Lichtverschmutzung nimmt weltweit zu

Earth Night 2024 - Licht aus für den Umweltschutz

Stand
Autor/in
Stephanie Ley
Bild Stephanie Ley, SWR Studio Mannheim

Am Freitag sind Kommunen, Unternehmen und Privatleute aufgerufen, eine Nacht lang die Lichter auszuschalten. Die Aktion wirbt für einen sparsamen Einsatz von Kunstlicht.

Licht aus! Mit Einbruch der Dunkelheit werden am Freitagabend viele Kommunen, Unternehmen und Privatmenschen ihre Außenbeleuchtung dimmen oder sogar komplett abschalten. Die ganze Nacht über soll es deutlich weniger künstliches Licht auf der Erde geben. Mit der Aktion wollen die Initiatoren der sogenannten "Earth Night" auf die zunehmende Lichtverschmutzung unseres Planeten aufmerksam machen - denn helle Nächte sind ein gravierendes Problem für die Umwelt.

Brigitte Heinz ist Fledermausexpertin und streift regelmäßig durch das nächtliche Heidelberg. Vor einigen Jahren fiel der Biologin auf, dass die Nächte in ihrer Stadt immer heller wurden. Straßenlaternen, Schaufenster, Parkhäuser, Industrieanlagen, Fassaden und Gärten - gerade mit der Einführung von innovativen LED-Lampen und Solarleuchten seien viele Orte die ganze Nacht über hell erleuchtet, kritisiert die Naturschützerin vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Auch wenn die Menschen schlafen, sind überall Lichter an - mit negativen Folgen für Mensch, Tier und Pflanzen.

Millionen von Jahren funkelten nachts nur die Sterne am Himmel, der Mond war die hellste Lichtquelle am Firmament. Doch mit der Erfindung des elektrischen Lichts vor über 100 Jahren sei der Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten, erklärt die Heidelberger Biologin - mit fatalen Auswirkungen auf das Ökosystem. Insekten umschwirren Straßenlaternen bis zur "totalen Erschöpfung", allein in Deutschland verenden so jedes Jahr Milliarden von Motten, Fliegen und Mücken. Fledermäuse sind bei Nachtlicht desorientiert, Igel wagen sich nicht aus ihrem Versteck. Amseln, Kohlmeisen und Rotkehlchen fangen mitten in der Nacht an zu singen, weil sie "nicht schlafen können". Der natürliche Lebenszyklus vieler Tiere sei erheblich "gestört", erklärt Heinz.

Tiere können keinen Rollladen schließen oder sich eine Schlafmaske aufsetzen, wenn sie das Licht einer Straßenlaterne stört. Sie sind der Strahlung ausgesetzt.

Ein großer Schwarm Zugvögel ist am Morgen unterwegs in Richtung Süden (Archiv)
Nächtliches Licht ist für Zugvögel gefährlich, weil sie dadurch vom Weg abkommen.

Bäume, die nachts einer Lichtquelle ausgesetzt sind, betreiben weiter Photosynthese. Die Blätter werden deshalb größer, als es normalerweise der Fall ist. Im Sommer drohen sie schneller auszutrocknen, im Winter sind die Bäume weniger frostresistent.

Ist es nachts zu hell, gerät auch die innere Uhr des Menschen aus dem Takt. Die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin wird bei zu viel Licht gestört, wichtige Regenerationsprozesse leiden.

Weltweite Lichtverschmutzung aus dem All deutlich sichtbar

Deutlich sichtbar ist die weltweite Lichtverschmutzung aus dem All. Im Planetarium des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Astronomie auf dem Königstuhl können Besucher sehen, wo es auf der Erdoberfläche bei Nacht überall funkelt. Die großen Metropolen Paris, Madrid oder Berlin leuchten um die Wette, Lichtbänder ziehen sich auch entlang der Küsten. Weltweit nehme die Lichtmenge jedes Jahr um etwa zehn Prozent zu, erklärt die Astrophysikerin Carolin Liefke.

Früher waren beispielsweise die Entwicklungsländer auf der nächtlichen Erdkugel dunkel, heute gibt es auch dort überall Licht.

Die Heidelberger Astrophysikerin Carolin Liefke steht vor einem großen Teleskop
Die Heidelberger Astrophysikerin Carolin Liefke in der Sternwarte.

Präzise Messungen seien mit den Teleskopen vor Ort kaum mehr möglich, erklärt die Physikerin. Die Wissenschaft müsse wegen des menschengemachten Licht-Smogs "die Flucht ergreifen". Die sündhaft teuren Instrumente würden jetzt etwa in der chilenischen Atacama-Wüste errichtet - fernab menschlicher Siedlungen. Oder - wie das Weltraumteleskop Hubble - gleich direkt ins All geschossen.

Normalerweise können wir Menschen etwa 2.000 Sterne am Nachthimmel sehen. In Großstädten wie Mannheim sind es heute nur noch ein paar Dutzend.

Um die Lichtverschmutzung einzudämmen, hat die Politik Maßnahmen ergriffen. In Baden-Württemberg gilt seit Februar 2023 ein Beleuchtungsverbot für Fassaden sämtlicher Gebäude - von April bis Ende September rund um die Uhr. Nur in begründeten Fällen sind Ausnahmegenehmigungen möglich.

Viele Städte stellen auf insektenfreundlichere Straßenbeleuchtung um

Auch zahlreiche Kommunen bringen Modernisierungsprogramme auf den Weg. So sind in Heidelberg bereits 6.500 von insgesamt 25.000 Straßenlampen mit hocheffizienter LED-Technik ausgestattet. Die Leuchtmittel verfügen über warmweißes Licht mit geringem Blauanteil und über fokussierte Lichtkegel. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens werden die Lichter außerdem gedimmt. Bis 2030 will die Stadt Heidelberg ihre gesamte Straßenbeleuchtung umstellen.

Künstliches Licht in der Nacht, sogenannte Lichtverschmutzung, schadet Mensch, Tier und Pflanze.
Beleuchtete Fassaden sind in der Nacht schön anzuschauen, aber für die Umwelt schädlich.

Dekoleuchten ausschalten, Bewegungsmelder installieren

Aber auch Privatpersonen könnten helfen, die nächtliche Lichtmenge zu reduzieren, sagt Biologin Brigitte Heinz. Sie verteilt Flyer an Haushalte, um Bürger vom sparsamen Umgang mit der Ressource zu überzeugen. Gartenbesitzer sollten auf Dekoleuchten verzichten oder sie zumindest vor dem Schlafengehen ausschalten. Auf Wegen und Treppenstufen böten sich Lampen mit Bewegungsmeldern an. Auch die Lichtfarbe ist laut Heinz ein entscheidender Gradmesser. Blaulichtanteile suggerierten Tageslicht und störten die Nachtruhe erheblich, warmweiße Lichter mit maximal 1.800 Kelvin seien deutlich besser. Grundsätzlich müsse aber jedes Licht "auf den Prüfstand".

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