausexpertin und streift regelmäßig durch das nächtliche Heidelberg. Vor einigen Jahren fiel der Biologin auf, dass die Nächte in ihrer Stadt immer heller wurden. Straßenlaternen, Schaufenster, Parkhäuser, Industrieanlagen, Fassaden und Gärten - gerade mit der Einführung von innovativen LED-Lampen und Solarleuchten seien viele Orte die ganze Nacht über hell erleuchtet, kritisiert die Naturschützerin vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Millionen von Jahren funkelten nachts nur die Sterne am Himmel, der Mond war die hellste Lichtquelle am Firmament. Doch mit der Erfindung des elektrischen Lichts vor über 100 Jahren sei der Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten, erklärt die Heidelberger Biologin - mit fatalen Auswirkungen auf das Ökosystem. Insekten umschwirren Straßenlaternen bis zur "totalen Erschöpfung", allein in Deutschland verenden so jedes Jahr Milliarden von Motten, Fliegen und Mücken. Fledermäuse sind bei Nachtlicht desorientiert, Igel wagen sich nicht aus ihrem Versteck. Amseln, Kohlmeisen und Rotkehlchen fangen mitten in der Nacht an zu singen, weil sie "nicht schlafen können". Der natürliche Lebenszyklus vieler Tiere sei erheblich "gestört", erklärt Heinz.
Bäume, die nachts einer Lichtquelle ausgesetzt sind, betreiben weiter Photosynthese. Die Blätter werden deshalb größer, als es normalerweise der Fall ist. Im Sommer drohen sie schneller auszutrocknen, im Winter sind die Bäume weniger frostresistent.
Ist es nachts zu hell, gerät auch die innere Uhr des Menschen aus dem Takt. Die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin wird bei zu viel Licht gestört, wichtige Regenerationsprozesse leiden.
Weltweite Lichtverschmutzung aus dem All deutlich sichtbar
Deutlich sichtbar ist die weltweite Lichtverschmutzung aus dem All. Im Planetarium des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Astronomie auf dem Königstuhl können Besucher sehen, wo es auf der Erdoberfläche bei Nacht überall funkelt. Die großen Metropolen Paris, Madrid oder Berlin leuchten um die Wette, Lichtbänder ziehen sich auch entlang der Küsten. Weltweit nehme die Lichtmenge jedes Jahr um etwa zehn Prozent zu, erklärt die Astrophysikerin Carolin Liefke.
Präzise Messungen seien mit den Teleskopen vor Ort kaum mehr möglich, erklärt die Physikerin. Die Wissenschaft müsse wegen des menschengemachten Licht-Smogs "die Flucht ergreifen". Die sündhaft teuren Instrumente würden jetzt etwa in der chilenischen Atacama-Wüste errichtet - fernab menschlicher Siedlungen. Oder - wie das Weltraumteleskop Hubble - gleich direkt ins All geschossen.
Um die Lichtverschmutzung einzudämmen, hat die Politik Maßnahmen ergriffen. In Baden-Württemberg gilt seit Februar 2023 ein Beleuchtungsverbot für Fassaden sämtlicher Gebäude - von April bis Ende September rund um die Uhr. Nur in begründeten Fällen sind Ausnahmegenehmigungen möglich.
Viele Städte stellen auf insektenfreundlichere Straßenbeleuchtung um
Auch zahlreiche Kommunen bringen Modernisierungsprogramme auf den Weg. So sind in Heidelberg bereits 6.500 von insgesamt 25.000 Straßenlampen mit hocheffizienter LED-Technik ausgestattet. Die Leuchtmittel verfügen über warmweißes Licht mit geringem Blauanteil und über fokussierte Lichtkegel. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens werden die Lichter außerdem gedimmt. Bis 2030 will die Stadt Heidelberg ihre gesamte Straßenbeleuchtung umstellen.
Dekoleuchten ausschalten, Bewegungsmelder installieren
Aber auch Privatpersonen könnten helfen, die nächtliche Lichtmenge zu reduzieren, sagt Biologin Brigitte Heinz. Sie verteilt Flyer an Haushalte, um Bürger vom sparsamen Umgang mit der Ressource zu überzeugen. Gartenbesitzer sollten auf Dekoleuchten verzichten oder sie zumindest vor dem Schlafengehen ausschalten. Auf Wegen und Treppenstufen böten sich Lampen mit Bewegungsmeldern an. Auch die Lichtfarbe ist laut Heinz ein entscheidender Gradmesser. Blaulichtanteile suggerierten Tageslicht und störten die Nachtruhe erheblich, warmweiße Lichter mit maximal 1.800 Kelvin seien deutlich besser. Grundsätzlich müsse aber jedes Licht "auf den Prüfstand".